Prishtina Kosovo - © Foto: Wolfgang Machreich

NATO-Osterweiterung: Bis Putin die Party crashte

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Zu ihrem 75. Jahrestag kämpft die NATO mit den Folgen ihrer kurzen Phase militärischer Dominanz nach dem Zerfall der Sowjetunion. Was lief falsch? Was braucht es jetzt?

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Zu ihrem 75. Jahrestag kämpft die NATO mit den Folgen ihrer kurzen Phase militärischer Dominanz nach dem Zerfall der Sowjetunion. Was lief falsch? Was braucht es jetzt?

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Der US-General a.D. meldete sich in zivil und via Videoschaltung zu Wort, doch er sprach ganz im Sinne eines Militärs und so, als wäre er im Saal und wollte alle Anwesenden wieder um sich, die NATO und Amerika scharen: „Der Kosovo war eine Top-Priorität (top call) für die NATO und die Vereinigten Staaten“, sagte Wesley Clark, „und der Kosovo ist ein glänzendes Beispiel für Demokratie, für Freiheit, für Mut.“ Und damals wie heute, sagte er, „brauchen die USA in turbulenten Zeiten Freunde“.

1999 war Clark Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte im Kosovokrieg. Vorige Woche gehörte er neben der Präsidentin des Kosovos („Die NATO ist Teil unserer Geschichte und unser Ziel!“) und dem US-Botschafter im Kosovo („Der NATO-Einsatz war eine moralische Notwendigkeit!“) zu den Eröffnungsrednern einer Konferenz an der Universität Prishtina. Anlass war der 25. Jahrestag des Beginns der NATO-Luftschläge auf Ziele in Jugoslawien, um Präsident Slobodan Milošević zum Rückzug serbischer Truppen aus dem Kosovo zu zwingen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob die enorme Bedeutung der damaligen NATO-Intervention für Russlands Legitimierung des Ukrainekriegs bereits ausreichend erkannt wird“, spannte Christian Costamagna einen Bogen vom 24. März 1999 zum 24. Februar 2022. Der italienische Historiker mit Forschungsschwerpunkt Ex-Jugoslawien begründete seine Parallele mit mehreren in diese Argumentationskerbe stoßende Aussagen Putins. Bereits Russlands Angriffe auf Georgien 2008 und die Krim 2014 wurden von russischer Seite trotz beträchtlicher Unterschiede als Blaupausen zur NATO im Kosovo dargestellt.

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. zog diesen Argumentationsstrang weiter, als er am Palmsonntag, 24. März, ein Schreiben an den serbisch-orthodoxen Patriarchen Porfirije richtete, in dem er die NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien als eine „weitere aufschlussreiche Episode des ewigen Kampfes gegen den orthodoxen Glauben und seine Träger“ hinstellte.
Die Wiege für die heutige Konfrontation zwischen Russland und dem Westen verortet Costamagna am Flughafen der kosovarischen Hauptstadt Prishtina. Vom 11. auf den 12. Juni 1999 wurde dieser von russischen Fallschirmjägern besetzt.

Die Soldaten waren als Teil der internationalen Friedenstruppen in Bosnien und Herzegowina im Einsatz und drangen ohne vorherige Absprache mit der NATO in einer Nacht- und Nebelaktion in den Kosovo ein. „Das wird in Russland als der erste Aufstand gegen das Vorgehen von USA und NATO als Weltpolizei angesehen“, sagt Costamagna. Denn mit seiner eingangs gemachten Feststellung des Kosovokriegs als top call für die NATO beschrieb General Clark auch die sicherheitspolitische Weltlage vor 25 Jahren. Mit dem Einlenken von Milošević im Juni 1999 stand die NATO am Gipfel ihres über die Grenzen ihrer Mitgliedsstaaten hinaus reichenden Einflusses, auf der Spitze ihrer militärischen Macht und am Zenit ihrer Durchsetzungskraft als Weltpolizist.

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