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Duell in Amerika

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Der magische 6. November naht„ und der amerikanische Präsidentenwahlkampf wird zunehmend härter. Kein Wunder: Es geht um viel. Und natürlich setzen das republikanische wie das demokratische Spitzenteam alles daran, in dieser Auseinandersetzung der Gegenseite nichts zu schenken.

Schon vor Wochen begann man im demokratischen Lager erleichtert aufzuatmen, als der laut Meinungsumfragen hoffnungslos hinter Ronald Reagan liegende Herausforderer Walter Mondale bei der ersten Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten über innenpolitische Themenbereiche ungewöhnlich gut abschnitt und seinen Kontrahenten schlecht aussehen ließ.

Die zweite Fernsehdebatte über die amerikanische Außen-und Sicherheitspolitik indessen hat das zuvor aufgeschreckte und nervös gewordene republikanische Lager wieder beruhigt. Denn da zeigte sich Ronald Reagan stellenweise von seinen besten Seiten: witzig, humorvoll, schlagfertig und die richtigen patriotischen Töne anschlagend.

Dabei besteht kein Zweifel: Mehr Fachkenntnis, mehr Intellekt zeigte auch in dieser Debatte „Fritz" Mondale, wenn man auch ihm anmerken konnte, daß er sich nicht immer sicher im außen- und sicherheitspolitischen Terrain bewegte.

Reagans Stärke wiederum ist sein politischer Instinkt. Er wirkt wie der „nette alte Herr im Weißen Haus", der Hausverstand hat und sägt, was viele Amerikaner dieser Tage denken.

Und Reagan kann in diesem Wahlkampf mit zahlreichen Errungenschaften bei der amerikanischen Wählerschaft hausieren gehen, die ganz offensichtlich mittel- oder unmittelbar mit seiner Präsidentschaft zu tun haben: die wieder in Schwung gekommene amerikanische Wirtschaft; die (schon unter Jimmy Carter begonnene) Verstärkung der amerikanischen Verteidigungsbereitschaft, die die USA wieder zur unangefochtenen westlichen Führungsmacht werden ließ; damit zusammenhängend das Wiederaufleben des amerikanischen Patriotismus. Das Amerika der mittleren und oberen Klassen schwimmt geradezu vergnüglich auf einer Welle der Selbstzufriedenheit und des Optimismus.

Gegen diese Grundstimmung anzukämpfen, haben es Walter Mondale und Geraldine Ferraro schwer. Sie kreiden der Reagan-Administration das gewaltige Budgetdefizit, die hohen Zinsraten und den starken Dollar an, der die amerikanische Exportwirtschaft schwächt und das Land mit Importen überschwemmt.

Sie attackieren seine vielen abenteuerlich anmutende Mittelamerika-Politik, seine Politik gegenüber der Sowjetunion, die zu keinen Abrüstungsvereinbarungen geführt hätte. Und sie warnen ihre Landsleute, daß vier weitere Jahre Ronald Reagan die Trennungslinien zwischen Kirche und Staat verwischen würden.

Walter Mondale geht mittlerweile immer mehr zum Direktangriff auf Ronald Reagan über, zweifelt seine Führungsqualitäten an und nennt ihn den „unin-formiertesten Präsidenten in der modernen Geschichte..., der kein wesentliches Problem diskutieren kann, ohne einen großen Fehler zu machen".

Daran mag auch einiges richtig sein. Ronald Reagan ist gewiß kein Politiker, der in irgendeiner Frage durch besonderes Detailwissen glänzen könnte und nur allzu gerne den Faden verliert. Niemand weiß das besser als seine Mitarbeiter, und wohl deshalb schirmen sie ihn so gut es geht von den Medien ab.

Reagans Zugang zur Öffentlichkeit muß sich in genau festgelegten Bahnen bewegen, denn Spontaneität birgt die Gefahr von Schnitzern in sich — das ist es wohl, was sich die Reagan-Helfer bei der Isolierung ihres Spitzenkandidaten denken. Eigentlich paradox bei einem Politiker, der wie kaum ein anderer mit dem Medium Fernsehen umgehen kann; aber offensichtlich eben nur dann, wenn ihm seine Mitarbeiter die richtigen Ezzes gegeben haben.

Die freilich kommen bei den Amerikanern meistens gut an — im Gegensatz zu den Parolen, die Walter Mondale mit seiner ganzen nüchternen Art ausgibt — eine Art, die zur Zeit einfach nicht so richtig in das Bild des optimistischen Amerika paßt.

Selbst hier nicht, im traditionell liberal-demokratischen Massa-chussetts, hat seine Wahlkampagne richtig Feuer gefangen. Ja,die Demokraten können sich nicht einmal der gewöhnlich ihrem Lager zuneigenden Jungwähler gewiß sein, die in diesen Tagen, in denen so viel vom „new american spirit" die Rede ist, traditionelle Werte wie individuelles Leistungsdenken und Strebsamkeit wieder großschreiben. Viele liebäugeln deshalb mit dem Reagan-Lager.

Als Feuerwehrmann hat die demokratische Partei deshalb das im Vorwahlkampf Mondale unterlegene Jugend-Idol Gary Hart an die Front geschickt. Er trampt ebenso wie Geraldine Ferraro durch die Universitäten und Colleges des Landes und versucht zu retten, was noch zu retten ist. Am 6. November wird man sehen, ob ihnen das gelungen ist...

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