Auseinandergerückte Kontinente

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Der deutsche Lateinamerikaexperte Wolf Grabendorff war lange Jahre Direktor des Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas (IRELA) in Madrid. Für die FURCHE analysiert er das Verhältnis EU-Lateinamerika.

Die Furche: Seit über zehn Jahren gibt es diese Treffen. Was verbindet Lateinamerika und Europa?

Wolf Grabendorff: Sicherlich eine generell westliche Haltung zu Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechten. Was sie trennt, ist in der Restrukturierung des internationalen Systems, das wir jetzt erleben. Da sehen sich die Lateinamerikaner auf einer anderen Seite als die Europäer. Für Lateinamerika werden China und Indien nicht nur ökonomisch, sondern auch in Hinblick auf seine Entwicklungsvorstellungen viel bedeutender sein als Europa. Die Prognosen sagen, dass schon in den nächsten Jahren der Handel mit Asien den mit Europa überflügeln wird.

Die Furche: Sind die Regionen in diesen zehn Jahren näher zusammengerückt?

Grabendorff: Nein, sie sind weiter auseinandergerückt. Zum Teil, weil die Europäer angenommen haben, dass Lateinamerika langfristig eine ähnliche Entwicklung nehmen würde wie Europa – mehr Integration, mehr Zusammenarbeit – und dadurch auch ein interessanter regionaler Partner sein würde. Inzwischen mussten sie sich korrigieren, weil nicht mehr die ganze Region mit Brüssel verhandelt, sondern die Einzelstaaten. Die funktionierenden Abkommen sind die mit Chile, Mexiko und Brasilien, aber nicht mit dem Mercosur und den Andenstaaten.

Die Furche: Als eines der wenigen konkreten Ergebnisse wird eine EU-lateinamerikanische Stiftung gegründet. Es heißt, Benita Ferrero-Waldner soll sie leiten.

Grabendorff: Wie die Personalentscheidungen getroffen werden, ist noch nicht sicher, auch nicht, wo die Stiftung hingehen wird. Es ist die Rede von Lissabon, Rom, Hamburg. Das Problem ist, dass die Stiftung, so wie sie angelegt ist, ein sehr schwerfälliges Instrument sein wird, weil alle 60 Staaten involviert sein werden plus internationale Unternehmen plus sonstige Stiftungen und die jeweiligen Regionalorganismen. Es ist eine Brüsseler Kopfgeburt, von der man erst sehen wird, ob sie sich wird umsetzen lassen. Andererseits ist die Idee, dass zwischen den Gipfeln etwas passieren muss und mehr Präsenz gezeigt werden muss, für europäisch-lateinamerikanische Themen ganz offensichtlich.

Die Furche: Kritiker sagen, es geht vor allem um wirtschaftliche Interessen der europäischen Konzerne.

Grabendorff: Da muss man sehen, was die Erwartungen sind. Die Abkommen sind hauptsächlich Wirtschaftsabkommen. Es gibt auf beiden Seiten Interessen, vor allem bei den Eliten. Andererseits haben sie auch einen Entwicklungs- und Kooperationsaspekt. Die EU kann durch die Assoziationsabkommen die Entwicklungshilfe besser verteilen. Da haben dann auch andere Bevölkerungsgruppen etwas davon.

* Das Gespräch führte Ralf Leonhard

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