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Schätze aus Erdhügeln

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Egal wie heiß der Sommer wird: Die lediglich bis 1. August präsentierte Ausstellung „Gold aus Kiew" im Wiener Kunsthistorischen Museum sollte man nicht versäumen.

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Egal wie heiß der Sommer wird: Die lediglich bis 1. August präsentierte Ausstellung „Gold aus Kiew" im Wiener Kunsthistorischen Museum sollte man nicht versäumen.

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Sie zeigt erstmals in Wien 170 Kunstwerke von Weltrang aus der im Höhlenkloster von Kiew aufbewahrten Sammlung des Museums der Historischen Kostbarkeiten. Der Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, hat sie aus dem viele Tausende Goldschmiedearbeiten umfassenden Gesamtkontext der „Schatzkammer der Ukraine" selbst ausgesucht und darauf geachtet, daß die Exponate nicht nur künstlerisch hochrangig sind, sondern auch das Kunstschaffen der in einem Zeitraum von 3.000 Jahren in der Ukraine lebenden Völker signifikant widerspiegeln.

Skythen, Sarmaten, Awaren

Die ältesten Stücke der Exposition stammen von den Kimmeriem, die im 12711. Jahrhundert v. Chr. in die Südukraine kamen, primär nomadisch lebten und im 6. Jahrhundert v. Chr. -vertrieben von den vordrängenden Skythen - von der historischen Landkarte verschwanden. In ihren erst dürftig untersuchten Erdhügelgräbern legte man vor allem Schwerter, Lanzen, Streithämmer, Pfeile und Bogen, aber auch mit Fayence verzierten Goldschmuck frei. In der Ausstellung sind Beispiele davon zu sehen.

Das Schwergewicht liegt auf der in den monumentalen Erdhügelgräbem (Kurgane) entdeckten Hinterlassenschaft der Skythen. Die Fundobjekte aus den als „Pyramiden der Steppe" bezeichneten Kurganen dieses asiatischen Reitervolkes ohne Schrift und Literatur, das der griechische Geschichtsschreiber Herodot um 450 v. Chr. beschrieben hat, werden zum Teil in der St. Petersburger Eremitage, zum Teil in Kiew aufbewahrt. Einen Querschnitt des Petersburger Goldschatzes konnte man im Wiener Künstlerhaus im Winter 1988/89 be wundem.

In der jetzigen Schau begegnet man qualitativ gleichwertigen Kunstwerken wieder. Und diese wie jene sind, ausgeführt in Edelmetall, über Auftrag der skythischen Oberschicht hauptsächlich in den Werkstätten griechischer Kolonisten entstanden. Alle

weisen Motive aus dem gesamten eurasischen Raum auf wie Hirsch, Pferd und Raubkatze. Dazu kommen Elch, Bär und Wolf sowie ein Fabelwesen, das schon die kretisch-myke-nische Welt gekannt hat: der Greif mit dem Körper eines Löwen, Kopf und Flügel eines Adlers, der zunehmend abstrahiert und mit geometrischen Mustern bereichert wird.

Der Großteil der Golderzeugnisse war, wie auch die Ausstellung dokumentiert, als Männer- und Frauenschmuck vorgesehen. Zu den begehrtesten Schmuckstücken der Frauen gehörten Ohrringe.

Kultische Bedeutung besaß hingegen der Brustschmuck (Pektorale). Von künstlerischer Brillanz erweist sich ein 1971 ausgegrabenes Pektorale mit reliefartig geformten Tierszenen aus Gold und Email, auf dem

Greife, Leopard und Löwen, Pferd, Keiler, Hirsch, Hund, Hasen, Kuh, Schaf, Ziegen und Vögel ebenso minuziös dargestellt sind wie zwei Männer in Pluderhosen, die ein Kleidungsstück nähen.

Historisch bedeutsam ist das den Skythen zeitlich nachfolgende Volk der iranischsprachigen Sarmaten. Allerdings mußten sie schon 375 einer riesigen Horde verschiedener Stämme, die man in Europa Hunnen nannte, weichen. Da die Hunnen nach Westen weiterzogen und nach unzähligen Siegen über Ost- und Westrom ihr Reich wieder verloren, konnten auf dem Gebiet der Ukraine die turksprachigen Awaren ihren Platz einnehmen. Die Ausstellung zeigt einige

Gürteigami turen dieser Nomaden, die im Jahr 565 die Donau überschreiten sollten und wie die Hunnen auf ihrem Marsch in byzantinische Länder die besiegten Völker gnadenlos ausplünderten.

Auf die Awaren folgten in den Steppen des nördlichen Schwarzmeergebietes die Chazaren. Nach der Zerstörung ihres Khanats gerieten die ukrainischen Steppen unter die Herrschaft der räuberischen Pecenegen und danach unter die der Polovzer aus den nordkasachischen und sibirischen Steppen (Mitte des 11. bis erste Hälfte des 13. Jahrhundert). Aus der Grabstätte eines ihrer Heerführer sind ebenfalls höchst seltene Fundstücke zu sehen.

Anschließend wird dem Museumsbesucher Einblick in die Tradition der Goldschmiedekunst der Alten Rus

gegeben, die sowohl das künstlerische Erbe von Byzanz übernommen als auch neue Formen kreiert haben -besonders im sakralen Bereich. Ihre Juweliere bildeten vom 14. bis zum 18. Jahrhundert aus Edelsteinen üppige, farbenprächtige Kompositionen zu Blumen und Früchten, Bestandteilen von Kreuzen, Monstranzen und Opferschalen.

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