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Auf den Geist kommt es an

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Von Reisen nach Mexiko und nach Finnland kehrte Norbert Leser mit der Überzeugung zurück: Nur aktive Persönlichkeiten und kleine Schritte können das Österreich-Bild verbessern.

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Von Reisen nach Mexiko und nach Finnland kehrte Norbert Leser mit der Überzeugung zurück: Nur aktive Persönlichkeiten und kleine Schritte können das Österreich-Bild verbessern.

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Das Wien und Österreich der „guten alten Zeit“ - unter der sowohl die Epoche des Fin de siede als auch „die goldenen zwanziger Jahre“ der Zwischenkriegszeit verstanden werden—erfreuen sich international zunehmender Beliebtheit. Durch spektakuläre Großausstellungen, wie die im Centre Pompidou in Paris und im Museum of Modern Art in New York, wird dem ausländischen Publikum dieses Kapitel unserer Kulturgeschichte nahegebracht. Schaustellungen solcher Art sind besonders jetzt, da Österreich durch eine weltweite Medienkampagne zum Großteil unverdient in Mißkredit geraten ist, wichtig und wertvoll. Uber den großen Veranstaltungen, die weltweite Beachtung finden, sollen aber auch die kleineren, in ihrer Summe allerdings nicht minder wichtigen Initiativen, die Österreich dem Publikum eines bestimmten Landes vorstellen, nicht übersehen werden.

In der letzten Zeit hatte ich wiederholt Gelegenheit, im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als Leiter des Ludwig-Boltzmann-In-stituts für neuere österreichische Geistesgeschichte als eine Art kultureller Sonderbotschafter Österreichs durch fremde Lande zu ziehen und mich an Ort und Stelle davon zu überzeugen, daß einiges geschieht, um das bessere und größere Österreich in die Welt zu tragen. Die Kulturabteilung des Außenministeriums bietet Material für Ausstellungen und Kataloge an und versetzt die österreichischen Vertretungsbehörden, aber auch private Initiatoren in die Lage, Österreich mit seinen kulturellen Beiträgen präsent zu machen. Dieses Angebot muß aber auch aufgegriffen und in mühevoller Kleinarbeit präsentiert werden, und dazu bedarf es immer engagierter Persönlichkeiten, die bereit sind, mehr zu tun, als ihnen die bloß bürokratische Erfüllung ihrer Aufgaben gebietet.

So führte mich mein Weg nach einem Aufenthalt in den USA, der mit Vorträgen und der Teilnahme an einem Symposion in Minnea-polis über die Juden im alten Österreich verbunden war, nach Mexiko, wo ich Vorlesungen über österreichische Geschichte an der Universität hielt und auch Gelegenheit hatte, an der Eröffnung einer Ausstellung zum Thema „Kunst in Wien um 1900“ teilzunehmen.

Die Ausstellung fand in Guana-juato statt, in der im nördlichen Hochland Mexikos gelegenen entzückenden Hauptstadt des Bundesstaates gleichen Namens. Von Mexiko City gelangte ich in einer mehrstündigen Autofahrt mit dem Kulturattache der österreichischen Botschaft, Gabriel Kra-marics, an das Ziel. Dieser überdurchschnittlich motivierte junge österreichische Diplomat betätigte sich nicht nur als Chauffeur und Betreuer, er war zusammen mit dem Präsidenten des Vereines der Österreicher in Mexiko, Robert Kolb, auch der Motor der Initiative und ein lebendiger Beweis dafür, daß es immer eines persönlichen Einsatzes bedarf, um eine solche Veranstaltung zustande zu bringen — freilich auch eines Vorgesetzten und Botschafters, der solche zusätzlichen Leistungen und Anstrengungen ermuntert. Im Foyer des Teatro Juarez konnte dann vor einem festlich gestimmten Publikum eine Begegnung stattfinden, die bei allen Beteiligten das beglückende Gefühl erweckte, Gestalter und Zeugen einer Schau zu sein, der es gelang, die Kunst einer längst entschwundenen Zeit in Form von Fotos, verkleinerten Reproduktionen und Skizzen aller Art vor den Augen der Bewohner eines fremden Landes erstehen zu lassen, die mit Österreich sonst vielfach nur Assoziationen im Zusammenhang mit dem unglücklichen Kaiser Maximilian, dem Bruder Kaiser Franz Josephs, verbinden. Der Abend und die Ausstellung demonstrierten, daß Kunst und Kultur auch in den zwischenmenschlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen über Gewalt und politische Entfremdung triumphieren können.

Szenenwechsel. Im Juni nahm ich an einer Tagung nordischer Germanisten im finnischen Städtchen Jyväskylä teil, das eine Universität und innerhalb derselben ein zentrales Spracheninstitut beherbergt, das diese Tagung für Deutschlehrer organisierte. Auch hier war es eine initiative Persönlichkeit — der aus der Bundesrepublik Deutschland stammende Germanist Hartmut Schröder-, der die Tagung veranstaltete und diesmal unter das Motto Österreich stellte. Als Begleitveranstaltung fand in dem Hotel Cumulus eine ebenfalls vom Außenministerium zur Verfügung gestellte Ausstellung über Karl Kraus statt. Das Hotel wird von einem österreichischen Manager geleitet: von Peter Bechins-ky, der mit seiner Familie seit rund einem Jahrzehnt in Finnland lebt.

Für Wendelin Schmidt-Deng-ler, der als Experte für österreichische Literatur nach Finnland gekommen war, und für mich, der ich den nordischen Hörern österreichische Zeitgeschichte zu vermitteln hatte, war es besonders bewegend, die Fernwirkung dieses großen Österreichers, der plötzlich in optischer Eindringlichkeit und Suggestivität vor uns stand, zu erleben und zu erfahren, wie Raum und Zeit angesichts verbindender und verbindlicher Aussagen zusammenschrumpfen.

Das Bild, das sich die Welt von Österreich macht, setzt sich aus vielen Mosaiksteinen zusammen und wird von vielen oft unbe-dankten Händen und Herzen zusammengetragen und gepflegt. Doch auch diese Arbeit im stillen und kleinen sollte nicht vergessen werden, sie sorgt dafür, daß auch im Detail das abgerundet und nachvollzogen wird, was“ sich in den großen Ausstellungen und Zentren als Generallinie präsentiert.

Der Autor ist Professor für Sozialphilosophie an der Universität Wien.

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