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Ausweg aus der Sackgasse

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Nach zweijährigem Stillstand werden auf Zypern am 15. Juni die Wiedervereinigungsverhandlungen zwischen dem griechisch-zypriotischen Rumpfstaat und der seit 1974 abgetrennten türkischen Besatzungszone im Norden der Insel wieder aufgenommen. Dieser Durchbruch kann zunächst auch als Erfolg des österreichischen UNO-Generalsekretärs Kurt Waldheim gewertet werden.

Waldheim war am 18. und 19. Mai persönlich in die zweigeteüte Hauptstadt Nikosia gekommen. Von den beiden Seiten der „grünen“ Demarkationslinie brachte er den griechischen Präsidenten des Gesamtstaates, Spyros Kyprianou, und seinen türkisch-fö derahstischen Gegenspieler, Rauf Denktasch, zum ersten Mal gemeinsam an einen Tisch. Das letzte Zusammentreffen zwischen Führern der beiden Volksgruppen hatte 1977 noch zwischen Denktasch und Makarios kurz vor dem Tod des Erzbischof-Präsidenten stattgefunden.

Daß es zu diesem neuerlichen Zusammenfinden auf der vielgeprüften Insel der Aphrodite gekommen ist, ist noch vor dem Vermittler Waldheim das Verdienst der direkt Verantwortlichen in Nikosia und Athen, im zyperntürkischen Lefkoscha wie in Ankara. Persönlich am wenigsten scheint Rauf Denktasch zur Wiederannäherung beigetragen zu haben, dessen Position als Präsident der selbsterklärten „Türkischen Bundesrepublik Zypern“ aber auch viel stärker von Ankara abhängig ist als die Kyprianous von seiner Schutzmacht Griechenland.

Auf zyperntürkischer wie türkischer Seite war sicher entscheidend, daß in der Türkei wieder der sozialfortschrittliche Bülent Ecevit und nicht länger die nationalistisch-neuislamische Koalition Süleyman Demireis an der Regierung ist. Denn Demireis „Adalet Partisi“ (Gerechtigkeitspartei), und noch mehr ihre Verbündeten von der „Millietci Ha-reket“ (Nationalistische Bewegung) eines Alparsan Türkes oder gar der „Milli Selamet Partisi“ (Nationale Heilspartei) Erbakans erblickten in Zypern gewissermaßen ein erstes Exerzierfeld für ihre osmanisch-is-lamischen Restaurationspläne.

Ecevit weiß hingegen, daß er seinen schmalen Weg des demokratischen Fortschritts zwischen den Alternativen Militärdiktatur, Rechtsoder Linksislam und Kommunismus nur nach Aussöhnung und nur im Zusammenspiel mit den demokratischen Nachbarländern Griechenland und Zypern wird gehen können.

Dieser Einsicht in Ankara ist ein noch größerer Gesinnungswandel bei den neuen zyperngriechischen Führern vorausgegangen. Erzbischof Makarios hatte noch die Politik eines nach innen hin einheitsstaatlichen, nach außen neutralistisch-blockfreien Zypern durch eine recht klare Frontstellung gegen NATO sowie CENTO und im Zusammenspiel mit Nasserismus und arabischem Nationalismus bei immer stärkerer Anlehnung an den Ostblock abzustützen versucht.

Während es ihm umgekehrt gelang, trotz seiner direkten Achse Nikosia-Kairo mit Israel gute Beziehungen zu unterhalten, wurde der politische Erzbischof dem Westen immer suspekter: Sein Sturz durch einen wahrscheinlich vom CIA mit eingefädelten Militärputsch im Juli 1974 und das anschließende Eingreifen der Türken waren die Folgen.

Sein Nachfolger Kyprianou hingegen hat seit seiner Amtseinführung im Herbst 1977 auf. eine Zypernlösung in Zusammenarbeit mit den USA hingearbeitet. Nach dem Beispiel Sadats, der mit seinem Einschwenken ins Lager des Westens den Nahostkonflikt von seiner zusätzlichen Belastung durch die Rivalität zwischen den Supermächten befreite und ihn als „internen Familienzwist“ erfolgreich bis zum Frieden von Washington führen konnte, unterstreicht nun Kyprianou die griechisch-türkisch-zyprischen Gemeinsamkeiten auf dem Fundament europäischer Demokratie und Menschlichkeit.

Kyprianou ist überzeugt, daß nur auf dieser Grundlage eine Lösung zur Sicherung der türkischen Minderheitenrechte wie des griechischen Flüchtlingsproblems aus der Nordzone gefunden werden kann. Umgekehrt wird damit den Amerikanern die Möglichkeit gegeben, mit gutem Zureden und notfalls sanfter Gewalt die beiden Seiten zu ihrem eigenen Vorteil zu zwingen.

In diesem Zusammenhang muß auch der USA-Besuch von Zyperns heimlichem Landesvater, Erzbischof Chrysostomo, gesehen werden, ohne den auch Kyprianou nicht regieren kann.

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