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Maos Marsch zum Sieg

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Es , gilt als anerkannte Besonderheit der, chinesischen' Va-•riante, des Kommunismus, daß,' er sich in der Nachfolge, histo-Irisehpr Agrarauistände entwickelt und revolutionär durchgesetzt :hat..Schon wegen'dieser, von der- sowjetrussischen .Weisung jund “Erfahrung fundamental abweichenden Voraussetzung ;mußte jMaö Tse-tüngs Leistung ein Eigengewicht im politischen Kräftefeld1 unseres Jahrhunderts erlangen. ■ Mao hatte-zwar der von .Stalin beherrschten Sowjetunion einiges zu danken, als er vor ■25 Jahren,— im .Sommer 1949 — den Bürgerkrieg.in China gegen Tschiangkaischek. endgültig gewann.! Entscheidend für den Sieg jedoch waren seine eigenen Planungen und Ideen.

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Es , gilt als anerkannte Besonderheit der, chinesischen' Va-•riante, des Kommunismus, daß,' er sich in der Nachfolge, histo-Irisehpr Agrarauistände entwickelt und revolutionär durchgesetzt :hat..Schon wegen'dieser, von der- sowjetrussischen .Weisung jund “Erfahrung fundamental abweichenden Voraussetzung ;mußte jMaö Tse-tüngs Leistung ein Eigengewicht im politischen Kräftefeld1 unseres Jahrhunderts erlangen. ■ Mao hatte-zwar der von .Stalin beherrschten Sowjetunion einiges zu danken, als er vor ■25 Jahren,— im .Sommer 1949 — den Bürgerkrieg.in China gegen Tschiangkaischek. endgültig gewann.! Entscheidend für den Sieg jedoch waren seine eigenen Planungen und Ideen.

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Die amerikanische Meinung im Februar 1945, Japans Widerstand könnte noch über ein Jahr hinaus andauern, hatte dazu geführt, daß Präsident Franklin D. Roosevelt während der Gipfelkonferenz in Jalta seinen Kriegsalliierten Stalin durch ein Geheimabkommen verpflichtete, drei Monate nach Kriegsende in Europa an Japan den Krieg zu erklären. Dies zu dem Preis, daß Südsachalin, die Kurilen-Inseln und politisch-wirtschaftliche Vorzugsrechte in der Mandschurei und in Nordchina als Wiedergutmachung für Japans Angriff im Jahre 1904 an „Rußland zurückgegeben“ werden mußten. Damit hatten die Amerikaner den von ihnen selbst, anläßlich des „Boxerkrieges“ 1900, verkündeten Grundsatz der „offenen Tür“ für China aufgegeben. Den Sowjets hatten sie eine Mach'tbildung konzediert, die nach dem Triumph über Japan nur den chinesischen Kommunisten zugute kommen konnte.

Verfügten die Männer um Mao 1937, als die Japaner China angriffen, lediglich über einen Raum von 85.000 Quadratkilometern mit anderthalb Millionen Einwohnern, so betrug das tatsächlich von ihnen beherrschte Territorium im August 1945, bei Kriegsende, zwei Millionen Quadratkilometer mit 140 Millionen Einwohnern.

Einen moralischen Führungsanspruch vermochten die Sowjetführer ungeachtet der ihnen dn Jalta zugesprochenen Stellung in China gegenüber den Genossen Mao und Tschu En-lai nicht geltend zu machen. Sie hatten die Waffen der japanischen Armeen, die in der Mandschurei vor der Roten Armee kapitulierten, den chinesischen Kommunisten überlassen, was deren Chancen' für den bevorstehenden Endkampf mit der Regierung Tschiangkaischeks beträchtlich verbesserte. Doch gleichzeitig schlössen sie einen Beistandsund Freundschaftsvertrag mit der Kuomintang-Autorität, den sie erst kündigten, nachdem Mao das Festland erobert hatte. Der Charakter der Umwälzung Chinas als „Aufstand der Bauern“ bedeutete geistig mehr als pragmatisch bedingte Verlagerung der kommunistischen Basis, die von Marx bis Lenin im Industrie-Proletariat fixiert sein mußte, von den (im „Reiche der Mitte“ fehlenden) Fabriken auf die Reisfelder. Es steckte darin der Anspruch, ein neues menschliches Bewußtsein außerhalb der geistigen Beziehung zum „Westen“ — wozu man neben Nordamerika und Westeuropa auch die Sowjetunion rechnete — zu entwickeln. Wie hatte Mao gesagt: Das „Land“ wird die „Stadt“ besiegen.

Nach der bedingungslosen Kapitulation Japans am 2. September 1945 war der Ausbruch des chinesischen Bürgerkriegs nur eine Frage der Zeit. Tschiangs Nationalregierung in Tschungking, der Kriegshauptstadt, gelang weder eine Beugung der Kommunisten unter ihre Autorität noch eine Festigung ihrer Stellung in Mittel* und Südchina, wo man ihre Beamten zunächst mit Erwartungen begrüßt hatte. General Marshall als Sonderbotschafter der Vereinigten Staaten, von Präsident Truman nach China entstandt, um das Äußerste für die Erzwingung eines Kompromisses zwischen Kuomintang und Kommunisten zu versuchen, vermochte lediglich den Ausbruch des Bürgerkrieges bis Anfang 1947 hinauszuzögern.

Die Verfassung, die 1946 zustande kam, erkannten die Kommunisten nicht an. Zahlreiche China-Kenner haben darauf hingewiesen, daß Tschiang weiteren Kredit eingebüßt hatte, weil er eine Bodenreform versprach und sie dann immer wieder aufschob. Schließlich hätte er seine Autorität trotz allem vielleicht doch restaurieren können, wenn er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs persönlich über die Japaner in irgendeinem Frontabschnitt gesiegt hätte.

Gegen diese Vorwürfe hat sich Tschiangkaisohek in seinen Memoiren gewehrt mit der Behauptung, sie seien Erfindungen oder Übertreibungen kommunistenfreundlicher Publizisten, die vor allem die öffentliche Meinung der Vereinigten Staaten irregeführt hätten.

Zu diesem Zeftpunkt aber war Mao bereits eine spezifisch chinesische Vaterfigur geworden. Für den großen Teil der bäuerlichen Bevölkerung wandelte er sich zu einem Volksbeglücker, der die Bodenreform, die so lange versprochen war, endlich durchführte. Mao verkündete: ,„Der Imperialismus, die Militärmachthaber, die korrupten Beamten, die schlechte Gentry der Dorftyrannen werden alle ins Grab geschickt.“ Und er befahl den Soldaten, Rücksicht in den eroberten Städten walten zu lassen.

Für Tschiang gab es eine vielversprechende Eröffnung des Feldzugs. Die „rote“ Hauptstadt Yean fiel im Sommer 1947 in die Hand seiner Armee. Dann folgten Fehler, Frontwechsel von Offizieren mit Truppen und zum Teil neuartigem Waffenbestand aus amerikanischen Lieferungen. Im November 1948 siegte die „Volksarmee“ entscheidend über die Kuomintang-Armee bei Sütschou. Danach gab es kein Halten mehr für den Rückzug der nationalen Verbände. Am 18. April 1949 überschritt die Macht Maos den Jang Tse Kiang, am 24. April fiel Nanking, am 27. Mai Schanghai. Während des Juni und Juli wurden die größten Gebiete Mittelchinas erobert.

Am 21. September war es soweit, daß Mao Tse-tung die „Volksrepublik“ proklamierte, mit Peking als Hauptstadt. Bis Ende Oktober 1949 besetzten die . Kommunisten Südchina. Tschungking im Westen hielt sich bis zum 29. November. Nach dem Fall dieser Hauptstadt floh Tschiang zunächst nach Tschengtu im westlichen Gebirgsland von Szetschuan: schließlich zog er sich mit einem Teil seiner Truppen und des Beamtenkörpers auf die Insel Taiwan zurück.

Die dort nach Taipeh einberufene Nationalversammlung beschloß am 5. Jänner 1950 die Ernennung Tschiangkaischeks zum Präsidenten der „Republik China“. Sofort sicherte die Marine der Vereinigten Staaten auf Befehl Präsident Tru-mans die Insel gegen jeden Invasionsversuch ab. Der Präsident erklärte öffentlich, Taiwan dürfe niemals in die Hände von Gegnern der Vereinigten Staaten fallen. Die offene Verfeindung zwischen Amerika und den neuen Machthabern in Peking ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Nachdem am 24. Juni 1950 Nordkorea den Süden des geteilten Landes angegriffen hatte und im Gegenschlage die UN-Truppen unter General McArthur im November 1950 den Grenzfluß Yalu, der Nordkorea und China trennt, erreichten, schalteten sich 200.000 „Freiwillige“ unter dem von Peking entsandten General Peng Te-huad in die Kämpfe ein.

Die Problematik des Sieges von Mao Tse-tung im Bürgerkrieg vor 25 Jahren ist seinerzeit vor allem in den Verinigten Staaten sehr vehement diskutiert worden. Und wie so oft in der großen Politik, wenn eine Einsicht besteht, daß etwas verfehlt wurde, beschwichtigte man sich auch in diesem Falle mit dem Aufzeigen von Tendenzen, die das relativ Gute an der unerfreulichen Entwicklung zu erweisen schienen. Bei den Sowjets registrierte man Bedauern, nicht schon vor dem Siege offiziell auf die „Genossen“ gesetzt zu haben. Immerhin gab es aber noch keinen ideologischen Konflikt. Stalin erkannte, ebenso wie der frühe Chruschtschow, Mao als unbestrittenen Führer der chinesischen Variante des Kommunismus an.

Mit China ist seit dieser Zeit auf dem Wege zur erstrebten neuen Gesellschaft viel und nicht immer durchschaubar experimentiert worden. Versuche mit Volkskommunen im Wechsel von den fünfziger in die sechziger Jahre gerieten sehr bald in den Schatten des sich ausdehnenden ideologischen Konflikts mit der Sowjetunion, deren Partei bereits 1963 das Verdikt aus Peking traf, den Marxismus-Leninismus verraten zu haben. Seit acht Jahren ist von einer „proletarischen Kulturrevolution“ und neuerdings von bisher unbekannten Richtungskämpfen zwischen „Linken“ und „Rechten“ die Rede.

Neue Namen werden in diesen Tagen genannt. Man spricht von einer möglichen Ablösung der Führungsgarnitur, die sich vor 25 Jahren um Mao etablierte. Doch es scheint charakteristisch für das Geheimnisvolle, das China umgibt, daß man über Absichten und Beweggründe sogar der bekannten Persönlichkeiten immer wieder rätselt.

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