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„Evangelische Katholizität

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„Heute geht es nicht mehr um die Frage, ob die Protestanten nach Rom zurückkehren sollten, in ihre geistliche Heimat, sondern wann und unter welchen Bedingungen sie es tun könnten. Die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung ist keineswegs utopisch; wir werden nicht bis zum Jüngsten Tag warten müssen.“ Diese Ansichten vertritt nach einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes Prof. Dr. Carl E. Braaten von der lutherischen Schule für Theologie im amerikanischen Bundesstaat Illinois.

In der neuesten Nummer der Vierteljahreszeitschrift „Una Sancta“, die von Lutheranern in New York herausgegeben wird, meint Braaten, schon in der Bewertung der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert als „historisches Ereignis“ sei die Möglichkeit enthalten, daß es durch die Geschichte überholt werden könne. Luther habe nichts so fern gelegen, wie die Begründung einer — noch dazu nach ihm selbst benannten — unabhängigen Kirche, die neben dem römischen Katholizismus und in Konkurrenz zu ihm existieren würde.

Der amerikanische Theologe glaubt, im heutigen Protestantismus eine „evangelische Katholizität“ auf- kommen zu sehen, die sich darin äußert, daß man die Reformation zwar weiterhin als notwendig betrachte, dabei aber immer an begrenzte und befristete Aufgaben sowie stets an die enge Bindung zur römisch-katholischen Kirche denke. Daher wäre es an der Zeit, sich die Frage zu stellen, ob die protestantischen Kirchen nicht gleichsam die „Reformgruppe“ innerhalb eines ungeteilten Katholizismus sein müßten.

Einen anderen Vorschlag, der sich in wichtigen Punkten an die seinerzeit vom Salzburger Erzbischof Doktor Rohracher in einem Interview mit dem „Feuerreiter“ aufgezeigten Gedanken über die Möglichkeiten einer katholisch-evangelischen Wiedervereinigung anlehnt, machte der Rektor der Erzbischöflichen Hochschule in Paderborn, Prof. P. Wak- ker, auf der Jahrestagung des Bundes für evangelisch-katholische Wiedervereinigung. Prof. Wacker sieht in der Form einer Union einen gangbaren Weg zur Wiedervereinigung. Das Konzil, so erklärte er, habe den Weg für eine korporative Einigung evangelischer Landes- und Staatskirchen mit der katholischen Kirche unter Bewahrung der biblisch begründeten evangelischen Traditionen in Ritus, Theologie und Spiritualität freigemacht. Auch geschlossene evangelische Gruppen könnten diesen Weg beschreiten.

Die Voraussetzungen für einen solchen Weg seien auf katholischer Seite durch die Kirchenkonstitution, das Ökumenismusdekret und das zu Unrecht mitunter allzusehr abgewertete Dekret über die unierten Ostkirchen, dessen allgemeine Prinzipien nur einer sinngemäßen Anwendung bedürfen, geschaffen worden. Keinesfalls dürfe man sich von früheren negativen Erfahrungen bezüglich dieser sogenannten Uniaten ab- schrecken lassen, denn das Kanzil habe einen geläuterten Begriff der Katholizität entwickelt, welcher die Bewahrung evangelischer Traditionen geradezu fordere. Der früher in der Una-Sancta-Bewegung teilweise vertretene Gedanke der „einen Kirche an einem Ort“ wirke dem gegenüber künstlich und manipuliert, denn er trage dem Erfordernis der Mannigfaltigkeit in der Einheit nicht Rechnung.

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