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Stichworte für eine Kirche mit Zukunft
Die lobende Kritik, die der erste Band des Lexikons für Theologie und Kirche bei seinem Erscheinen gefunden hat, kann nun anhand des vorliegenden zweiten Bandes verzifiziert werden: Die dritte Auflage dieses profunden Nachschlagewerkes spiegelt jene weltoffene Theologie wider, wie sie durch das Vatikanum II initiiert wurde. So finden sich in diesem Band, der in knapp 1.400 Spalten die Beiträge von Barclay bis Damodos versammelt, nicht nur die klassischen theologischen Artikel zu Christentum, Christologie, Bibel oder Buße, sondern auch Beiträge, welche die notwendige und oft unbeachtete Auseinandersetzung der Theologie mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen dokumentieren. Unter dem Stichwort Computer etwa wird differenziert sowohl auf die Selbstverständlichkeit einer Computerbenützung in kirchlichen Institutionen verwiesen, als auch deren gesamtgesellschaftliche und kommunikationstheoretische Problematik skizziert. In das Gesamtkonzept wurden ethische und psychoanalytische Themen wie etwa Erich Fromms Schlüsselbegriff der Biophi-lie integriert und neue theologische Denkversuche wie die Beziehungstheologie dargestellt.
Die Gegenwartsbezogenheit und Internationalität des Lexikons wird etwa am ausgezeichneten Artikel über die lateinamerikanische Befreiungstheologie deutlich. Gerade hier fällt aber das Fehlen der lateinamerikanischen Befreiungsphilosophie, die seit längerem schon eine eigenständige theoretische Entwicklung darstellt und nicht unter der Befreiungstheologie subsumiert werden kann, besonders schmerzlich auf. Zahlreiche Artikel wie Behinderte, Caritas, Christlich-soziale Bewegungen oder Christliche Sozialisten verweisen auf die soziale und politische Dimension des Christentums auch in Europa als ein immanentes Element seines religiösen Selbstverständnisses. Enttäuschend kurz ist hingegen der Beitrag zur christlichen Philosophie geraten. Vergleicht man ihn etwa mit den ausführlichen Artikeln zu China oder zum Buddhismus, so suggeriert er eine geringere Bedeutung der Philosophie für die Theologie, als ihr historisch und sachlich zukommt.
In Summe kann festgehalten werden, daß dieses Lexikon die Enge eines theologischen Fachjargons überwunden hat und mit seinen verläßlichen Kurzinformationen und ausführlichen Grundsatzartikeln einen hohen Gebrauchswert auch für Fachleute nichttheologischer Wissensgebiete darstellt. Sein Konzept lädt wie wenige Lexika zu einer Entdeckungsreise ein, auf der historisches Wissen mit systematischen Fragestellungen so verbunden wird, daß das gegenwärtige Selbstverständnis kritisch reflektiert und das Problembewußtsein geschärft wird.
Damit aber legt es auch der Theologie und der Kirche am Übergang ins Dritte Jahrtausend jenes intellektuelle Fundament, das die Basis dafür abgeben könnte, jenseits des Fundamentalismus in einem offenen Dialog mit der Welt zu verbleiben.
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