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Parteireform durch das Wahlrecht

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Daß die ÖVP reformbedürftig ist, hat sich herumgesprochen. Daß es auch die SPÖ schon 1975 war, hat damals etwa Rupert Gmoser bestätigt, der nach dem Wahlerfolg vor vier Jahren schrieb, sein Nachteil sei, daß siegreiche Parteien nicht an Erneuerung dächten, die Sozialistische einer solchen aber nicht weniger bedürfte. Letztes Wochenende ist nun auch die FPÖ in Reformwehen niedergekommen, und selbst die KPÖ gab zu verstehen, sie denke über neue Wege nach.

Reformkost überall. Schon werden Reformrezepte kilometerlang beschrieben. Gut, daß vielen vieles einfällt. Aber wenn man das ganze Reformvorhaben in einem einzigen Wunsch zusammenfassen müßte, könnten eigentlich alle Parteien denselben äußern: eine Wahlrechtsreform ä la Heinz Fischer.

Wahr ist, daß die Volkspartei seit einem Vierteljahrhundert ein stärker persönlichkeitsbezogenes Wahlrecht fordert. Wahr ist, daß Erhard Busek ein solches 1968 in dem Buch „Die unvollendete Demokratie“ und die Autoren Peter Diem und Heinrich Neisser 1969 in ihrem Buch „Zeit zur Reform“ empfahlen. Wahr ist, daß Christian Broda und Leopold Gratz 1969 einen ähnlichen Vorschlag wie zehn Jahre später ihr Klubobmann Heinz Fischer machten.

Wahr ist freilich auch, daß die SPÖ-Minderheitsregierung 1971 mit FPÖ-Hilfe eine Wahlrechtsänderung beschloß, die dieser Forderung diametral zuwiderlief. Aber schließlich ist Zeit dazu da, daß man in ihr gescheiter werden kann. Mittlerweile sollte zudem auch die FPÖ eingesehen haben, daß in dem Maß, in dem Sachprobleme angesichts wachsender Komplizierung für immer mehr Wähler zu einer Frage des Vertrauens in Personen werden, auch kleinere Parteien letztlich nur eine Chance durch hervorragende Kandidaten haben.

Wenn etwa zwei Drittel der Abgeordneten des Nationalrats in Einerwahlkreisen, das letzte Drittel aber über eine Bundesliste gewählt würden, wäre damit zweierlei erreicht: Die Parteien wären gezwungen, die Wahlkreisbewerber nicht nach bündischen, berufsständischen oder Se-nioritätserwägungen auszusuchen, sondern ausschließlich nach dem Kriterium: Wer hat Aussicht, die meisten Stimmen zu bekommen?

Die Bundesliste jedoch würde die Nominierung notwendiger, aber vielleicht im Händeschütteln und Babyküssen weniger versierter Experten („Parteinotwendigkeiten“, „Bun-despräzipuum“) ermöglichen. Außerdem würde der Proporzausgleich dafür sorgen, daß auch Kleinparteien, die in den Einerwahlkreisen zu kurz kämen, stärkegemäß im Parlament vertreten sind.

Die SPÖ sollte mit dem Fischer-Vorschlag rasch ins Parlament gehen, auch wenn der Bundeskanzler diesen in der Regierungserklärung merkwürdigerweise nicht erwähnte. Die ÖVP sollte, natürlich mit der Forderung nach Briefwahl gekoppelt, entschlossen mitmachen.

Und die FPÖ sollte sich ihr erstes Nein noch einmal überlegen. Anges-sichts der Tatsache, daß etwa ihr Obmann dort, wo man ihn näher kennt, viel besser als seine Partei beim Wähler ankommt, müßte sie eigentlich im Bunde der Großen der hoffnungsvolle Dritte sein.

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