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Digital In Arbeit

Wider die Kälte der Herzen

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Grit Ebner kennen viele wegen ihres Engagements in der „Aktion Leben”. Am 16. Dezember wurde ihr das „Silberne Ehrenzeichen” verliehen.

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Grit Ebner kennen viele wegen ihres Engagements in der „Aktion Leben”. Am 16. Dezember wurde ihr das „Silberne Ehrenzeichen” verliehen.

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DIEFURCHE: Welche Verdienste sind durch diese Auszeichnung in besonderer Weise anerkannt worden? grit ebner: Mein Einsatz für die Familien Österreichs, insbesondere für die Frauen und Kinder, der in verschiedenen Formen meiner Arbeit zum Ausdruck gekommen ist. Die beiden Schwerpunkte sind zweifellos die Mütterseminare und die Arbeit zum umfassenden I-cbensschutz.

DIEFURCHE: Vor rund zwei Jahren haben Sie den Forsitz der Aktion Leben Osterreich übernommen Sie waren jedoch auch viele Jahre deren Generalsekretärin Wie kam es zu diesem Einsatz für den Lebensschutz? ebner: Um diese Frage zu beantworten, muß ich ein wenig weiter ausholen. Es war ja nicht so, daß ich eines Tages aufgewacht bin und gesagt habe, ich werde Vorsitzende. Der Beginn meiner politischen Arbeit liegt zirka 30 Jahre zurück. Damals gründete ich mit einigen Freundinnen im Rahmen der Frauenbewegung der ÖVP den Arbeitskreis 30. Wir gaben ihm diesen Namen, weil wir damals alle um die 30 Jahre alt waren, und arbeiten - wenn auch durchaus ehrenamtlich - wollten wir auch. Es stellte sich für uns aber bald heraus, daß der Wirkungskreis innerhalb dieser politischen Partei ein höchst ungewisser war. Deshalb suchte und fand jede von uns dann ihren eigenen Arbeitsbereich anderswo.

Ich gründete und leitete auch acht Jahre hindurch die bereits erwähnten Mütterseminare im Rahmen des Katholischen Familienverbandes Wien. Sie sind mittlerweile eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen für Frauen im Räume der Erzdiözese geworden, es laufen 110 Seminare gleichzeitig pro Semester.

DIEFURCHE: Sie waren aber auch Generalsekretärin des Katholischen Familienverbandes Österreichs. Wann war das?

EBNER: Das war von 1973 bis 1976. In dieser Funktion hatte ich auch engen Kontakt mit der Aktion Leben, weil damals ja gerade das Volksbegehren gegen die Fristenregelung, die am 1. Jänner 1975 in Kraft trat, gelaufen ist. Damals nahm ich mir vor, daß nach diesem politischen Schritt eine Tat der Liebe folgen müsse. Daran arbeite ich eigentlich bis heute. Denn es geht mir um die Umkehr der Herzen, um das volle Ja zu jedem Menschen. Utopisch, zweifellos. Aber wo wäre die Menschheit ohae Utopien? Vielleicht sind wir jetzt als Gesellschaft in einem so bedauernswerten Zustand, weil wir keine U u,pien, keine Visionen, außer Immer-mehr-von-allem-haben-Wollen, verfolgen.

DIEFURCHE: Von 1976 bis 1990 waren Sie Generalsekretärin Seit 1995 sind Sie Vorsitzende der Aktion Leben Welche Schwerpunkte gab es damals und gibt es heute fiir Sie? ebner: Unser langjähriger Vorsitzender, Walter Csoklii h, dessen Verdienste zu betonen mir ein Anliegen ist, und1 ich, wie auch der gesamte Vorstand, waren uns stets einig in der Verfolgung unserer Ziele. Heute ebenso wie 1976: Drei Säulen tragen unsere Arbeit:

■ Bewußtseinsbildung

■ Beratung mit praktischer Hilfe

■ Öffentlichkeitsarbeit.

Jeder dieser Bereiche greift in den anderen über, was dazu führt, |laß wir mit sehr viel Kompetenz in allen tätig sind. Die Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung sehe ich als den aller -wichtigsten Baustein der Vorsorge an. Die Beratung (allein in den letzten zehn Jahren wurden in der Wiener Beratungsstelle zirka 50.000 Beratungsgespräche geführt, im Durchschnitt kommen zirka 800 Frauen zur Erstberatung pro Jahr zu uns) ist jene Arbeit, wo man Erfolg am raschesten sieht, weil wir hier sehr konkret helfen können. Sie ist aber die Feuerwehr, da brennt das Haus schon und es wäre doch klüger, wenn das Haus gar nicht zu brennen begänne. Deshalb also die Wichtigkeit der Bewußtseinsbildung. Um auch hier einige Zahlen zu nennen: In den letzten zehn Jahren haben wir 20 verschiedene Broschüren in einer Gesamtauflage von 2,5 Millionen Stück, und 6,5 Millionen Informationsblätter verbreitet. Dazu kommen noch all die vielen Unterlagen, die wir für Schulen, Erwachsenenbildung, Pfarren, et cetera ausarbeiten und anbieten.

DIEFURCHE: JVelches sind eigentlich die Gründefiir Abtreibungen in unsrer Zeit?

EBNER: Vor allem die Lebensangst der Frauen. Die schwangere Frau sieht sich in der Form des Lebens, das sie sich für sich vorstellt, durch eine unerwartete Schwangerschaft bedroht. Die vielen sogenannten „Wohlstandsabtreibungen” haben vor allem psychisch bedingte Motive. Aber selbstverständlich gehört ein gerütteltes Maß an herber wirtschaftlicher und sozialer Not dazu. Das Sparpaket macht diese Bedrängnis noch größer.

DIEFURCHE: Kommen Frauen auch nach Abtreibungen in die Beratung? Mit der Abtreibung ist ja nicht alles vorbei Manchmal fängt damit erst ein neuer Leidensweg an ebner: Es wird die Einladung stets ausgesprochen, aber nur wenige machen davon Gebrauch. Es handelt sich dabei um einen sehr ausgeprägten Tabu-Bereich.

DIEFURCHE: Welche Gefahren sehen Sie heute durch den fehlenden umfassenden Lebensschutz3 ebner: Wir sehen uns vermehrt mit der Problematik der Bio-Ethik konfrontiert, die ja sehr stark im vorgeburtlichen Bereich Platz greift. Hier ergeben sich neue Fragen im Zusammenhang mit vorgeburtlichen Untersuchungen, Bei der In-vitro-Fertilisa-tion kann der Embryo beziehungsweise seine Doublette noch vor der Einpflanzung getestet werden. Und letztendlich kommt die Möglichkeit der Keimbahnmanipulation auf die Menschheit zu. Manches davon ist noch verboten. Aber die Öffentlichkeit muß sich damit beschäftigen, wenn sie will, daß es verboten bleibt. Dagegen stehen starke wirtschaftliche Interessen. Gentechnisch hergestellte Produkte und menschliche Embryonen und Föten könnten rasch zu begehrten Zukunftsprodukten werden, zum Teil sind sie es ja bereits. Eine ganze Industrie beginnt sich mit der Verwertung menschlicher Embryonen und Föten zu beschäftigen. Details darüber sprengen den Bah-men dieses Interviews.

DIEFURCHE: Welche Folgen ergeben sich aus dieser Entwicklung? erker: Der Mensch wird zum Zweck. Er wird benützt, er wird verwendet, „um zu ...” Der Mensch sollte aber niemals „verzwreckt” werden. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist Unmenschlichkeit. Bio-Ethiker, wie Peter Singer als der bekannteste Vertie-ter, verkünden: Wer Person ist - und nur Personen haben ein Ijebensrecht, die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch genügt nicht - bestimmt die Gesellschaft. Behinderte, Komatöse, Sterbende könnten somit zu „Nicht-Personen” erklärt werden, selbstverständlich auch ungeborene Kinder. Dieses Szenario ist erschreckend und diesem muß Widerstand entgegengesetzt werden.

DIEFURCHE: Welche Voraussetzungen garantieren einen umfassenden Schutz des menschlichen Lebens? ebner: Die Verankerung im Bewußtsein und vor allem in den Herzen der Menschen, daß Menschsein mit der Empfängnis beginnt, und mit dem natürlichen Tod endet. Würden wir es zuwege bringen, auch danach verantwortungsvoll im eigenen Kompetenzbereich zu handeln, hätten wir es erreicht. Eine Devise scheint mir für die nächsten Jahre wichtig: Wider die Re-signation, wider den Gleichmut, wider die Kälte der Herzen.

Auch das bevorstehende Weihnachtsfest könnte zum Anlaß genommen werden, die Wärme dieses Festes ins Heute zu übertragen, auf eine ganz andere Ebene anzuheben, und dabei doch ganz im Sinne desjenigen zu handeln, dessen Geburt wir freudig feiern.

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