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Leben aus dem Tod

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Ganz Österreich weiß aus den Massenmedien, daß ein bekannter Unfallchirurg von einem Wiener Gericht wegen Störung der Totenruhe verurteilt wurde. Er hatte einem jungen Menschen nach dessen Tod einige Knochenspäne entnommen und mit den tiefgefrorenen Teilen anderen Menschen geholfen; er hat bereits geholfen und wird weiterhelfen.

Es ist etwas Gutes, einem Menschen zu helfen; und es ist etwas Gutes, auch dem toten Menschen noch Ehrfurcht zu erweisen. Die erste Handlung hat keine Wirkung mehr für den Betroffenen, aber ihr kommt eine nicht zu unterschätzende Aus-

druckskraft zu.

In einer Symbolhandlung kommt Sinn zum Ausdruck; eine Ausdruckshandlung vermittelt zwischen Gesinnung und Brauch. Was, wenn beide Handlungsweisen nur alternativ zu verwirklichen wären? Welcher ist dann der Vorzug zu geben?

Das bloße Gefühl kann rebellieren wegen Störung der Totenruhe; ich verstehe das

Aufbrausen der Emotionen bei der Vorstellung, daß einem heben Menschen nach dessen Tod noch Körperteile entnommen werden.

Die sittliche Vernunft aber sagt uns, daß das Gut, einem Menschen zu seiner Gesundheit zu verhelfen, höher steht als ein verletztes Gefühl.

Der christliche Glaube lehrt, daß die Toten nicht ruhen, sondern auferstehen.

Die Auferstehung des Leibes, an die die Christen glauben, hat nichts mit den Knochen und Zellen des Organismus zu tun, die ja alle paar Jahre wechseln.

Unter Auferstehung des Leibes verstehe ich, daß nichts von dem, was sich leibhaftig und konkret in diesem Leben ereignet, was ein Stück von uns geworden ist, verlorengeht: nicht die Freuden und nicht die Hoff-

nungen, nicht das geringste Augenzwinkern der Liebe geht verloren; wir finden all dies geläutert wieder, wenn wir uns im Tod gelassen haben, in der Vollendung unserer Beziehung zu Gott, die nicht Totenruhe, sondern Leben in Fülle ist.

In diesem Sinn kann die Entnahme von Knochensplittern und Organteilen als ein ganz konkreter Ausdruck dafür verstanden werden,

daß der tragische Tod eines jungen Menschen nicht vergeblich war. Es ist ein leibhaftiges Zeichen dafür geschehen, daß aus dem Tod Leben entsteht, daß wir Menschen einander Gesundheit und Leben weiterschenken dürfen, selbst noch im Sterben und im Tod.

Es wäre wünschenswert, wenn nicht nur zwischen den beteiligten Hinterbliebenen und den Ärzten, sondern auch in der öffentlichen Meinung über den Sinn einer solchen Vorgangsweise mehr Verständigung herrschen könnte.

Ein Gericht hat den Arzt verurteilt, obwohl er eine sittlich richtige Entscheidung getroffen hatte. Durch seine Entscheidung hat dieser Arzt Menschen geholfen; durch sein Einstehen vor Gericht hat er einen Beitrag zur Gewissensbildung in Österreich geleistet.

Es ist schon ein recht eigenartiges Verhältnis zwischen Sittlichkeit und Recht in Österreich.

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Für eine Allparteienregierung

Daß die Zukunft unserer Erde gefährdet ist, wissen oder ahnen wir schon seit längerer Zeit. Es kommt auch weltweit zu Bewußtsein, daß in Wirtschaft und Gesellschaft neue Wertstrukturen und Zielvorstellungen gefunden werden müssen.

Wenn das „Nein“ zu Zwentendorf mehr sein soll als das Ergebnis von Extremismus und Fanatismus, mehr auch als eine Trotzreaktion gegen den Bundeskanzler, dann muß es als ein Signal dafür genommen werden, daß die Zeit reif geworden ist, umzudenken und neuartige sozial-ökonomische Werte zu setzen.

Der Fall Zwentendorf stellt der Parteiendemokratie, wie wir sie heute handhaben, ein schlechtes Zeugnis aus. Die Parteien haben eine für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenz hochwichtige Frage zu einem parteipolitischen Machtkampf heruntergespielt und die Entscheidung dem am wenigsten informierten und kompetenten Wähler übertragen. Dadurch hat die Demokratie einen Imageverlust erlitten, was ernste Gefahren für unsere freiheitliche Lebensordnung mit sich bringt.

So müssen auch die Parteien umdenken, neue Philosophien und neue Strategien erarbeiten und dabei berücksichtigen, daß sie eben „Partes“, Teile eines größeren Ganzen und diesem gegenüber primär verantwortlich sind.

In dieser Situation plädiere ich für eine Allparteienregierung. Die im Parlament vertretenen politischen Parteien sollten übereinkommen, für die nächste Legislaturperiode eine gemeinsame Regierung zu bilden und sollten eine Regierungserklärung verfassen, deren Ziel es wäre,

die Konsolidierung und Stabilisierung unseres Gemeinwesens sicherzustellen. Während dieser vier Jahre, in welcher Zeit jede Obstruktionspolitik, aber auch jeder vordergründige Wählerfang ausgeschlossen wäre, könnten auch in den Parteien das Umdenken forciert, ein neues Selbstverständnis gewonnen und neue Ziele sowie Strategien formuliert werden.

Eine Allparteienregierung böte auch den Vorteil, daß die innenpolitische Spannung, die aus kleinen Koalitionen jedenfalls folgen würde, vermieden und die Freiheitliche Partei in Regierungsverantwortung genommen würde.

Ich bin sicher, daß die österreichische Bevölkerung eine Konzentrationsregierung dieser Art begrüßen würde, sie müßte nur über den Sinn eines solchen politischen Konzepts ausreichend informiert werden.

Dr. H. Christof Günzl, 1010 Wien

Gegen den Theologen Haag

Sie haben einem Leserbrief eine persönliche Stellungnahme angefügt. Diese erweckt den Anschein, als ob Sie auf eine persönliche Beleidigung durch Herrn Dr. Unterlechner empfindlich reagieren würden. Es hätte mir viel besser gefallen, wenn Sie den Brief ohne Kommentar wiedergegeben hätten. Was heißt „bekannter Theologe und Priester“? Gewiß ist Haag Priester, aber als katholischer Theologe kann Haag nicht mehr betrachtet werden, da er-nach seinen eigenen Worten- die „offizielle Lehre“ der Kirche ablehnt, wonach „die Existenz des Teufels unverzichtbarer Gegenstand des christlichen Glaubens“ (ist).

Was Sie über die „Aufgabe einer katholischen Zeitung“ schreiben, möchte ich so formulieren: In einer katholischen Zeitung sollen umstrittene Thesen nicht isoliert gebracht werden.

P. Dr. Siegfried Staudinger Franziskanerkloster 6130 Schwaz

Wir fügen Leserbriefen nicht aus „Kränkung“ Zusätze an, sondern weil wir glauben, daß man den Leser mit einem Einwand oder einer Frage nicht allein lassen sollte.

Immer wieder Teufel

In einem Vorarlberger Bergdorf ist in einer Fraktion eine kleine Kirche, die dem Erzengel Michael geweiht ist. Am Patroziniumtag wurde das „Michelefest“ gefeiert, an dem der Pfarrer einmal die Gläubigen ein-

dringlich warnte, die in den Barockkirchen auf allen Altaraufbauten herabschauenden „Büble“ als Engel einzustufen. Die Engel seien ganz mächtige Himmelsfürsten, ausgestattet mit Intelligenz und hohem Wissen, jenes der Menschen weit übersteigend ...

Den himmlischen Rebellen verblieb dann, wie sonderbar, die Möglichkeit, sich über die Menschen herzumachen, sie zu verführen, worauf den Verführten die Hölle droht! 1971 hat ein Monsignore in einer angese-

henen Vierteljahresschrift geschrieben: „Die ersten Menschen sind durch ihren Sündenfall Gott in den Arm gefallen und haben ihn an der Vollendung der Schöpfung gehindert.“

Also höher geht's nicht mehr. Der Teufel verführt zwei Menschen und schlägt dann noch zusätzlich dem Herrgott ein Schnippchen! Die Konfusion ist komplett.

Josef Thaler 6922 Wolfurt

Versäumnisse auf dem Land

Zum Artikel „Warum die Stadt den ländlichen Raum frißt“ (Nr. 47) muß doch angemerkt werden, daß eine Reihe von Versäumnissen im ländlichen Raum, vor allem seiner Bewohner selbst, ein nicht unbeachtliches Maß an Mitschuld an dieser Erscheinung hat Hierher gehört vor allem eine fühlbare Büdungsunwilligkeit der bäuerlichen Bevölkerung gerade auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet.

Die bäuerliche Jugend ist heute im allgemeinen genauso bildungsbeflis-sen wie die städtische, aber auf allen anderen Gebieten, nur nicht auf land-und forstwirtschaftlichen. Heute muß der Bauer sich sowohl im technischen und im naturwissenschaftlichen wie auch im kaufmännischen Bereich wesentlich mehr bilden als früher, als die „Lehre“ des zukünftigen Hoferben bei seinem Vater sicher ausreichend war.

Im Mühlviertel z. B. ist heute m. E. eine ertragbringende Feldwirtschaft nicht mehr möglich, sehr wohl aber Forstwirtschaft und Viehzucht. Da mit der Ausbildung an höheren berufsbildenden Lehranstalten auch kaufmännisches Wissen vermittelt wird, kämen die Absolventen auch in die Lage, nutzbringende Investitionen in maschineller Ausstattung wie auch an Grund und Betriebsbauten zu machen. Viele Altbauern würden mangels Nachwuchses aus der eigenen Familie ihren Grund an den Nachbar verkaufen, wenn sie einen entsprechenden Erlös bekämen. Der Nachbar schreckt aber davor zurück, obwohl durch die Erweiterung seines Bodens erst eine Bearbeitung mit modernen Maschinen möglich wäre, weil er mangels kaufmännischer Bildung das Risiko bzw. den Ertrag derartiger Investitionen nicht annähernd abschätzen kann.

Würde sich solcherart der Bildungspegel der ländlichen Bevölkerung heben, fielen auch viele Anreize weg, den ländlichen Raum zu verlassen, soweit diese im kulturellen Bereich liegen. In den größeren Orten, Märkten und Kleinstädten entstün-

den leistungsfähige Einrichtungen (gute Kinos, bessere, wenn auch kleine Bühnen usw.). Soweit dies nicht möglich wäre, sind die heutige Mobilität und die gerade in Österreich eher kurzen Entfernungen in die kulturellen Zentren absolut für Fahrten in die nächste Stadt ins Theater, zu Konzerten u. dgl. geeignet. (Der Ungebildete gebraucht ja auch in der Stadt diese Möglichkeiten nicht, sondern „versumpert“ vor dem Bildschirm!)

Apropos: Wäre es nicht auch eine Aufgabe unserer Pfarrer in den Landpfarren, diesbezügliche Denkanstöße zu geben?

Oberst d. G. Dr. Fritz Fischer 1070 Wien

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