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Prognose: positiv

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Die wirtschaftliche Prognose, die man für 1961 stellen kann, ist positiv. Die Weltwirtschaftskonjunktur wird weiter andauern.

Gehen wir zuerst von unserem eigenen Lande aus. Es ist ohne Zweifel so, daß wir auch im Jahre 1961 mit der Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung rechnen dürfen, ja noch mehr, daß sich der allenthalben fühlbare Mangel an Arbeitskräften noch weiter verstärken wird. Wäre es auch in Österreich so wie in allen anderen Staaten möglich, ausländische Arbeitskräfte wenigstens in den Saisonspitzen zu beschäftigen, so könnte aus dieser durch ausländische Arbeitskräfte geleisteten Mehrarbeit auch noch ein partielles Ansteigen der Konjunktur erwartet werden. Daß diese Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte infolge des Einspruches der Sozialistischen Partei nicht möglich ist, ist eines der vielen österreichischen Specifica, die dem ökonomisch Denkenden unverständlich bleiben.

Das kommende Jahr läßt auch wieder eine öffentliche Investitionstätigkeit erwarten, die aber nicht den Umfang der letzten Jahre erreichen wird, weil die hierfür vorgesehenen Budgetposten empfindlich gekürzt werden mußten. So werden für den Autobahnbau wahri scheinlich kaum mehr als die Hälfte der Vor-jahrsbezüge zur Verfügung stehen und für den Bundesstraßenbau nur gleichhohe Beträge, wobei aber durch die Steigerung der Baukosten das Volumen vermindert wird. Ähnlichen Kürzungen unterliegen die Investitionen im Kraftwerks- und im Bundesbahnsektor. Trotz der dadurch notwendig werdenden Verlangsamung bzw. Einstellung einzelner Baumaßnahmen wird das verbleibende Investitionsvolumen nach wie vor befruchtend wirken. Eine Befruchtung der Konsumgüterproduktion ist anderseits aus der Verbesserung der Bezüge der öffentlich Bediensteten und vor allem der Rentner zu erwarten. Diese Befruchtung wird allerdings nur eintreten, wenn auf dem Lohnsektor jene relative Ruhe bewahrt wird, die zur Aufrechterhaltung des Preisniveaus notwendig ist.

Die bedeutendste Konjunkturstütze wird aber so wie im abgelaufenen Jahr in der Außenhandelswirtschaft zu suchen sein. Die Kraft der österreichischen Produktion, die weit über die Konsumkraft des österreichischen Volkes hinausgeht, macht Österreich zu einem außerordentlich stark exportorientierten Land. Daraus ergibt sich die Bedeutung, die heute der Handelspolitik zuzumessen ist. Im Welthandel gelten nur drei Komponenten: die Qualität der Ware, ihr Preis und die Handelspolitik, hier ausgedrückt durch Zoll und Kontingentierung. Die Entwicklung dieses Problems ist gegenwärtig außerordentlich vielfältig und seine Beobachtung daher meistens ebenso schwierig.

Von 1948 bis 1960 war die internationale Handelspolitik auf europäischer Ebene durch die Entwicklung der Liberalisierung auf dem Warenmarkt zu einem Stand von rund 90 und mehr Prozent gekennzeichnet. Daneben begann bekanntlich mit dem Vertrag von Rom über den Gemeinsamen Markt 1957 die europäische Integrarionsentwicklung, die gegenwärtig ohirch die beiden wirtschaftlichen Gemeinschaften der EFTA und der EWG gekennzeichnet ist. Ich halte die Tatsache, daß es bis zur Stunde noch nicht gelungen ist, eine gesamteuropäische Lösung zu finden, zwar für sehr bedauerlich, glaube aber doch, daß beide Integrationsgemeinschaften nur Stufen zu einer gemeinsamen Lösung sind. Das Wort, daß es leichter möglich sein müßte, zwei bestehende Gemeinschaften einer Gesamtlösung zuzuführen, als 13 oder 18 autonome Volkswirtschaften unter einen Hut zu bringen, gilt noch immer. Bs wird immer klarer, welches die Gründe sind, warum bis heute noch keine Lösung gefunden werden konnte. Es sind das:

• die Prävalenz des politischen Denkens der französischen und deutschen Regierung über das Wirtschaftliche,

• die noch immer bestehende Gegnerschaft Frärikreicn-r8Ärwita1fhien 'und '

• die sowohl in Frankreich wie in Groß-“britärinien ' vorherrschende Meinung, daß für eine gesamteuropäische Integration alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme auf einmal gelöst werden müßten. Zu diesen europäischen Hemmnissen kommt die Einstellung der bisherigen Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die annimmt, daß ein wirtschaftlich geeintes Europa ein schlechterer Handelspartner für die USA als ein geteiltes wäre.

Was ist nun zu diesen Hinderungselementen einer europäischen Gesamtintegration zu sagen?

Zum ersten: Es ist nicht nur vom Standpunkt eines neutralen Staates, sondern überhaupt aus der Situation des freien Europa heraus gesehen ganz unmöglich, einen politischen Zusammenschluß der freien europäischen Staaten zu erwarten. Dagegen spricht das historisch begründete Denken der europäischen Völker, das in einem ausgeprägten nationalen Individualismus seinen Ausdruck findet. In Europa kann es, politisch gesehen, keine Führungsmacht geben. Weder der Elysee-Palast, noch Downing Street 10, nicht der Peters-Bühel in Bonn oder das Kapitol in Rom, auch nicht der Ballhausplatz oder ein anderer Regierungssitz können Mittelpunkt Europas sein, denn nur sie alle zusammen sind Europa, wenn ihre politische Selbständigkeit erhalten bleibt. Es wird sich also bis an die Seine und an den Rhein durchsprechen müssen, daß es eine politische Integration Europas nicht geben kann. So bleibt nur die wirtschaftliche als realisierbares Projekt.

Zum zweiten: Man kann von den europäischen Völkern auf die Dauer nicht verlangen, daß sie dem französisch-britischen Gegensatz ihre Interessen opfern. Das Hemmnis, das die wirtschaftliche Integration durch diesen Gegensatz bisher erfahren hat, muß beseitigt werden! Die Anstrengungen, die Großbritannien im Laufe des vergangenen Jahres in dieser Richtung gemacht hat, sind anerkennenswert. Die vielen Konferenzen, zu denen der britische Regierungschef nach Paris, Bonn und Rom geflogen ist, sind ein Beweis für dieses Bemühen, denn bei allen diesen Besprechungen war die Suche der britischen Regierung nach einer Lösungsmöglichkeit für die wirtschaftliche Gesamtintegration Hauptgegenstand der Verhandlungen!

Zum dritten: Es zeigte sich bei den Verhandlungen über die Große Freihandelszone, daß diese scheitern mußten, weil sich alle Beteiligten — auch Österreich — zunächst zuviel vorgenommen hatten. Man war ursprünglich der

Meinung, einen Freihandelszonenvertrag schaffen zu können, der fast alle Punkte des Vertrages von Rom über die Sechsergemeinschaft nur mit dem Unterschied enthalten sollte, daß die einzelnen Regelungen etwas lockerer gestaltet werden sollten. Diese Absicht wurde von den Vertretern der französischen Regierung aber ganz zu Recht mit der Bemerkung quittiert, daß die europäischen Staaten außerhalb des Gemeinsamen Marktes nur die Vorteile desselben erreichen wollten, ohne auch die nachteiligen Verpflichtungen auf sich zu nehmen. „Man kann und darf“, wie ein französischer Regierungsvertreter gegen Schluß dieser Verhandlung einmal sagte, „sich nicht nur die Rosinen aus dem Kuchen herausholen wollen.“ Was ist also die Erkenntnis aus diesem Umstand? Doch nichts anderes, als daß man die gesamteuropäische Integration, die nur eine wirtschaftliche sein kann, auf jenes Mindestmaß zunächst beschränkt, das sich als durchführbar erweist. Das

Man kauft mit den Augen!

Nachdem es der Firma NEUZEUGHAMMER AMBOSSWERK gelungen ist, in drei hinterein-anderfolgenden Jahren österreichische Staatspreise für vorbildliche Verpackung zu erhalten, konnte heuer sogar ein „Eurostar“ erworben werden. Es handelt sich hierbei um eine Trophäe, die jenen Firmen zuerkannt wird, welche die beste Verpackung ihrer Klasse in Europa verwenden. In Erkenntnis der Tatsache, daß nicht nur die Qualität der Erzeugnisse selbst, sondern auch deren Aussehen von ausschlaggebender Bedeutung ist, hat die Firma auch auf dem Gebiet der Verpackung das nachgeholt, was in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zwangsläufig versäumt werden mußte. Da den Bemühungen auch am Verpackungssektor Erfolg beschieden ist, beweist bereits der Umstand, daß gerade in Westeuropa die Produkte aus Neuzeug immer besseren Anklang finden und immer stärker gefragt werden. wäre nach meiner festen Überzeugung zunächst eine Vereinbarung über die Zollpolitik und die Handhabung der Kontingente, die so gestaltet sein müßten, daß die Verzerrrung oder Unterbindung der traditionellen Handelsströme in Europa damit verhindert wird.

Zum letzten: Ohne daß man die Politik der neuen amerikanischen Administration schon kennt, glaube ich doch an die Richtigkeit der Annahme, daß die eben in Paris paraphierte neue Konvention über die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) ein Instrument sein wird, das geeignet ist, Amerika davon zu überzeugen, daß ein wirtschaftlich geeintes Europa auch für die amerikanische Wirtschaft von größtem Vorteil ist. Jetzt, wo eine wenn auch nur sehr lose atlantische Wirtschaftsgemeinschaft geschaffen wurde, wird es sich sicherlich bald herausstellen, daß die Beseitigung der Handelsschranken innerhalb dieses Großraumes nur zum Vorteil aller sein kann.

Daß von diesen Problemen bzw. ihrer Entwicklung die konjunkturelle Entwicklung im kommenden Jahr wesentlich beeinflußt sein wird, braucht nicht näher betont zu werden.

Was wir österreichischerseits dabei zu tun haben, kann ebenfalls in einem Satz gesagt werden. Wir müssen mehr und besser und billiger produzieren! Um das tun zu können, müssen Preissteigerungen, die nicht mit Kostenerhöhungen begründet werden können, unter allen Umständen unterbleiben; dürfen Lohnforderungen nur insoweit bewilligt werden, als sie keine Preiserhöhungen nach sich ziehen und wegen der internationalen Konkurrenz notwendige Preisermäßigungen nicht verhindern; kann von einer weiteren Verminderung der Arbeitszeit überhaupt nicht gesprochen werden; sind alle für die Exportchancen notwendigen Begünstigungen aufrechtzuerhalten, ja im einzelnen sogar noch auszuweiten (was nicht bedeutet, daß überflüssig gewordene Begünstigungen natürlich aufgehoben werden können); ist die Produktionskraft der österreichischen Wirtschaft durch die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte zu verstärken; und schließlich muß der Schilling durch eine sorgfältige Finanzpolitik seine Kaufkraft erhalten! Wer diese elementaren Erfordernisse nicht respektiert, beziehungsweise „nur für sich“, das heißt zum Beispiel für bestimmte Gruppen, Ausnahmen verlangt, schädigt dieses Konzept auf das schwerste. Anders gesagt: Wir haben alle Möglichkeiten in der Hand, um auch das Jahr 1961 zu einem Jahr des Wohlstandes zu machen. Gehen wir vorsichtig mit ihnen um, damit es uns auch im nächsten Jahr gut gehe! Und warum sollten wir nicht vorsichtig sein, wo wir uns doch alle wünschen, daß es uns gut geht?

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