Denken

Politische Biologie

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Denken kann einem niemand verbieten. Man(n) sich selbst schon. Und das wäre manchmal angebracht.

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Denken kann einem niemand verbieten. Man(n) sich selbst schon. Und das wäre manchmal angebracht.

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Es gibt keine Denkverbote.“ Ein Satz, den Bundeskanzler Nehammer gegenwärtig gebetsmühlenartig verkündet. Vor allem, wenn er auf Reizthemen – Verbrennungsmotoren, Geflüchtete an den EU-Außengrenzen, Koalitionen mit der FPÖ, Vetos in Brüssel, Reisen nach Moskau, Afrika, auf den Mond – angesprochen wird. Scheinbar haben hier seine Kommunikationstrainer ganze Arbeit geleistet. Sie trichterten Nehammer ein, dass ihm keiner widersprechen wird. Welcher aufgeklärte Bürger fordert schon Denkverbote? Ein Nein zu Denkverboten ist gleichbedeutend mit einem Ja zu Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschenliebe. Meinen Kommunikationsprofis.

Weil meines Wissens noch niemand Gedanken lesen kann, kann einem das Denken bzw. das, was man denkt, sowieso keiner verbieten. Für diese Info brauche ich keinen Kanzler. Meine Gedanken dürfen verwaschen und unkenntlich sein; ein dumpfes Chaos von Splittern und wortlosen Bildern bilden, sich aneinanderreihen oder überlagern. Auch müssen sie keinen Sinn ergeben. Sie dürfen es, das schon.

Ich habe in diversen Fachbüchern für Neurologie geblättert und erfahren, dass dem Menschen jeden Tag zwischen 60.000 bis 80.000 Gedanken durch den Kopf gehen. In diesen Prozess involviert sind noch jede Menge Neurotransmitter, Hormone, Adrenalin, Cortisole, Histamine, Endorphine und Vasopressine. Und das ist jetzt nur ein Bruchteil der Substanzen, die in der Literatur aufgelistet sind. So biologisch sich das alles anhört – Denken ist äußerst politisch. Siehe Nehammer. Der Mensch ist seinen Gedanken mitnichten hilflos ausgeliefert. Er kann sie steuern, sie disziplinieren. Und das wiederum prägt die Persönlichkeit – die sich durchaus verändern kann, wenn man zu undiszipliniert denkt.

Das Schlüsselwort heißt Neuroplastizität. Was das bedeutet? Dass Denken Realitäten erschaffen kann. Den Satz „Es gibt keine Denkverbote“ sollte Nehammer daher überdenken. Ich bin dafür, darüber nachzudenken, was man da vor sich hindenkt. Ja, und wenn es sein muss, dann gilt es, sich den Inhalt zu verbieten, bevor dieser sich nach draußen Bahn bricht. Das gilt vor allem für Regierungschefs.

Lesen Sie auch die Essenz "Glanz und Gegenwehr" oder "Es geht dir gut. Aus die Maus."

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