Frühere Verhältnisse

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Was die "Kronen Zeitung" bereits nach der letzten Nationalratswahl herbeizuschreiben versuchte, könnte nun Wirklichkeit werden: Häupl und Pröll geben die Richtung vor.

Der böse Wolf denkt stets politisch / und, mehr als manchem lieb ist, kritisch. / Beim Häupl aber kann er's nicht, / da gegen diesen halt nichts spricht. / Blickt mit dem Herzen hin auf ihn: / Er ist das fleischgewordne Wien! / Schmach treffe einen, wenn's ihn gibt, / der diese schöne Stadt nicht liebt!

Wolf Martin, In den Wind gereimt... ("Kronen Zeitung", 13. Oktober 2005)

Publizistische Ergebenheitsadressen wie die oben zitierte sind westlich von Pjöngjang recht selten geworden. Man mag sie unter Kuriositäten des heimischen Medienwesens subsumieren. Es ist aber dennoch notwendig, sich gelegentlich eigens damit zu befassen, um dieses Land in seiner politischen Befindlichkeit besser verstehen zu können. Dazu passt auch ein am Tag vor der Wien-Wahl geschaltetes Inserat, in dem es heißt: "Als Niederösterreicher wähle ich Erwin Pröll, als Wiener wähle ich Michael Häupl." Zu ergänzen wäre vielleicht noch: "Als Österreicher lese ich die ..."

Lassen wir das. Halten wir nur noch fest, dass die U-Bahn-Zeitung Heute, die bekanntlich weder mit der Gemeinde Wien noch mit der Kronen Zeitung etwas zu tun hat, am Montag nach der Wahl mit der Vollzugsmeldung "SPÖ-Pflichtsieg!" titelte, fast gleichlautend übrigens mit dem Kurier, ebenfalls Bestandteil der Austria Medien ag, vulgo "Formil". Dazu gehört auch das Nachrichtenmagazin profil, was man diese Woche etwa daran merkt, dass Herausgeber Christian Rainer in seinem Leitartikel den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll gleich zum "kritischen Geist" und einer Art intellektuellem Gewissen ("Pulsieren des Haarkranzes") der vp hochstilisiert: wohl eine hin und wieder fällige Reverenz gegenüber dem Herrscher mit dem Giebelkreuz, einem der Mächtigen im "Formil"-Imperium - oder, symbolisch gesprochen: eine kleine Mariazell-Wallfahrt des smarten profil-Chefs; für Christian Konrad tauscht man schon einmal den Designeranzug mit Joppe und Stutzen.

Warum das hier steht? Weil all die genannten Medien und Personen mehr oder weniger zu den Gewinnern der Gemeinderatswahlen vom letzten Sonntag zählen dürften. Was sich bereits seit längerem abgezeichnet hat, wird in den nächsten Wochen und Monaten immer deutlichere Konturen erkennen lassen: die Rückkehr zur Großen Koalition. Mit der Verspätung einer Legislaturperiode würde dann Realität, was die Krone schon nach der letzten Nationalratswahl herbei zu kampagnisieren versuchte, in dem sie Häupl und Pröll, wie es damals hieß, "die Richtung vorgeben" ließ.

Denn in einem Punkt hat Hubert Gorbach, Vizekanzler und stellvertretender Chef eines Bündnisses ohne Zukunft, schon Recht: Eine wieder erstarkende fpö unter Heinz-Christian Strache gilt vielen als wohl gelittenes Instrument gegen die jetzige Regierung. Die övp verliert jedenfalls eine Option für die nächsten Koalitionsverhandlungen - Strache kommt als Partner nicht in Frage -, und zudem ist es wahrscheinlicher geworden, dass sich 2006 außer Rot-Schwarz bzw. Schwarz-Rot rechnerisch nichts ausgeht.

Das muss nun nicht, wie von manchen düster prophezeit, die große Katastrophe, den totalen Stillstand bedeuten. Aber es ist kaum vorstellbar, dass eine solche Partnerschaft den strukurimmanenten Versuchungen der Klüngelei und des Abtauschs von Klientelinteressen diesmal widerstehen könnte. Damit aber wäre das Feld für eine angriffslustige fpö hervorragend aufbereitet. Wir stünden gewissermaßen wieder dort, wo wir Mitte/Ende der Achtzigerjahre waren.

Freilich nicht ganz: zum einen, weil sich Geschichte nicht einfach wiederholt; zum anderen aber, weil Strache eben doch kein Haider-Klon ist. Ja, er hat einen äußerst unanständigen Wahlkampf geführt - und einen ansehnlichen Teil der nationalen Sozialisten (vor allem) in den sp-Hochburgen für sich gewonnen. Er hat den Haider der Aschermittwoch-Reden recht gut drauf. Aber es fehlen ihm all die anderen Facetten, die Haider in seinen besten Zeiten spielen ließ: vor allem die Pose des Nachdenklich-Staatsmännischen - die bekanntlich viele dazu verführte, sich der Illusion hinzugeben, Haider sei doch so etwas wie ein besserer Bürgerlicher.

rudolf.mitloehner@furche.at

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