Naturwissenschaft und Glaube: Das uralte Gerücht
Warum gibt es etwas – und nicht vielmehr nichts? Existiert der Schöpfergott wirklich? Ein naturwissenschaftlicher Antwortversuch durch Lektüre im „Buch der Natur“.
Warum gibt es etwas – und nicht vielmehr nichts? Existiert der Schöpfergott wirklich? Ein naturwissenschaftlicher Antwortversuch durch Lektüre im „Buch der Natur“.
Auf die Grundfrage der Menschheit: „Warum gibt es überhaupt etwas, und nicht vielmehr nichts?“ haben wir keine Antwort. Weder Philosophie noch Naturwissenschaft geben uns eine solche. Zwar erkennt die Naturwissenschaft Kosmos und Lebenswelt als in Entwicklung aus einer Anfangs-Singularität, dem „Urknall“ vor etwa 14 Milliarden Jahren, kann aber nicht wirklich vor diesen Anfang zurück extrapolieren. Vom Vorher dieses Anfangs der Welt gibt es nur ein Gerücht. Der vor einem Jahr verstorbene deutsche Philosoph Robert Spaemann nannte es treffend „Das unsterbliche Gerücht“ – das Gerücht von Gott, dem Grund des Seins. Warum sollten wir uns mit diesem Gerücht beschäftigen? Ist es überhaupt mehr als ein Hirngespinst? Existiert der Schöpfergott, der Urgrund von allem, wirklich? Atheisten verneinen dies, Agnostiker sind im Zweifel – und vielen Zeitgenossen der Spaßgesellschaft ist die Beschäftigung mit der Frage reine Zeitverschwendung. Dennoch treibt uns die Vernunft, die wir in der Evolution des Lebens empfangen haben, dem Gerücht von Gott nachzugehen. Aber Gott schweigt. Unsere Sinne vernehmen ihn nicht.
Lässt er sich vielleicht im Innersten unseres Selbst vernehmen, wie es dem Physiker und Philosophen Blaise Pascal am 23. November 1654 zuteil wurde und er in seinem berühmten „Mémorial“ stammelnd festgehalten hat? Oder lichtet sich das Gerücht von Gott in den zahlreichen Zeugnissen eines auf das Innerste konzentrierten Gottsuchens, wie wir es heute besonders von Anselm Grün kennen?
„Hin-schwindeln“ zur Transzendenz
Bemerkenswerterweise sieht der stark von C. G. Jungs Tiefenpsychologie beeinflusste Benediktinermönch die göttliche Dreieinheit als Ausdruck Jung‘scher Archetypen. Mag sein, dass man sich nicht an sich selbst vorbei zu Gott „hin-schwindeln“ kann, wie Grün sagt. Dennoch sei im Folgenden, im Gegensatz zur heute dominierenden psycho- und soziologischen Richtung, der Blick auf die Außenwelt von Kosmos und Leben gerichtet. Mit anderen Worten: Wir wollen das „Buch der Natur“ aufschlagen, das dem christlichen Mittelalter Offenbarungsquelle war, sich der modernen Theologie aber verschloss, weil es mit dem streng deterministischen, kausal geschlossenen Weltbild der sogenannten „klassischen“ Physik nichts über das Wirken eines Schöpfers zu sagen schien.
Das moderne „Buch der Natur“ zeigt uns die materielle Welt von Kosmos und Leben in Evolution – in Eigenentfaltung nach einer explosionsartigen Entstehung (Urknall) vor 13,7 Milliarden Jahren. Aber erst vor etwa zwei Milliarden Jahren entwickelten sich auf der Erde Umweltbedingungen, die Leben ermöglichten und schließlich die lebende Materie sich in unvorstellbarer Kreativität zu immer neuen Formen entwickeln ließen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!