Großes Schisma in der Orthodoxie?

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Sowohl die moskautreue Ukrainische wie die Russische Orthodoxe Kirche haben Ende Juli der "Taufe der Kiewer Rusj" am Dnepr 988 gedacht. Das Russland-Patriarchat musste das daheim an der Moskwa tun, da seine höchsten Funktionäre nicht in die Ukraine einreisen dürfen. Auch der Exarch von Patriarch Kyrill in Kiew, Metropolit Onufrij Berezovskij, beklagte sich über Behördenschikanen gegen die Anreise von Priestern und Gläubigen aus dem ganzen Land zur Festtagsprozession. Dennoch wurden jene Massen, die betend und singend durch Kiews Straßen zogen, dann auf eine Viertelmillion geschätzt.

Kiew und Konstantinopel

Das im Alleingang von Moskau losgelöste "Kiewer Patriarchat" feierte den Geburtstag der osteuropäischen Christenheit im eigenen Lager. Doch nahm daran die offizielle Ukraine bis zu Präsident Petro Poroschenko hinauf teil. Bei diesem fanden sich auch drei Gratulanten des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. unter Metropolit Emmanuel Adamakis von Paris ein. Poroschenko dankte der Delegation aus dem Patriarchat von Konstantinopel für dessen Einleitung des kirchlichen Verselbständigungsprozesses (Autokephalie):"Für die meisten Ukrainer ist es von Bedeutung, dass ihre Kirche nicht der russischen angehört, der sie im 17. Jahrhundert auf kirchenrechtswidrige Weise eingegliedert wurde. Wir sind der Ansicht, dass Konstantinopel unsere Mutterkirche ist!" Die Rückkehr in den Schoß der Mutterkirche sei ein "historischer Augenblick für unser Land und unsere Kirche".

Seinerseits unterstrich Metropolit Emmanuel "die kompromisslose Unterstützung" der Konstantinopler Mutterkirche für Kiew. Der diesbezügliche Beschluss des Hl. Bischofssynods des Patriarchats habe "den Weg in eine neue Epoche" frei gemacht. "Kiew war immer unter der kirchlichen Protektion (Omophorion) des Ökumenischen Patriarchen. Wir haben alle historischen Dokumente in der Hand, die das beweisen", stellte Adamakis mit Nachdruck fest.

Damit war klar gesagt, dass die Würfel für die Autokephalie der ukrainischen Orthodoxie gefallen sind und die Promulgierug des diesbezüglichen Dokumentes (Tomos) nur mehr eine Formsache und Frage der Zeit darstellt. Jetzt aber befürchten viele kirchenpolitische und auch diplomatische Beobachter eine Spaltung der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie zwischen den von Konstantinopel und Moskau geführten Blöcken. Diese hatten sich bereits in der Frage des vom Ökumenischen Patriarchat einberufenen, durch Russen, Bulgaren und Georgier sowie die arabischen Orthodoxen des Patriarchen von Antiochia jedoch boykottierten Konzils von Kreta 2016 herausgebildet. In Sachen Ukraine wurden die Russophilen inzwischen um das Patriarchat von Alexandria und ganz Afrika, Polen und Serben vermehrt. Ihr Patriarch Irinej in Belgrad betrachtet die Befürworter einer ukrainischen Autokephalie sogar als "Häretiker". In Moskau stellte sich jetzt nicht nur Präsident Wladimir Putin, sondern vor allem Alexandrias Patriarch Theodoros II. ostentativ an die Seite von Kyrill und der russischen orthodoxen Position zur Ukraine. Bei ihm handelt es sich um den nach Bartholomaios ranghöchsten Kirchenfürsten der Orthodoxie.

Damit scheint sich -bald ein Jahrtausend nach dem "Großen Schisma" von 1054 zwischen dem "Alten" und dem "Neuen" Rom, Konstantinopel, und damit in der Folge zwischen Katholiken und Orthodoxen -eine weitere Kirchenspaltung innerhalb der Orthodoxie mit dem "Dritten" Rom, Moskau, im Zentrum abzuzeichnen. Doch sprechen die (ganz anders als die römische geartete) orthodoxe Kirchenstruktur und bisherige Erfahrungen nicht für eine so radikale Entwicklung.

Gleichberechtigte Glieder

In der Orthodoxie bilden die 14 autokephalen Kirchen gleichberechtigte Glieder einer Glaubensund Sakramentengemeinschaft. Zu den Vorrechten Konstantinopels gehören die Gewährung der Autokephalie und andere Aufgaben, doch kein universeller Jurisdiktionsprimat, wie ihn der abendländische Patriarch für sich in Anspruch nimmt. Zwar wurde dieses Verständnis des "Petrusamtes" erst vom I. Vatikanum 1870 zum Dogma erhoben. Doch stand diese Mentalität schon 1054 hinter der päpstlichen Exkommunikation des Ökumenischen Patriarchen Michael Kerularios und aller, die den Traditionen der byzantinischen Kirche folgen.

Hingegen kann kein orthodoxes Kirchenzentrum ein anderes von den Sakramenten und besonders von der eucharistischen Communio ausschließen. Aufgekündigt wird in Streitfällen nur die Gebetsgemeinschaft für das strittige geistliche Oberhaupt der Rivalen. So hatte 1994/95 während des Jurisdiktionsstreites zwischen Moskau und Konstantinopel um Estland der damalige russische Patriarch Alexi II. Bartholomaios aus der Liste liturgischer "Konmemorierung" gestrichen. Dasselbe tat der Phanar zehn Jahre später mit dem Athener Erzbischof Christodoulos Paraskevaidis. Heute wird im Patriarchat von Antiochia nicht für den Jerusalemer Patriarchen Theophilos III. gebetet, seit dieser das Bistum im Golfstaat Katar "geraubt" hat. So müssen auch Bartholomaios I. und ein künftiger autokephaler Erzbischof bzw. Patriarch der Ukraine mit Streichung aus der Konmemorierungsliste von Moskau und seiner Gefolgschaft rechnen -aber nicht mit mehr

Patriarchen

In der Orthodoxie bilden die zur Zeit 14 autokephalen Kirchen gleichberechtigte Glieder einer Glaubensund Sakramentengemeinschaft. Zu den Vorrechten Konstantinopels gehören zwar die Gewährung der Autokephalie und andere Aufgaben, doch kein universeller Jurisdiktionsprimat, wie ihn der abendländische Patriarch für sich in Anspruch nimmt (Bild: Bartholomaios I., li., Kyrill I.).

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