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Serbien nach Prinz Eugen

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Edler Ritter oder harter eher zu einem Symposion. Realpolitiker? Der Club Der Direktor des Balkano-Niederösterreich bat Italie- logischen Institutes in Beiner, Ungarn, Jugoslawen, grad gab eine Analyse aus Tschechen und Österrei- serbischer Sicht.

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Edler Ritter oder harter eher zu einem Symposion. Realpolitiker? Der Club Der Direktor des Balkano-Niederösterreich bat Italie- logischen Institutes in Beiner, Ungarn, Jugoslawen, grad gab eine Analyse aus Tschechen und Österrei- serbischer Sicht.

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Im Verlauf einiger Jahrzehnte, zwischen der zweiten Belagerung von Wien 1683 und dem Friedensvertrag von 1739, der in Belgrad geschlossen wurde, änderten sich die Verhältnisse in Südosteuropa grundlegend. Nach der Eroberung weiter Gebiete im Donauraum errichtete Österreich die Grenze zur Türkei an der Save

und Donau; dazu übernahm es in Italien und den Niederlanden das Erbe der spanischen Habsburger und reihte sich damit endlich in die Reihe der Großmächte ein.

Die Türkei schien in eine ausweglose Anarchie zu versinken und einem raschen Untergang zuzustreben. Trotzdem erhielt sie sich zäh als ein Staatskoloß, dessen Grundlagen eifersüchtig bewahrte Institutionen waren, die sich bereits seit vielen Jahrhunderten eingewurzelt hatten.

Sieht man von peripheren Kriegen ab, herrschte in diesem Teil der Welt seit Mitte des 16. Jahrhunderts, bleischwer, „ der türkische Frieden“. Dann wurde der Raum zwischen Wien und Ofen (Budapest) im Norden sowie Konstantinopel im Süden plötzlich vom Wirbel der Weltgeschichte erfaßt. In der Rolle von Heerführern erschienen hier, in barocker Ausstattung, die größten Herrscher Europas, die einige der dort ansässigen Völker zum ersten Mal sahen.

Unter diesen Feldherren gab es wirkliche Gestalter der Geschichte. Prinz Eugen von Savoyen, der als Stratege durch seine Förderung der Kriegskunst zum Aufstieg Österreichs in den Rang einer Großmacht am meisten beigetragen hatte, beteiligte sich an fast allen Schlachten seit der Belagerung von Wien im Jahre 1683. Einige davon, die zu den größten gehörten, bei Senta 1697, Petrova-radin 1716 und bei Belgrad 1717, gewann er ruhmreich als oberster Befehlshaber. Die politischen, gesellschaftlichen, demographischen und kulturellen Verhältnisse in den pannonischen und Balkanländern veränderten sich im Verlaufe dieser Kriege derart, daß diese Länder sicher in diesem Zeitraum, wenn auch nicht überall auf dieselbe Weise, aus einer geschichtlichen Epoche in eine andere traten.

Gemeinsam mit den übrigen Völkern Südosteuropas, vielleicht nur ausgeprägter als die anderen, erfuhren die Serben zwischen 1683 und 1739 so viele Änderungen der grundlegenden Lebensbedingungen, daß dies ihr historisches Schicksal dauerhaft vorbestimmte. Zu einem großen Teil unter die Herrschaft der Habsburger Monarchie gelangt, und mit Privilegien ausgestattet, die zumindest eine Anregung für weitere Bemühungen um ihr Weiterbestehen bedeuteten, blieben sie hier den Ausstrahlungen der abendländischen Kultur ausgesetzt und betraten schnell den Weg ihrer nationalen Neugestaltung.

Parallel dazu waren die Verhältnisse in Serbien, das sich innerhalb der türkischen Grenzen, südlich der großen Flüsse, befand, so beschaffen, daß die Ideen einer Erneuerung, die unter den gebildeten Serben in Österreich heranreiften, zur Grundlage des bewaffneten Kampfes gegen die Fremdherrschaft werden konnten. Dies war aber ein Prozeß, der sich langsam, in mehreren Phasen entwickelte, so daß der Zeitabschnitt bis 1739 für die Serben nur den Anfang auf dem Wege ihres Aufstieges bedeutet.

Die Serben als Soldaten im Dienste des Kaisers Leopold I. waren zweifellos zahlreicher, als das Kontingent, welches später in den Bestand der Militärgrenze eingeführt wurde. Ein beachtlicher Teil jener, die für ihre Kriegsverdienste mit einem Adelsbrief belohnt wurden, versank vorzeitig in deutsches oder ungarisches Milieu; einige Familien starben bald aus; Die Rolle der Serben, Soldaten und Adligen, entsprach in der allgemeinen Umgestaltung dieses Volkes nicht deren Präsenz in den Kriegsgeschehnissen, sie war aber gewiß eine der Grundvoraussetzungen der serbischen Bewegung in Österreich.

Demgegenüber, obwohl lange Zeit im Schatten großer geschichtlicher Ereignisse, wurde der dritte Stand auf dem Boden des ehemaligen Ungarn, der sich aus Handwerkern und Handelsleuten zusammensetzte, sehr rasch zur Grundlage der Zukunft dieses Volkes in der Habsburger-Monarchie. Dieser Stand gründete seine Geschäfte zu einem guten Teü auf das Geld, die Ware und die Fertigkeiten, die er aus der Türkei mitbrachte. Ohne Rücksicht auf ihren rechtlichen Status um ihre Kirchengemeinden gesammelt und mit dem Balkanmarkt verbunden, waren die An-siedlungen der Geschäftsleute in Pannonien allen offen, die aus dem Süden kamen, um hier zeitweilig Handel zu treiben oder für immer zu bleiben.

Das ungewöhnliche Phänomen der Übertragung des Bildes und des Geistes des Balkans in die Mitte der Habsburger-Monarchie wurde verwirklicht. Eine langsame, aber unausweichliche Symbiose der Serben mit den Griechen und, vor allem, mit den Zin-zaren, war keine Ausnahmeerscheinung und entwickelte sich am häufigsten zugunsten der er-steren. Die Serben besaßen zähere mittelalterliche Traditionen, und parallel dazu nahmen sie leichter die Einflüsse der europäischen Bildung an. Zusammen mit der Kirche wußte der serbische Bürgerstand seine nationalen Uberlieferungen zu erhalten, und noch mehr als das, gerade durch die Annahme westlicher Einflüsse, in sich den Geist des Historismus und des modernen Patriotismus zu entwickeln.

Die Ankunft des Patriarchen Arsenje IV. Jovanovic bei den do-nauländischen Serben bezeichnete den Ubergang aus der Vorbereitungsperiode in die reife Peri-

ode ihrer-Tätigkeit. Bald darauf, im Jahre 174L veröffentlichte er in Wien kaiserliche Privilegien, welche die Grundlage der besonderen Stellung der Serben in der Monarchie büdeten; zugleich ermöglichte der Patriarch H. Zefarovic und T. Messner, wieder in Wien, die berühmte „Stematografija“ erscheinen zu lassen, die nicht nur eine heraldische Grundlage der Geschichte der Serben, sondern auch ihres künftigen Staates darstellt. Zwei Jahre später, 1743, bestätigte die Kaiserin Maria Theresia jene Privüegien, welche die Serben bereits 1690 von Kaiser Leopold erhielten.

In den Kriegen am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts sonderten sich die Serben im Donauraum als ein Volk aus, dank ihrer für die Monarchie geleisteten Dienste auf dem

Schlachtfeld und jener Privilegien, die ihnen der Patriarch Arse-nije III. sicherte. Die Einbeziehung dieses Volkes ins Wirtschaftsleben, besonders seine Rolle bei der Herstellung von Handelsbeziehungen zwischen Mitteleuropa und dem Balkan, trug nur zu seiner Widerstandsfähigkeit bei.

Die Reziprozität der serbischen Bewegung in Österreich und der serbischen Bewegung in der Türkei, verschieden in ihrer inneren Zusammensetzung, gab diesem Volke immer mehr Kraft, trotz seiner Geteiltheit zwischen zwei Imperien gemeinsam an die Verwirklichung seiner Befreiungsziele zu gehen.

Der Autor ist Universitätsprofessor und Direktor des Balkanologischen Instituts der Serbischen Akademie der Wissenschaften.

Auszug aus dem Referat beim Prinz-Eugen-Symposion.

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