6539212-1946_31_12.jpg
Digital In Arbeit

Adam Müller und Metternich

Werbung
Werbung
Werbung

In meinem umfangreidien Werk „Adam Müller. Ein Lebensbild aus den Befreiungskriegen und aus der deutsdien Restauration“, Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1930, habe ich auf Grund langjähriger Archivstudien zum erstenmal die Lebensgeschichte eines Mannes geschrieben, der wegen seiner großen Vielseitigkeit und seiner Wirksamkeit auf den mannigfachsten Lebensgebieten vielfach schon den eigenen Zeitgenossen ein unlösbares Rätsel schien. Zunächst als freier Schriftsteller auf dem Gebiete der Philosophie, der schönen Literatur und der Staats-wisscnsdiaft tätig, ein Förderer und Freund Heinrich von Kleists, mit dem er die Zeitschrift „Phöbus“ gemeinsam herausgab, Erzieher des Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar, eines Sohnes Carl Augusts, Mittelpunkt des Dresdener Romantikerkreises, finden wir ihm dann in politischer Tätigkeit als Ratgeber des preußischen Landadels in seinem Kampf gegen die Reformen des Kanzlers Hardenberg, als Veranstalter von Vorlesungen und Zeitungskorrespondenten in Berlin, sodann als Freund des heiligen Clemens Maria Hofbauer in Wien, mit dem er gemeinsam eine Erziehungsanstalt für Adelige gründen will, im Kriegs jähr 1813 als provisorisenen Landeskommissär in dem Feldzug zur Befreiung Südtirols, im Jahre 1815 als Armeekorrespondenten und Kriegsberichterstatter im kaiserlichen Hoflager in Frankreidi und seit Ende dieses Jahres als österreichischen Generalkonsul in Leipzig, eine Stelle, die er bis 1828 bekleidet, worauf er in die Wiener Staatskanzlei übernommen wird. Noch nicht 50 Jahre alt, stirbt er am 17. Jänner 1829, durch die wirtschaftlichen Sorgen und politischen Kämpfe seiner letzten Lebensjahre zermürbt.

Viele Jahrzehnte hindurdi vergessen, vom größeren Ruhme seines Freundes Friedrich Gentz verdunkelt, wird er heute in der Wissenschaft als Haupt der romantischen Schule der Nationalökonomie ganz allgemein anerkannt. Aber wegen der Paradoxie seiner Theorien, die man ihm vielfach zum Vorwurf macht, zweifelt man vielfach heute noch an dem praktisdicn Sinn und Vermögen eines Mannes, der in so vielen Wissensgebieten bewandert war. Aus diesem Grunde ist es vielleicht nicht unangebracht, einige charakteristische Dokumente der Öffentlichkeit vorzulegen, aus denen .unzweifelhaft hervorgeht, daß der romantische Staatsphilosoph, der insbesondere in seinen letzten theologischen Schriften der Jahre 1819 und 1820 in einer höheren Sphäre schwebte, in die ihm weder Gentz noch Metternich zu folgen willens waren, doch überall dort, wo es um die Dinge des praktischen Lebens geht, seinen Mann stellte. Die Dokumente stammen sämtlich aus dem Wiener Haus-, Hof-und Staatsarchiv und werden jeweils am Schlüsse durch kurze Anmerkungen erläutert.

Euer Durchlaucht! Gnädig gebietender Herr! Hochdenenselben überreiche ich in untertänigster Anlage

1. Das 8te Heft meiner Sraatsanzeigen.

2. Als Beyspiel des immer mehr um sich greifenden Preßunfugs im nördlichen Deutschlande das 5te Heft des zu Jena erscheinenden Journal Isis. Die ehrfurchtsvoll bezeichneten Stellen, insbesondre die S. 654 den Gh. Badischen Staatsminister Freiherrn von Hacke betreffende deutet an wie weit man die Weimarischc Preßfreiheit zu treiben willens ist.

3. Ein für Ew. Durchlaucht und acht zu gnädiger Vertheilung bestimmte Exemplare einer mildthätigen und menschenfreundlichen Schrift zu Gunsten der mindern Volksklassen. Die allgemein bewunderte Unternehmung womit Euer Durchlaucht den Allerhöchsten Geburtstag gefeiert, und deren Statuten von den in Sachsen bestehenden ausgebreiteten Hilfsvereinen ungefähr mit demselben eifersüchtigen Interesse betrachtet worden sind, als die neuen Bayrischen Verordnungen von der Preußischen Regierung; der erhabene und großmüthige Antheil den Hochdieselben den leidenden Volksclassen der Hauptstadt bewiesen haben, giebt mir ein Recht Euer Durchlaucht den wohlgelungenen zehnjährigen Versuch eines deutschen Patrioten

den ärmeren, zumal Gebirg s-Gegenden Deutschlands die besten Brodsurrogate durch mühsame praktische Untersuchung nachzuweisen

so dringend als ehrfurchtsvoll anzuempfehlen. Der Verfasser, ehemaliger Sekretair Seiner . Königl. Hoheit des Kronprinzen von Bayern, jetziger Aktuar in Würzburg, verdient unstreitig, daß sein Zweck, die Belehrung der Ortsvorstände in den ärmeren Provinzen auch der Oesterreidiischen Staaten, so wie in vielen Gegenden des übrigen Deutschlands erreicht werde. Da nun diese kleine Schrift durchgängig sehr umständliche und erfolgreiche Erfahrungen enthält, die bey fortdauernder oder wiederkehrender Theurung tausenden, unter Erhaltung ihrer Gesundheit, das Leben fristen können, so habe ich mir die Frage aufwerfen dürfen, ob nicht unter der gnädigen Protektion Euer Durchlaucht diese wohlthätige Vertheilung am kräftigsten zu bewirken stände. Sollte ein Nachdruck beliebt werden, so würde der Verfasser, der, wie der unbedeutende Preis der Schrift beweist, an sich nicht denkt, diese Ehre dankbar anerkennen.

Die Zerrüttung des Ackerbaus in einem großen Theile von Europa, und die hinzutretende unglaubliche Verwirrung der Geldverhältnisse, die man auf dem hiesigen Platze besonders deutlich übersehen kann, läßt mich befürchten, daß die beste Ernte unsern Zustand nur wenig verbessern wird. Das furchtbare Abströmen des baaren Geldes nach England dauert ohne allen Ersatz fort und die täglichen Bankeroute in London, Hamburg, Leipzig und Brody unterbrechen seit fünf Wochen allen Verkehr auf eine so empfindliche Weise, daß auch der Getreidehandel im Innern auf hundert Stellen unterbrochen ist.

Umso verdienstlicher erscheint jedes Unternehmen, welches auf die werkthätige Unterstützung und Belehrung der niederen Volksclassen gerichtet ist.

Mit wahrer und unbegrenzter Verehrung und Dankbarkeit verharre ich in tiefster

Submission

Euer Durchlaucht

untertänigster

Adam Müller.

Leipzig, den 26. März 1817.

Der namentlich nidit genannte Verfasser dieser sozialpolitischen Schrift ist Adam Müllers Freund Bayrhammer, der in den

„Staatsanzeigen“ unter dem Pseudonym: „Einsiedler am Ossagebirge“ mitarbeitete. Vergleiche mein Lebensbild, S. 358, und Näheres über Bayrhammers volkswirtschaftliche Ansichten in meinem Aufsatz: „Die Wirtschaftspolitik Adam Müllers“, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Jena 1929, S. 11 ff.

Durchlauchtigster Fürst! Gnädigster Herr!

Die Lage des deutschen Landbaues übe.-haupt, insbesondre aber die nunmehr praktisch erwiesene Unzureichenheit der heutigen Administrationsformen dem Boden der Erde eine Produktion abzugewinnen, bey der die Unabhängigkeit monarchischer Thronen, und der Besitzstand der wahren i Aristokratie und der frommen Stiftungen bestehen können, giebt mir, der ich diesem hochwichtigen Gegenstand eine langjährige und von den Umständen begünstigte Aufmerksamkeit widmete, ein Recht Euer Durchlaucht folgenden kurzen Vortrag zu überreichen.

Die glücklichste und sparsamste Regie des großen Grundeigenthums ergiebt nach den bisherigen Administrations-Arten anerkannterweise einen reinen Ertrag von kaum zwei procenten: das Bekenntnis, daß die Bewirtschaftung landesherrlicher Domainen, insbesondre aber der Religions und Schulfondgüter noch weniger, oft aber gar nicht ren-tire, steht in allen öffentlichen Blättern: der verderbliche Grundsatz der Veräußerung der Staats und Kirchen-Güter, d. h. der Zerstörung der einzigen wirklichen und soliden, irdischen Basis des Throns wie des Altars ist zu einer wirklichen Staatsmaxime geworden, und enthält das traurige Geständnis, daß die derma-lige Staatsverwaltung unfähig sey, den Boden der Erde weiterhin mit Vortheil zu bewirtschaften. Für den Bedarf der Kirche bleibt unter allen Umständen gesorgt; die Monarchie aber senkt sich in ihren Grundpfeilern, wenn der Kaiser nicht mehr der erste Gutsbesitzer bleibt; der Moment der Pension i-rung des Oberhauptes durch eine Civilliste kömmt unvermeidlich, mit aller Begleitung der übrigen Constitutione 11en Formen, heran, sobald die Staatsbedürfnisse- auf den bloßen Steuern der Unter-thanen beruhen und nur auf der Börse verhandelt werden.

Euer Durchlaucht haben für die Erhaltung des Besitzstandes, das heißt, für die Erhaltung der bürgerlichen Ordnung und des Friedens gelebt, gekämpft und Siege errungen wie kein andrer unter den Zeitgenossen. Eilf Jahre des allgemeinen Friedens, so wie daß die alte Facade des Palastes von Oesterreich ehrfurchtgebietend und im erneuerten Glänze dasteht, ist nächst der Vorsehung und des Kaisers, Ihr Werk.

Wenn sich nun im Walten dieses Friedens, in der Stille und bey unscheinbaren Gelegenheiten (wie es mit den Anfängen aller großen Dinge zu geschehen pflegt) ein Keim der Erhaltung und der Rettung auch des inneren Friedens, Wohlstandes und Eigenthums gebildet hätte, wenn einer der Ihrigen, sey er auch der Geringste, den Aufgang dieses Keimes treu bewacht hätte und um seiner vollen Gemeinnützigkeit und Anwendbarkeit auf Oesterreich gewiß wäre — wem könnte dieser Gewinn mit größerer Zuversicht dargebradit und anvertraut werden als Euer Durchlaucht; wer wäre aber auch mehr als Höchstdieselben berufen für die Verbreitung desselben die Initiative zu ergreifen?

Hoffentlich wird die Zukunft die Emphase rechtfertigen mit der ich Höchstdenen-selben hierdurch wiederholentlich und ehrfurchtsvoll das unter dem Nahmen der Albertschen Antheilswirtschaft bekannte und nun drey Jahre hindurch praktisch erprobte Erzeugungs und Verwaltungsverfahren anzuempfehlen wage.

Das segenreiche Institut der Sparcassen, für dessen Einfüh-rungund Anwendung auf Oesterreich ich vor 9 Jahren den ersten Anstoß zu geben das Glück gehabt habe, rechtfertigt vielleicht die praktische Zuversicht, mit der ich diesen zweiten, nahe verwandten, doch viel wichtigeren und umfassenderen Gegenstand unermüdlidi in Anregung bringe.

Da ich mich persönlich dafür verpfänden kann, daß diese Sache der Protektion Euer Durchlaucht im hohen Maaße würdig ist, ja ihrem Geiste und ihrer erhaltenden Tendenz nach Höchstdenenselben bereits seit ihrem Beginne angehört, so wage ich in aller Unmaßgeblichkeit die unterthänigste Bitte daß Höchstdenenselben eine Aufforderung zur näheren Prüfung derselben, unter dem Gewichte Ihres Nahmens, an die hiesige Oekonomische Gesellschaft bey Gelegenheit ihrer nahe bevorstehenden Sitzung ergehen zu lassen geruhen wollen.

Nur um mein Gesuch deutlich zu machen, wage ich im unterthänigen Anschlüsse den Entwurf einer solchen Aufforderung zu überreichen.

In tiefster Ehrfurcht und Submission verharre ich

Euer Durchlaucht unterthänigster

Adam Müller

Wien, den 24. December 1826. *

Adam Müller bezeichnet sich als geistigen Urheber der Errichtung der Sparkassen in Österreich — und mit vollem Recht. Er ist im Jahre 1819 im „Oesterreichischen Beobachter“ und in Gräffers „Conversations-blatt“ dafür eingetreten und tatsächlich wurde im Herbst dieses Jahres die Erste österreichische Sparcasse gegründet. (Vgl. Adam Müllers Ausgewählte Abhandlungen, 2. Aufl. 1931, S. 123 ff. und S. 343 ff.)

Das Albertsche Wirtschaftssystem wurde von dem Anhaltischen Amtsrat Ludwig von Albert (1783 bis 1836) angewendet und besteht in der Hauptsache im Ersatz des Geldlohnes durch Naturaldeputate und in einer Art Gewinnbeteiligung der landwirtschaftlichen Arbeiter am Ernteertrag. Ein Teil dieses Gewinnes wird zur Anlage einer Sparkasse für die Fälle von Alter, Krankheit und Invalidität verwendet. (Vgl. Otto Siegel, Die Wirksamkeit der beiden Brüder Wilhelm und Ludwig Albert in der anhaltischen Landwirtschaft, Berlin 1928.) Die kleine Schrift, die Adam Müller Hierüber verfaßte, erreichte nach wenigen Tagen eine zweite Auflage, wie er am 9. Februar 1824 an Metternich berichtet. Am 7. August 1825 macht er den Fürsten neuerlich auf dieses landwirtschaftliche System aufmerksam und mit dem obigen Vortrag vom 24. Dezember 1826 zum drittenmal, anscheinend ohne irgendeinen greifbaren Erfolg, da es in Österreich nicht eingeführt wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung