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Nicht mit Hilfe der Banknotenpresse!

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Wieder gibt es in Österreich „un-orthodoxe“ Vorschläge, wie man Fi-nanzierungsprobleme mit Hilfe der Notenbank einfach lösen könnte: Einmal war da der Vorschlag, drie für die Finanzierung des Budget-defizits erforderlichen Mittel in der Weise herbeizuschaffen, daß die Notenbank die sogenannten Mindestreserven mit der Auflage freigibt, die Kreditinstitute mögen aus diesen Mitteln dem Bund für 2,5 bis 3 Milliarden Schilling niedrig verzinsliche Schatzscheine abnehmen. Nun wird verlangt, die Oesterreichische Nationalbank möge durch Ankauf von Kassenobligationen der Liwestitions-kredit AG. diesem Institut 200 bis 300 Miil. S unter der Bedingung zur Verfügung stellen, diese Mittel zu geringen Kosten der Industrie zur Aufstockung der ERP-Mittel weiterzugeben.

Die Mdndesreserven sind von den Kreditinstituten bei der Oesterreichischen Nationalbank oder bei Spitzeninstituten zu haltende unverzinsliche Einlagen. Offenmarktoperatio-nen sind Käufe oder Verkäufe festverzinslicher Wertpapiere durch die Oesterreichisohe Nationalbank. Beides sind Instrumente zur Regelung des Geldumlaufes. Will die Notenbank den Geldumlauf drosseln, wird sie die Mindestreserven erhöhen oder Wertpapiere verkaufen und das dafür erlöste Geld stillegen. Soll der Geldumlauf erhöht werden, wird sie Mindestreserven senken oder neu geschöpftes Geld durch Ankauf von Wertpapieren in Umlauf bringen. Beiden und ähnlichen Vorschlägen isrt eines gemeinsam: Sie wollen, daß die Notenbank ihre Instrumente, die ausschließlich der Regelung des globalein Geldumlaufs dienen, zur Lösung spezifischer Finanzierungsprobleme einsetzt.

Warum muß man in der Oesterreichischen Nationalbank immer wieder so beharrlich solche offensichtlich einfachen Wege ablehnen? Aus sehr praktischen und — noch mehr — aus sehr grundsätzlichen Erwägungen: Es wird nicht nur eine konjunkturpolitisch verfrühte Geldvermehrung verlangt, sondern es wird auch gefordert, daß diese Mittel nicht dem gesamten Kreditapparat generell, sondern für einen bestimmten Zweck (für den Staatshaushalt oder für Industrieinvestitionen) und zu einem bestimmten verbilligten Zinsfuß weitergegeben werden. Zur Erteilung solcher Auflagen Ist die Notenbank weder berufen noch befähigt und nach dem Natdonalbankgesetz folgerichtig auch nicht befugt

Hier scheiden sich die Geister: Soll die Notenbank ihr Privileg, Geld zu schöpfen, mit dem Zweck verbinden dürfen, dieses Geld für bestimmte Verwendungen und zu bestimmten

Kosten zur Verfügung zu stellen? Wenn für die Industrie,, warum dann nicht auch für Gewerbe, Fremdenverkehr oder Forstwirtschaft, für die Hochschulen oder für den Straßenbau? Und warum in Zeiten mangelnder privater Nachfrage nicht vielleicht auch für den Konsum? Was für den einen recht ist, müßte in einer Notenbank, deren Leitung Ermessen nicht mit Willkür verwechselt, für den anderen hillig sein! In einem solchen System müßte die Notenbank letzten Endes über die Verwendung aller von ihr geschaffenen Mittel selbst entscheiden. In unserer Wirtschaftsordnung aber beschränken sich die Notenbanken grundsätzlich darauf, das Geldvolumen global und das Zinsniveau indirekt zu steuern. Die Verwendung der Mittel und die Konditionen ihrer Vergabe bestimmt der Markt: die Unternehmer und die Banken. Die Notenbank müßte andernfalls nicht nur entscheiden, ob mehr investiert oder konsumiert werden soll, sondern auch, in welchen Branchen oder Regionen. Damit ist eine Notenbank überfordert, auch dort, wo ihr ein großer, über das ganze Land verzweigter Apparat zur Verfügung steht. Letzten Endes wäre auf diese Weise jedes Finanziert»! gsproblem ganz einfach zu lösen: Das zentrale No-teninstitut schöpft die gewünschte Geldmenge, lenkt die Kredite in die gewünschten Bereiche und verlangt die gewünschten Konditionen. Technisch ist es kein Problem, für jeden beliebigen Zweck zu jedem beliebigen Preis und in jeder beliebigen Menge Geld herzustellen. Das aber wäre eben zu einfach — und für unsere Währung ruinös! Konkrete Finanzierungsprobleme durch die Notenbank lösen zu wollen, ist noch keiner Währung gut bekommen. Inflationistisch an jedem dieser Vorschläge ist weniger der gefragte Betrag; dieser kann im Wege des libe-ralisierten Geld- und Kapitalverkehrs oder unter Umständen sogar mit Bewilligung der Nationalbank Ins Land gebracht werden. Zwischen diesen beiden Methoden der Geldschöpfung im Inland ist ein großer Unterschied. Die Kreditaufnahme im Ausland wird durch die Kosten auf diesen Märkten und eventuell durch das Vertrauen beschränkt, das der Schuldner im Ausland genießt. Wie aber sollte die Nationalbank hier eine objektive Grenze ziehen und gar durchsetzen?

Inflationistisch an diesen Vorschlägen ist einfach der Weg, konkrete Finanzierungsprobleme durch die Notenbank lösen zu wollen. Dringende Finanzierungsprobleme gibt es sicherlich, nicht zuletzt zur Finanzierung großer Wachstums- und strukturpolitisch notwendiger Industrieinvestitionen. Sie können aber nicht durch das einfache Rezept „Notenpresse“ gelöst werden. Wer besorgt ist. daß der österreichischen Industrie mehr Iwvestitionskapital zur Verfügung steht, muß die Bildung von langfristigem Kapital mit den Mitteln der Finanz- und Wirtschaftspolitik fördern, so daß das benötigte Geld verdient und erspart werden kann. Den Interessenvertretungen ist es hoch anzurechnen, daß sie vor den Vorteilen billiger Kredite für einzelne Mitglieder die währungs- und ordnungspolitischen Gefahren solcher allzu einfacher Wege nicht übersehen haben.

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