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Digital In Arbeit

Befreiungstheologie für die Erste Welt

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Arbeit darf nicht Last und Langeweile sein, und sie darf den Menschen und die Welt nicht zerstören. Was Arbeit ist, muß radikal und von Grund auf neu erfunden werden.

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Arbeit darf nicht Last und Langeweile sein, und sie darf den Menschen und die Welt nicht zerstören. Was Arbeit ist, muß radikal und von Grund auf neu erfunden werden.

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Mit dieser These trifft der ehemalige Dominikanerpater . Matthew Fox einen heiklen Punkt in der gegenwärtigen Entwicklung. Denn auf dem Weg in eine postmoderne Zweidrittelgesellschaft verlieren viele ihre Arbeit und damit die Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Andere verrichten Arbeiten, in denen sie sich nicht glücklich fühlen. Und Arbeit in ihrer gegenwärtigen Form bringt die Welt aus dem Gleichgewicht. Die Ausbeutung der Schätze der Natur produziert einen ständig-wachsenden Berg von Müll und gefährlichen Abfällen. Und auch die Beziehungen unter den Menschen sind gefährdet. Es ist eine Ökonomie der Verschuldung entstanden, die die Armen immer ärmer macht, nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch in den Industriestaaten.

I )as kommt daher, weil wir die ursprüngliche Qualität der Welt vergessen haben, meint Matthew Fox, der zu den Wegbereitern einer ökologischen und kosmologischen Spiritualität gilt. Die Welt beginnt nicht mit der Ur-sünde, sondern mit dem Ursegen. „Und Gott sah, daß es gut war”, heißt es am Ende der biblischen Schöpfungsgeschichte. Wir müssen dahin zurückfinden, zur Wahrnehmung der ursprünglichen Güte der Welt. Doch in einer Gesellschaft, deren Wirtschaft auf Suchtverhalten beruht, ist das schwierig. Denn die Drogensüchtigen sind nur Symptom, aber nicht Ursache der Krankheit der Gesellschaft. Die dominierenden Süchte sind Konsumsucht und Arbeitssucht. Sie verstellen den Blick auf das Wunder der Welt, in der wir leben.

Die Folge ist die Zerstörung der Mensches und der Welt. Der Ausweg liegt nicht in der Erschließung neuer Märkte oder der Entwicklung neuer Produkte, sondern im Ausstieg aus dem gesellschaftlich akzeptierten Suchtverhalten.

■ Das ist Befreiungstheologie - für die Erste Welt. Matthew Fox, Direktor des „Institute in Culture and Crea-tion Spirituality” in Oakland/Kali-fornien, nennt das „Schöpfungsspiritualität”. 1983 erschien sein Buch „Der große Segen” . Doch die Theologie des Ursegens, die unter anderem an Gedanken von Thomas von Aqu-in, Meister Eckhart und Hildegard von Bingen anschließt, brachte Matthew Fox in Schwierigkeiten . mit den kirchlichen Institutionen. 1989 wurde ihm ein Bußschweigen auferlegt. Die Probleme ließen sich nicht lösen, und 1993 mußte Matthew Fox den Orden verlassen. Die religiöse Landschaft ist in den USA reichhaltiger als bei uns. So feiert er heute wieder als Priester der Episkopalkirche die Messe im anglikanischen Bitus. Techno-Sound und Multimedia-Installationen bringen eine neue, kosmische Dimension in das uralte Bitual.

Schöpfungsspiritualität bedeutet: Integration von Weisheit und Naturwissenschaft, von Mystik, von uralten Bitualen und den elektronischen Medien, um den Ausstieg aus der Konsumgesellschaft zu finden. Dazu braucht es neue Bildungsinstitutionen, denn die alten Universitäten versagen vor der Herausforderung der postmodernen Welt. An der eben gegründeten „Universität für Schöpfungsspiritualität” in Oak land, San Francisco werden nicht nur Cyberspace-Spezialisten, sondern auch Anita Boddick, die Gründerin des „Body Shop”, und Jerry Brown, ehe maliger Gouverneur von Kalifornien, lehren.

„Der Schlüssel ist Einfachheit und Bescheidenheit”, meint Matthew Fox.

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