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Das Förderungsgesetz kommt

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Die Geschichte der Forschungsförderung in Österreich muß noch geschrieben werden. Sie ist sicher lang und für einen NichtÖsterreicher nur schwer verständlich. Zu viele Interessengegensätze und Zuständigkeiten spielen bei der Forschung mit, um selbst den Interessenten die Zusammenhänge völlig klar werden zu lassen.

Warum ist ein Forschungsförde-rungsgesetz heute überhaupt so wichtig? Hat man nicht bisher genauso gut ohne eigenes Forschungsgesetz gelebt? Die Bedeutung der Forschung ist in den letzten Jahren ungeheuer gestiegen. Man hat in der ganzen Welt deutlich erkannt, daß eine Wirtschaft durch Forschungsergebnisse gewaltige Vorteile ziehen kann. Der Ausspruch „Heute Forschung in Not, morgen Volk ohne Brot“ ist daher nicht nur ein guter Propagandasatz der Hochschulen in ihrem Kampf um mehr Geld, sondern eine echte Realität in der Industriegesellschaft. Darüber hinaus ist der Stand der wissenschaftlichen Forschung für das kulturelle Ansehen eines Landes von ausschlaggebender Bedeutung. Die Ausbildung der geistigen Spitzenkräfte wird so gut sein, so gut die Forschung in einem bestimmten Land ist.

Die sich im stärkeren Maße anbahnende und dringend notwendige internationale Koordinierung der Forschung ist kein Freibrief für eigene Untätigkeit, sondern im Gegenteil: der Auftrag an die österreichische Forschung, mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten, um nicht nur von den Ergebnissen der anderen Länder zu nehmen, sondern selbst einen Beitrag zu leisten. Die nationale Koordinierung, Abstimmung und Schwerpunktbildung in der Forschung ist die Voraussetzung für die Teilnahme Österreichs an der internationalen Forschungsintegration.

Nach 1945 galt es zunächst, die zerstörten Forschungsstätten in Österreich wieder aufzubauen und für die Ausbildung der zahlreichen, zum Teil aus dem Krieg zurückkommenden Hochschüler zu sorgen. In der Zeit der Besatzung hatte Österreich auch hohe Kosten zv tragen und war daher nicht imstande, der Forschung so gerecht zu werden, wie dies für einen hochindustrialisierten Kleinstaat unbedingt notwendig ist. Auch die personellen Verluste der Zeit nach 1934, der Zeit nach 1938 und der Zeit nach 1945 dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Die Lebensverhältnisse in den Nachkriegsjahren und die verlockenden Angebote aus den Vereinigten Staaten führten zu einer weiteren Abwanderung hervorragender österreichischer Forschungskräfte.

Nach Abschluß des österreichischen Staatsvertrages im Jahre 1955 haben vorausblickende Politiker die ständig steigende Bedeutung der Forschung erkannt, den zukunftsweisenden Anträgen der österreichischen Hochschulen Rechnung getragen und für eine — wenn auch geringe — budgetäre Vorsorge gesorgt. Offene Probleme sachlich zu lösen, war aber nicht die Stärke der Koalitionszeit in Österreich. So konnte man sich eben über die Verteilung oder den Verteilungsschlüssel der sieben Millionen Schilling, die erstmals 1955 im Budget aufscheinen, nicht einigen. Also blieben diese Mittel bis zum Jahre 1961 der österreichischen Forschung vorenthalten.

In der Zeit, in der die anderen europäischen Industrieländer ungeheure Anstrengungen zur Verstärkung der nationalen Forschung unternahmen, stritten sich in Österreich die Koalitionsparteien über den Vorgang der Vergebung der bescheidenen Forschungsmittel. Während die Sozialisten auf der Mitwirkung von Parlamentariern bei der konkreten Vergebung der Mittel, also einer Maßnahme der Exekutive, bestanden, lehnte diese Forderung die Volkspartei kategorisch ab. Eine Ver-politisierung des Forschungsbereiches, die in der Aera des Proporzes damit verbunden schien, sollte vermieden werden. Man konnte sich über die Konstruktion des zu schaffenden Forschungsrates bis heute zwischen den beiden großen Parteien des Landes nicht einigen. Nachdem man sechs Jahre die im Budget vorgesehenen Mittel für andere, ebenfalls sehr dringliche Hochschulaufwendungen, verwendete, entschloß man sich im Jahre 1961 zu einer Verteilung der Mittel nach einem Proporzschlüssel. Im Jahre 1960 hatten nämlich die österreichischen Hochschulen und die Akademie der Wissenschaften die Geduld verloren und einen Verein nach dem Vereinsrecht mit dem Namen „österreichischer Forschungsrat“ gegründet. Die Sozialistische Partei gründete unter Führung der beiden sozialistischen Hoohschulprofessoren Marinelli und Koch die „Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft“.

Während der Obmann der Boltz-mann-Gesellschaft, Prof. Marinelli, mit den Professoren Rohracher und Graßberger einen Entwurf für einen gemeinsamen rotweißroten Forschungsrat ausarbeitete, lehnte die SPÖ einen solchen Vorschlag ab. Ohne Mitwirkung ihrer Parlamentarier erschien dieser Partei die gerechte Verteilung der Forschungsmittel nicht gesichert zu sein. Auch die sozialistischen Initiativanträge, die auf einen ersten Initiativantrag des ÖVP-Abgeordneten Dr. Hauser im Nationalrat eintrafen, sahen immer eine Majorisierung der Wissenschaftler durch die Politiker vor. In den entscheidenden Organen hatten die Vertreter des Arbeiterkammertages und des österreichischen Gewerkschaftsbundes sowie der sonstigen Kammern vermehrt um die Zahl der von der Regierung nach dem Wahlergebnis zu ernennenden Mitglieder immer die Mehrheit. Es scheint eben doch, als ob die sozialistische Gesellschaftslehre in Österreich der Selbstverwaltung im Bereich des Kulturlebens sehr ablehnend gegenüberstehe.

Der nunmehr von der ÖVP vorgelegte Initiativantrag sieht die Schaffung von zwei Fonds, einen für die wissenschaftliche Forschung und einen für die gewerbliche Forschung, vor. Über die Verteilung der Mittel werden im wissenschaftlichen Fonds die Vertreter der Hochschulen und der Akademie der Wissenschaften selbst zu entscheiden haben. Die Vertreter des Finanz- und Unterrichts-ministeriums haben nur eine beratende Stimme. Die Aufsicht und die Vertretung in der Bundesregierung liegt aber beim zuständigen Unterrichtsministerium. Man hat also einen echten neuen Selbstverwaltungskörper geschaffen.

Der Fonds für die gewerbliche Wirtschaft wird zwar von den Vertretern der B'Undeshandelskammer beherrscht (auch die Arbeiterkammer ist natürlich vertreten), gibt aber ebenfalls die Möglichkeit, unabhängige Wdrtschaftssntscheidungen zu treffen und ist nicht nur eine Dienststelle des Ministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie. Auch für eine Koordinierung der beiden Fonds ist Sorge getragen. Im Fonds für die wissenschaftliche Forschung sind Vertreter der gewerblichen Forschung beratend vertreten und umgekehrt.

Offen ist das Problem einer besseren Finanzierung der Forschung. Die Vorstellungen der Oppositionspartei, die eine einseitige Belastung der Wirtschaft durch eine neue Forschungsabgabe vorsahen, sind wohl nicht zuletzt durch die gegenwärtige Wdrtschaftsentwicklung überholt. Sie waren in einem Land, welches nur über 80 Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten verfügt, niemals realistisch. Es hat keinen Sinn, auf der einen Seite für eine Steuersenkung zu plädieren und auf der anderen Seite eine neue Steuer einzuführen. Die Mittel für die wissenschaftliche Forschung — abgesehen von den unmittelbaren Hochschulaufwendungen — sind von 6 Millionen im Jahre 1964 auf 16 Millionen im Jahre 1967 gesteigert worden. Ebenso sind die Mittel für die gewerbliche Wirtschaft bedeutend ausgeweitet worden. In Zukunft wird man aber trotz der schwierigen Finanzsituation des Bundes noch viel größere Aufwendungen für die Forschung unternehmen müssen. Wenn es in der Regierungserklärung heißt, daß der Forschung ein Vorrang hinsichtlich der Aufgaben als auch der Ausgaben eingeräumt werden soll, so kann das Problem der Ausgaben nicht nur durch die Verfassung von Jahresberichten über die Forschung behoben werden. Der Nationalrat, dessen Aufgabe es ist, das Bundesfinanzgesetz zu beschließen, wird gut daran tun, den Bericht der Bundesregierung, der jeweils bis 15. Oktober dem Nationalrat vorgelegt werden soll, auch wirklich zu berücksichtigen. Man dürfte den 15. Oktober von Seiten der forschungsinteressierten ÖVP-Abgeordneten, die den Initiativantrag eingebracht haben, nicht zufällig gewählt haben. Die kurz danach beginnende Budgetdebatte soll die Sorgen der Forschung aktuell vorfinden.

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