It's the language, stupid!

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Politik hat mit Sprache zu tun. Öffentlicher Diskurs naturgemäß auch. Das klingt nach Binsenweisheit, muss aber dennoch aufs Neue ausgesprochen werden. Auch die Wunderwuzzis der politischen Kommunikation versuchen, mittels Sprachsteuerung, auf Neudeutsch "Wording", politische Botschaften zu kanalisieren.

Dazu gehört auch, einst harmlosen Zuschreibungen negative Konnotationen zu verpassen. Wer heute von "Flüchtlingen" oder "Asylwerbern" spricht, kann mit immer neuen Restriktionsforderungen oder Gesetzesverschärfungen reüssieren. Positiv ist an diesen Worten zurzeit kaum etwas. Das macht eine rationale Auseinandersetzung schwer bis unmöglich.

Jüngstes Beispiel zeigt der Eiertanz, dessen sich Österreichs Politik im Verein mit dem Boulevard und Medien am rechten Rand des politischen Spektrums zum UN-Migrationspakt befleißigt: "Migration" ist einfach ein Reizwort; wer es noch nicht wusste, muss jetzt feststellen, dass rund um dieses keine vernünftige politische Diskussion möglich ist. Und wer hier einmal mehr zu sprachlicher Behutsamkeit mahnt, kann gewiss sein, dass ihm die Kampfvokabel "Political Correctness" oder "Moralkeule" um die Ohren fliegen.

Polarisierungen rund um den Globus

Ein menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen und Asylwerbern, eine Politik mit Augenmaß und ein Wahrnehmen, dass Migration eine aktuelle globale Herausforderung ist und einer Politik bedarf, die nachhaltige Antworten darauf zu geben versucht, ist auch eine Binsenweisheit. Sollte man meinen.

It's the language, stupid -Es ist die Sprache, Dummkopf: Derartige Abwandlung des geflügelten Wortes der Bill-Clinton-Ära kommt einem in den Sinn, wenn man die Polarisierungen analysiert, die nicht nur Europa, sondern viele Länder auf dem Globus heimsuchen. Ob in Brasilien oder auf den Philippinen, ob Orbán-Rhetorik oder AfD-Parolen oder das, was es hierzulande an Entsprechungen gibt: Populismus kann dort fröhliche Urständ feiern, wo es gelingt, Polarisierungen zu fördern. Das führt zur Verrohung des Diskurses -und geschieht zuvorderst durch Sprache, einen Kampf der Worte.

Dass sich dabei -zumindest ob der globalen Medienpräsenz - die USA einmal mehr als besonders ausgeprägtes Beispiel für diesen Befund erweisen, ist offensichtlich: Die ersten beiden Jahre der Ära Trump haben das Land viel mehr in Richtung Verwilderung der Auseinandersetzung geführt, als sich selbst Pessimisten träumen ließen.

Juden müssen wieder um ihr Leben bangen

Auch die Ergebnisse der Midterm Elections sprechen eine klare Sprache: Selten war die Polarisierung einer Gesellschaft so klar am Wahlergebnis ablesbar wie diesmal, zumal gerade die Ränder der politischen Lager gestärkt wurden. Aber es geht in Bezug auf die Diskursfähigkeit der Gesellschaft, die für eine funktionierende Demokratie essenziell ist, jenseits des Atlantiks schon länger bergab. Das Massaker, das ein Rechtsradikaler in der Synagoge von Pittsburgh angerichtet hat, ist da das letzte Fanal dieser Entwicklung: Dass heute in einer demokratischen Gesellschaft wieder Juden um ihr Leben fürchten müssen, schreit zum Himmel. Donald Trump, der die sprachlichen Verwüstungen mit seinen Tweets seit Jahr und Tag befeuert, ist da mit in die Verantwortung zu nehmen.

Und wenn sich hierzulande dieser Tage die Novemberpogrome zum 80. Mal jähren, dann ist klar, dass alle diese Entwicklungen Anlass zu größter Sorge geben. Aus der Geschichte der Schoa wäre zu lernen, dass Gewalt in der Sprache nur die Vorstufe zur physischen Gewalt und zur Vernichtung von Millionen war. In den Politikerreden rund um den 9. November wird das "Nie wieder!" oft zu hören sein. Wir sollten das den Politikern aber nicht abnehmen. Oder nur denjenigen, die erkennbar der Verrohung des Diskurses widerstehen. Und kein Öl ins Feuer der Polarisierung gießen.

otto.friedrich@furche.at |

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