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Das Leben mit der Bombe

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Der unsichtbare Angriff. Die Gefahr der Strahlung. Von J. Schubert und R. E. L a p p. Goverts-Verlag, Stuttgart. 282 Seiten. Preis 18.50 DM.

Zwei verdiente Fachleute, ein Biologe und ein Kernphysiker, legen hier ein Buch vor, das schon in der amerikanischen Originalausgabe „Radiation“ mit Recht Aufsehen erregt hat und das nun auch dem deutschen Leser alles Wissenswerte über die Natur und die Quellen der Strahlungen, über alle ihre biologischen, medizinischen und genetischen Wirkungen und über die heutige Situation der Gefährdung der Menschheit durch die Verwendung von Strahlungen in Medizin, Technik, Energiewirtschaft und Kriegsrüstung vermittelt. Es ist der große Vorteil dieses Buches, daß es trotz wissenschaftlicher Zuverlässigkeit und möglichster Vollständigkeit doch leicht verständlich und fesselnd geschrieben ist und daß es jene absolute Objektivität und politische Unabhängigkeit zeigt, zu der der Fachmann bei der Behandlung so schwerwiegender Fragen verpflichtet ist. Es gibt kaum eine aktuelle Frage der friedlichen oder kriegerischen Verwendung der Atomenergie, die hier nicht ihre ausführliche Beantwortung nach dem heutigen Stand der Forschung findet. Es ist sehr zu begrüßen, daß die Autoren ihre Warnungen nicht nur auf das so beliebte Thema der Atombombenversuche beschränken, sondern auch auf die oft noch viel größeren Gefahren hinweisen,' die“ eine leichtfertige Handhabung der ärztlichen Röntgendiagnostik und Strahlentherapie für die Erbgesundheit der Menschheit mit sich bringt. Die Dringlichkeit und die Möglichkeiten von Sicherheitsmaßnahmen für die Zukunft werden, auch vom Standpunkt der Gesetzgebung, auseinandergesetzt. Hier liegt endlich ein Buch vor, das man jedem, der in der Wirrnis tendenziöser Berichterstattung nach Klarheit sucht, dringend empfehlen kann. Der führende deutsche Strahlenbiologe

B. Rajewski, der Autor eines maßgeblichen Werkes über die „Wissenschaftlichen Grundlagen des Strahlenschutzes“, betont mit Recht in seinem Vorwort zu dieser deutschen Ausgabe die Notwendigkeit einer Aufklärung, „damit einerseits die sensationellen Pressemeldungen keine Beunruhigung verursachen, anderseits die ernstgemeinten Bekanntmachungen zum Nachdenken zwingen. Das ist das wesentliche sozialpolitische Problem unserer Zeit“. Er findet aber auch, „daß die nachdrückliche Förderung der biologischen Forschung heute wichtiger ist als die schnelle Entwicklung der Atomtechnik, denn damit hängt die Schicksalsfrage der Menschheit zusammen“. Dies sei an die Adresse unserer maßgeblichen Behörden vermerkt!

Friede oder Atomkrieg. Von Albert Schweitzer.

C. H. Beck, München. 47 Seiten. Preis 2.50 DM. Die Broschüre enthält die drei Appelle, die, im

April 1958 über verschiedene Sender verbreitet, das größte Interesse der Weltöffentlichkeit erregt haben. Handelt es sich doch bei Albert Schweitzer um einen Mann, der nicht nur in Worten, sondern durch ein der tätigen Nächstenliebe geweihtes Leben seine moralische und politische Integrität erwiesen hat. Der erste Appell erinnert an den im April 1957 er-kssenen Aufruf zur Einstellung der Versuchsexplosionen mit Atomwaffen. Den Westmächten wird • der bittere Vorwurf gemacht, seither durch eine zähe Propaganda die Gefahren der erhöhten radioaktiven Strahlung für die Erbmasse des Menschen verharmlost zu haben. (Die Schlagzeilen der Weltpresse während dieses Zeitraumes machen wohl eher den gegenteiligen Eindruck. Ref.) Alle Wissenschafter, die sich um eine objektive Klarstellung dieser Zusammenhänge bemüht haben, werden als Propagandisten des Bösen verdächtigt. Der zweite Appell schildert mit bewegten Worten die Gefahren und das Grauen eines Atomkrieges, der dritte Appell die ausweglos erscheinende Situation der heutigen Bestrebungen, auf dem Verhandlungsweg zu einer Abschaffung der Atomwaffen und zu einer Sicherung des Friedens zu gelangen. Albert Schweitzer erhofft alles von einem „Geist der Kulturgesinnung, der Vemünftigkeit und Menschlichkeit“ und droht mit der öffentlichen Meinung der „Völker“. Kriegsbereitschaft und Kriegsrüstung sind wohl nicht die Erfindung einiger teuflischer Politiker, sondern die unvermeidbare Konsequenz der unchristlichen, materialistischen und chauvinistischen Gesinnung eben dieser „Völker“ und damit mehr oder weniger jedes einzelnen von uns. Es ist schade, daß die gut gemeinten Worte dieses edlen Menschen wahrscheinlich auch als Spielball für eine bestimmte politische Propaganda dienen werden.

Die Atombombe und ich. (Deutsche Ausgabe von „Atomic Quest“.) Von A. H. C o m p t o n. Nest-Verlag, Frankfurt a. M. 480 Seiten.

Einer der hervorragendsten Kernphysiker, Nobelpreisträger von 1927 und führender Wissenschafter bei der Ausarbeitung des amerikanischen Atombombenprojekts im zweiten Weltkrieg, schreibt hier einen Erlebnisbericht von packender Unmittelbarkeit, der uns nicht nur eine aufschlußreiche Geschichte der Entdeckung und Ausgestaltung der in der Atomenergiegewinnung liegenden Möglichkeiten und wohlfundierte Ueberlegungen über deren Zukunft vermittelt. Das Buch berichtet vielmehr auch von den seelischen Konflikten der am Atombombenprojekt beteiligten Wissenschafter und Techniker, von den schweren und verantwortungsbewußten Entscheidungen vor der ersten Anwendung dieser furchtbaren Waffe und gewährt uns damit einen tiefen Einblick in die etuische und soziale Problematik des „Atomzeitalters“. Hier spricht nicht nur ein ausgezeichneter Fachmann, sondern auch ein Mensch von großem allgemeinem Wissen, von Welterfahrung, von edler Herzensbildung und mit einem wachen Gewissen. Ein langes Kapitel ist der Frage von Krieg und Friede gewidmet, von der, wie der Verfasser wohl mit Recht argumentiert, die Frage der Atomrüstung nicht abzutrennen ist. Die Schrecken eines Atomkrieges werden schonungslos geschildert und die Ursachen der Kriegsgefahr werden nach Möglichkeit bis in ihre Wurzeln verfolgt. Wenn auch der europäische Leser gewissen optimistischen Simplifika-tionen nicht immer zu folgen vermag, so ist doch das offene Bekenntnis des Verfassers zum Christentum die gemeinsame Grundlage, auf der allein eine ethisch fundierte Politik im Atomzeitalter begründet werden kann. Jeder, der sich mit diesen Lebensfragen der Menschheit befaßt, müßte dieses wichtige Buch gelesen haben.

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