"Exzellente Qualität für möglichst viele“

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Vor 100 Jahren wurde die Wiener Konzerthausgesellschaft gegründet, seit dieser Saison hat sie einen neuen Intendanten: Matthias Naske, Gründungsintendant der Philharmonie Luxemburg, davor Geschäftsführer der Camerata Salzburg und der Musikalischen Jugend Österreichs. Wohin er das Konzerthaus führen will, erläutert er im folgenden Gespräch.

DIE FURCHE: Herr Intendant, waren Sie überrascht, als man Ihnen die Leitung des Wiener Konzerthauses angeboten hat?

Matthias Naske: Ich habe mich aus alter Verbundenheit mit dem Haus gefreut, als mich das Präsidium der Wiener Konzerthausgesellschaft zu einem Gespräch eingeladen hat, ohne vorerst genau zu sagen, worum es geht. Sie haben mich in einen Betrieb Einsicht nehmen lassen, den ich seit Jahrzehnten kenne und liebe, und um eine Analyse gebeten. Aus diesen Gesprächen entstand die wechselseitige Entscheidung, dass ich für dieses Haus arbeiten soll. Abgespielt hat sich das im Sommer 2012, als sich Bernhard Kerres entschlossen hat, nach der 100. Konzerthaussaison aufzuhören. Einfach war die Situation nicht, denn ich war noch in Luxemburg gebunden, wo ich einen Vertrag bis Ende 2015 hatte, auch mit diesem Projekt verbindet mich viel.

DIE FURCHE: Ist Wiener Konzerthaus-Chef eine erstrebenswerte Aufgabe - das Konzerthaus hat mit großen Verbindlichkeiten zu kämpfen, gilt am Wiener Platz als zweites Haus?

Naske: Mit dem Renommee des Wiener Konzerthauses kann ich sehr gut leben. Denn in meiner neuen Position bin ich aufgerufen, das Bild dieses Hauses mitzugestalten. Was den Musikverein anlangt, bin ich mit dem Intendanten, Dr. Thomas Angyan, seit Jahrzehnten befreundet. Ich habe hohe Achtung vor seiner Professionalität, vor dem Haus und der Veranstaltertradition. Das bedeutet nicht, dass das Wiener Konzerthaus nicht der richtige Ort für mich ist. Ich liebe dieses Haus, und es hat jemanden gebraucht, der sich als Ganzes, mit seinem Schicksal einbringt. Die Außenstände betragen in der Tat 6,8 Millionen Euro, das ist nur ein Teil des Problems. Das Hauptproblem ist nicht die Finanzierung des Schuldendienstes, sondern die krasse Unterfinanzierung durch die öffentliche Hand. Das Konzerthaus hat inzwischen ein Subventionsvolumen von nur noch zwölf Prozent seines Jahresetats, dabei setzen wir bis zu 18 Millionen um. Um ausgeglichen zu bilanzieren, müssen wir betriebswirtschaftlichen Gewinn machen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen wie Vermietung, Sponsorship, aber auch im künstlerischen Betrieb. Mein Verständnis von einer Non-Profit-Organisation ist, dass sie ihre Basiskosten durch eine Mischfinanzierung decken und den Gewinn über Exzellenz und Lebensfreude im künstlerischen Bereich verteilen kann. Der Gewinn einer der Gemeinschaft als Ganzes dienenden kulturellen Einrichtung liegt im Zugänglichmachen exzellenter künstlerischer Qualität für möglichst viele Menschen.

DIE FURCHE: Worin sehen Sie den spezifischen Auftrag der Wiener Konzerthausgesellschaft?

Naske: Ein Haus zu sein, das der kulturellen Vielfalt dieser Stadt gerecht zu werden versucht. Wir haben unglaublich viele Möglichkeiten in diesem Haus, hochmotivierte Menschen mit entwickelter Expertise arbeiten in einer langen Tradition und zeichnen sich, wie das Gebäude selbst, durch hohe Flexibilität aus.

DIE FURCHE: Genügt das, um die offenen Verbindlichkeiten bedienen zu können, die im Verhältnis zur Bedeutung der Konzerthausgesellschaft im Wiener Kulturleben eigentlich lächerlich sind?

Naske: Daran gemessen sollten diese 6,8 Millionen keine große Rolle spielen. Ich kann sie nicht verdienen, werde sie auch in den nächsten Jahren nicht verdienen können, ohne alles aufzugeben, wofür die Wiener Konzerthausgesellschaft steht. Ich habe einen Plan entwickelt, der beim Bund und der Stadt Wien liegt und der eine klare Drittellösung vorschlägt: Bund, Wien, Wiener Konzerthausgesellschaft - auf Dauer meiner fünfjährigen Intendanz. Konkrete Sorgen macht mir der Mangel des Bewegungsspielraums im künstlerischen Bereich. Unter den gegenwärtigen Bedingungen können wir bei weitem nicht das anbieten, was Sinn, kulturellen Mehrwert und Freude in diese Stadt bringt.

DIE FURCHE: Welche Planungssituation haben Sie im Konzerthaus vorgefunden?

Naske: Bernhard Kerres hat noch diese Saison geplant, bis auf die Begleitveranstaltungen zum 100. Jahrestag der Konzerthausgesellschaft am 19./20. Oktober. Diese Saison ist eine geerbte, ich freue mich darüber, es ist eine gute Saison, sie ist handwerklich sauber, da und dort kann man noch etwas ergänzen. 2014/15 ist ein neues Kapitel. Ich habe diese Saison parallel zwischen Sommer 2012 und jetzt mit dem Team des Konzerthauses entwickelt, es werden darin auch einige Impulse sein, die eine deutliche Handschrift erkennen lassen.

DIE FURCHE: Worin wird sich dieser Unterschied zwischen Ihrem Vorgänger und Ihnen zeigen?

Naske: Handwerklich ist das Konzerthaus seit vielen Jahrzehnten gut geführt, das schließt Bernhard Kerres selbstverständlich mit ein. Jeder, der die Möglichkeit hat, dieses Haus zu leiten, darf aus seinem Verständnis auch Elemente dazu beitragen. Ich sehe die erste Aufgabe eines Konzerthauses darin, eine möglichst enge Beziehung zwischen dem künstlerischen Schaffen auf der Bühne und dem individuellen Hörer zu fördern. Das lässt sich neben einer exzellenten Programmierung auf traditionellem Weg - wie beispielsweise exzellente Programmhefte -, sowie durch viele Arten von Musikvermittlung, die ein viel breiteres, sympathischeres, also undidaktischeres Spielfeld ist, als man gemeinhin annimmt, verwirklichen. Vermittlung von Musik, verstanden als Förderung der Lust an der Wahrnehmung von musikalischem Geschehen, kann viele Formen annehmen. Darin liegt ein Kernbereich unserer Aufgabe: den Zuhörern einen optimalen Zugang zum künstlerischen Schaffen zu ermöglichen. Daneben gibt es Allianzen, die auf der Hand liegen - etwa eine mit den Wiener Symphonikern, für mich ein hochinteressanter kultureller Player in dieser Stadt. Ich suche eine enge Beziehung zu diesem Orchester und werde ihm im Rahmen der Möglichkeiten helfen, sich gut zu positionieren. Mit dem Symphoniker-Intendanten Johannes Neubert arbeite ich an Formaten, die es dem Orchester erlauben, sich neu zu präsentieren, auch mit Selbstbewusstsein und Courage. Außerdem plane ich kleine Festivalformate, die das Publikum überraschen werden. Ich habe eines in den Jahren gelernt: Man kann als Veranstalter sehr vieles machen, darf aber das Publikum nicht in eine Situation bringen, die es im konkreten Augenblick überfordert. Wenn man den richtigen Rahmen schafft, lässt sich an einem Abend mühelos der Bogen von der Gegenwart in die Renaissance spannen.

DIE FURCHE: Im Vergleich zu anderen Musikzentren scheint das musikalische Interesse in Wien ziemlich ungebrochen, selbst wenn ein stärkeres Interesse für sogenannte Events unübersehbar ist.

Naske: Ich kann immer nur zurückführen zu den eigentlichen Aufgaben, die ein Konzerthaus erfüllen muss: mit wirklich guter Planung und fachlichem Respekt gegenüber allen musikalischen Genres die Integrität von Veranstaltungen zu wahren. Man kann im kommerziellen Bereich sehr leicht Versatzstücke aneinanderheften, wie zum Beispiel miserable Orchester mit ganz großen Sängernamen verbinden. Es gibt eben Institutionen, die aufgerufen sind, anders als kommerziell zu denken. Wenn ich einen angemessenen Bewegungsspielraum von der Stadt Wien und vom Bund bekomme, können wir eine Relevanz entwickeln, die weit reicht. Dann kann das Konzerthaus einen wesentlichen Beitrag leisten, dass Wien auch weiterhin eine lebendige Musikstadt bleibt.

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