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Der Held der Roten Erde

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Der große Bischof, der unerbittlich seine Stimme erhoben hatte, um die Rechte Gottes und der Menschen zu verteidigen, der die Mahnung des heiligen Paulus an Titus — „trete auf, sei es gelegen oder ungelegen, ermahne, weise zurecht“ — im wahrsten Sinn des Wortes erfüllt hat, ist tot und seine Stimme, die man für ein Jahrzehnt die Stimme des Gewissens Deutschlands nennen konnte, dringt nicht mehr zu uns. AI? hätte der Allmächtige allen, die Bischof Clemens August Graf Galen in schwerster Zeit durch seinen glaubenstarken Mut aufgerichtet hatte, die Genugtuung schenken wollen, Zeuge zu sein,. daß dieser Held der Kirche auch auf Erden schon gebührenden Dank empfing, ließ er den edlen Kirchenfürsten noch seine Erhebung zum Kardinal in unserer Mitte erleben.

Kardinal Graf Galen erreichte ein Alter von 68 Jahren: im Jahre 1878 kam er als Sproß eines uralten adeligen Geschlechtes Westfalens zur Welt. Die urkatholische Familie hatte im Lauf ihrer siebenhundertjährigen Geschichte so manchen Priester und auch schon einen Bischof von Münster unter ihren Angehörigen gezählt. Auch der junge Clemens August wählte den priesterlichen Beruf. Er studierte in Innsbruck Theologie und wurde 1904 zum Priester geweiht. Der erste Seelsorgposten des jungen Kaplans war Berlin. Die katholische Diaspora wurde für ein Vierteljahrhundert seine Wirkungsstätte. Vielleicht erhielt Clemens Galen gerade durch diese lange Wirksamkeit in dem schwierigen Gelände der Diaspora sein besonderes Profil. 1911 wird er Pfarrer an der Kirche des heiligen Klemens Maria Hofbauer in Berlin in der Nähe des Anhalter Bahnhofes und wird gleichzeitig auch als Präses der Berliner Gesellenvereine berufen. Es ist eine zähe und unermüdliche Arbeit, die er in diesen Jahren leistet, in der Zeit des ersten Weltkrieges, der Inflation geistiger und politischer Krisen und der kommenden Zeit; zu dem großen Aufschwung, den der Katholizismus Berlins nahm und der in der Errichtung eines eigenen Bistums Berlins seinen sichtbaren Ausdruck fand, hatte er seinen Teil beigetragen. Diese Jahre nach dem Weltkriege waren Zeiten besonderen

Glanzes für die Katholiken Berlins. Es war die Zeit, da Dr. Karl Sonnenschein, der Apostel Berlins, rastlos und mit unheimlicher Dynamik daranging, in Berlin eine besondere katholische Formung sichtbar zu machen, es war die Zeit, da Bischof Schreiber, der erste Bischof der Hauptstadt, die Organisation des Bistums aufbaute und Romano Guardini an der bisher rein protestantischen Universität Berlin katholische Theologie und Philosophie vortrug, und es war vor allem die Zeit, da drüben im Diplomatenviertel, in der Rauchstraße, Eugenio Pacelli als Nuntius des Heiligen Vaters residierte. 1929 ist ein besonderes Jahr im Leben des Berliner Katholizismus. 1929 stirbt Karl Sonnenschein und verläßt Nuntius Pacelli Berlin, um — zum Kardinal erhoben — in Rom das Staatssekretariat zu übernehmen. 1929 wird Graf Galen versetzt. Er kehrt auch in seine alte Heimat als Pfarrer an der Kirche St. Lamberti in Münster zurück. Für den Katholizismus Deutschlands ziehen schwere Zeiten herauf. Die nationalsozialistische Bewegung wächst, sie vermag immer mehr Anhänger zu gewinnen.

Im Entscheidungsjaht 1933 stirbt der Bischof von Münster Poggendorf und zu seinem Nachfolger wird der bisherige Pfarrer von St. Lamberti, Clemens Graf von Galen, geweiht. Schwere Sorgen erwarteten den neuen Bischof, sie sollten die ganze Zeit seiner Regierung ausfüllen. Erst getarnt, dann immer offenkundiger versucht die neue Häresie, mehr noch, die neue Apostasie des Nationalsozialismus dem schweigsamen Volk der „roten Erde“ seinen angestammten Glauben zu nehmen, dem Volke, aus dessen Mitte der Sänger von „Dreizehnlinden“ entsprang, der Sänger christlicher Glaubenstreue und aufrechter Mannesgesinnung. Deutschtum und Christentum sind unvereinbar, lautete nun aber eines der neuen Schlagwqrte. Niemanden hätte dieses Wort tiefer treffen können als diesen bischöflichen Westfalen.

„Wenn jemand reden will von deutschem Blut, das in seinen Adern rollt“, rief er in seiner berühmten Predigt im Jahre 1937 von der Kanzel, „dann kann ich es tun. Seit siebenhundert Jahren leben meine Vorfahren hier in diesem Land als Deutsche und als Christen. Ich werde es deshalb nicht dulden,

daß nnsere Vorfahren, nnsere Väter und

Mütter, die als Christen und Deutsche vorbildlich waren, heute als undeutsch verrufen und angegriffen werden. Eine Weltanschauung, die unsere Vorfahren beschuldigt, sie hätten als Christen ihr Deutschtum verraten, ihr deutsches Blut verleugnet, ist nicht unsere Weltanschauung. Wenn so die nationalsozialistische Weltanschauung aussieht, dann ist sie nicht die unser e.“ Die “Welt, nicht nur Deutschland, horchte auf. Hier sprach ein anderes Deutschland, das man schon lange nicht mehr gehört hatte inmitten all der Propagandareden und kriegerischen Aufmärsche. Hier erhob sich eine Stimme, die bewies, daß das deutsche Volk doch nicht so einmütig der nationalsozialistischen Weltanschauung ergeben war, wie es die offiziellen Reden immer glauben machen wollten. Hier war ein Mann, der den Mut hatte, uneingeschüchtert durch ein drohendes Konzentrationslager, die Wahrheit zu reden. Aber Clement Graf von Galen wurde nicht eingesperrt, weder nach dieser Predigt noch nach den berühmten Predigten der späteren Jahre. Er strahlte eine derartige Hoheit und Macht aus, er war durch seinen Mut eine solche hervorragende Gestalt des deutschen Katholizismus geworden, daß auch Hitler nicht wagte, Hand an ihn zu legen. Die Schergen fahndeten nur nach seinen Predigten, die, von zahllosen Händen abgeschrieben, durch ganz Deutschland, ja durch ganz Europa von Hand zu Hand gingen und ihren großen Anteil an der Stärkung der Katholiken hatten. Und Clemens von Galen hielt viele Predigten Besondere Berühmtheit erlangten seine Kanzelreden aus dem Jahre 1941. Mitten im Kriege ging damals der Nationalsozialismus vom versteckten zum offenen Angriff gegen den Katholizismus vor. In den Monaten der schweren' Bombenangriffe löste die Gestapo die katholischen Schulen auf. ließ die Kreuze in den öffentlichen Schulen entfernen und hob eine Reihe von Klöstern auf, deren Insassen binnen wenigen S'unden die Stätten ihres jahrelangen Wirkens verlassen mußten. Bischof von Galen versuchte mit a'len Mitteln, das schwere Schicksal von den Klöstern abzuwenden Er richtete eine schonungslos freimütige Eingabe nach der andern an die zuständigen Reichsstellen, er rief die Gerichte des Staates an, er appellierte an den „Führer“. Doch nichts fruchtete. Da griff er zu einem andern Mittel. Er bestieg wieder die Kanzel und prangerte unbarmherzig dieses System der Gewalt an, das keine Gerechtigkeit und keine Gerichte kenne, sondern nur den Terror der Gestapo, demgegenüber alle Staatsbürger schutzlos seien.

„Wie viele Menschen sdimachten in den Gefängnissen und Konzentrationslagern“, riet er aus, „die nie einem Gerichtsverfahren unterworfen -worden sind oder ihre Strafe längst abgebüßt haben Niemand, auch nicht der treueste und gewissenhafteste Staatsbürger, ist sicher vor den Zugriffen solcher Arr. Ich weiß, daß es auch mir geschehen kann, aber darum rede ich wenigstens heute noch offen und “sage es mahnend, daß ein solcher Weg zum Unglück führen muß, daß eine solche Handlungsweise die Strafe Gottes herausfordern muß.“ Aber wie zum Hohn gegen die Proteste, Telegramme und Eingaben des Bischofs ging die Verfolgung der Kirche weiter. Und wieder bestieg er die Kanzel, wieder protestierte er feierlich gegen die Verfolgung, diesmal ging er aber noch weiter: er forderte seine Diöze-sanen auf den Kampf aufzunehmen, und gleichzeitig sagte er sich los von der Gemeinschaft mit den Verfolgern.

„Wir wollen nadi dem Befehl des Herrn für unsere Verfolger beten“ sagte er in der Predigt, „aber solange sie sidi nicht ändern, solange sie fortfahren, Unschuldige zu berauben und aus ihrer Heimat zu verjagen, solange lehne ich jede Gemeinschaft mit ihnen ab. Sonst müßte ich mich vor Gott und vor euch schämen. Bleiben wir fest Wir sind jetzt Amboß und halten die Schläge des Hammers aus. Bleiben wir hart. Unsern Kopf, unsere Freiheit mag der Staat nehmen, unser Gewissen aber g e-h ö r t G o 11.“

Millionen Herzen schlugen höher bei dem Klang dieser heioisdicn Worte. — Immer tiefer abwärts in die Greuel ging die lärmende Fahrt Hitlers, immer wieder überhallt von der Stimme des Bischof- von Münster. Berühmt wurde seine Predigt über die Tötung von un-heil baren Kranken und Greisen. Das sei Mord und durch nichts zu rechtfertigen, rief er aus.

Seine Worte waren die Stütze für Tau-

sende von gedrückten und gequälten Menschen, sein Mut gab auch dem schwächsten wieder Mut, sein Bekennertum riß alle mit. „Es kommt der Augenblick“, knirschte Adolf Hitler in einer Rede im Sportpalast mit deutlicher Anspielung auf den Bischof von Münster, „an dem ich blitzartig zuschlage und den Gegner vernichte. Und dann hilft alle Tarnung nicht, auch nicht die Tarnung mit der Religion.“ Die Drohung vermochte nicht den Bischof von Münster zum Schweigen zu bringen. Und Hitler überlegte sich diesmal das „Vernichten“. Er wagte es nicht. Gegenüber diesem Gegner hatte er die Schlacht schon 1941 verloren. Clemens von Galen überlebte alle Gefahren, auch die der Bombenangriffe. Er erlebte noch den Z u-sammenbruch des Heidentums, gegen das er so oft die Stimme erhoben hatte, er überlebte Hitler.

Papst Pius XII. ehrte den Helden der Kirche durch die Verleihung der Kardinalswürde. Mit begeistertem Jubel begrüßte die riesige Menge der Zeugen des Päpstlichen Konsistoriums den neuen Kardinal. „Wir

haben viel gelitten unter der Sklaverei der vergangenen Jahre, die Gottes Rechte nicht anerkannte. Nun soll der neue Friede auf Liebe und Gerechtigkeit sich gründen“, sagte der neue Kardinal in einer Predigt in der Anima in Rom.

Es war die letzte Mahnung, die Gott durch ihn an die Menschen richten ließ. Nur wenige Wochen schmückte ihn der Purpur irdischer, von der Ewigkeit her umleuchteter Größe Kaum zurückgekehrt in die Heimat, starb er an den Folgen einer Bauchfellentzündung. Seine Aufgabe war erfüllt. Seine Tat, die der Welt vorgelebte, durch keine Tyrannen zu brechende heldenhafte christliche Gesinnung, wirkt über das Grab hinaus weiter, selbst über die Bereiche der katholischen Kirche hinaus, Erinnerung und Erweis an die ganze Menschheit, daß sie an den Quellen des praktischen Christentums die Kraft zu schöpfen hat, um Zeiten zu bestehen, in denen die apokalyptischen Reiter sichtbar werden. Ein neuer Ambrosius, gehört er fortan der kirchlichen und profanen Geschichte an.

WOLLEN

Glimmen will ich und erglühen, leuchten will ich und entbrennen! Flamme, will ich hell erblühen, Finsternis und Dunkel trennen.

Leuchten will ich und entbrennen,

will in Schönheit ganz verstrahlen,

Finsternis und Dunkel trennen,

Angst und Schmerz und Not und Qualen.

Will in Schönheit ganz verstrahlen, mein geringes Sein verschenken, Angst und Schmerz und Not und Qualen lind in Weinen, Wehmut lenken.

Mein geringes Sein verschenken, mich in Liebe ganz verschwenden, lind in Weinen, Wehmut lenken will ich und mich so vollenden.

Mich in Liebe ganz verschwenden, Flamme sein, die Frösteln scheuchte, will ich und mich so vollenden. Gebe Gott, daß ich auch leuchte!

Alired Michael Schauhube r. Wien

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