Konzils-Ablehnung durch die Hintertür?

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Rom verlangt von den Pius-Brüdern die Unterzeichnung einer "Lehrmäßigen Erklärung“ und räumt ihnen gleichzeitig Deutungsspielraum beim Konzil ein.

Das Bulletin brachte jedenfalls keine Klarheit: Letzte Woche war Bernard Fellay, schismatischer Bischof und Oberer der traditionalistischen Pius-Bruderschaft, mit dem Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, in Rom zusammengetroffen. Das dazu vom Vatikan verbreitete Bulletin benannte als Vorbedingung für eine Rückkehr der Lefebvrianer in die katholische Kirche die Unterzeichnung einer "Lehrmäßigen Erklärung“. Dieses zwei Seiten lange Dokument ist zurzeit nicht öffentlich bekannt, es enthalte aber, so das römische Bulletin, "einige Lehrprinzipien und Interpretationskriterien der katholischen Lehre“, die von den Traditionalisten zu akzeptieren seien. Weiters heißt es: Zugleich lasse die zu unterzeichnende Erklärung eine "legitime Diskussion über die Überprüfung und die theologische Deutung einzelner Ausdrücke und Formulierungen“ in den Dokumenten des II. Vatikanums und danach zu.

Echter Kompromiss unmöglich

Solche Ankündigung rief Kritik auf den Plan, denn die Ablehnung des Konzils stellt einen der Hauptpunkte des Schismas der Lefebvrianer dar.

Ein echter Kompromiss in diesen Fragen sei nicht möglich, so der Regensburger Dogmatiker und Ratzinger-Schüler Wolfgang Beinert gegenüber dem Münchner Kirchenradio: Die Rückkehr der Pius-Brüder sei nur durch "theologischen Selbstmord“ möglich. Deutet das noch geheime Dokument, das die Pius-Brüder unterzeichnen sollen, nun in eine derartige Richtung, weil es einen Interpretationsspielraum beim II. Vatikanum ermöglicht?

Anfang 2009 hatte Papst Benedikt XVI. die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvrianer-Bischöfe verfügt. Darauf war ein Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit losgebrochen - vor allem darüber, dass unter den Begnadigten auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson war. Williamson wurde von Bernard Fellay mittlerweile aus der Öffentlichkeit abgezogen. Rom und die Traditionalisten nahmen dann vor zwei Jahren doktrinäre Gespräche auf. Was die Traditionalisten - neben der Liturgiereform - am intensivsten bekämpfen, sind die Erklärung zur Religionsfreiheit des II. Vatikanums, sowie die entsprechenden Konzilsaussagen zum interreligiösen Dialog und zur Ökumene.

Im FURCHE-Gespräch äußert sich auch der Innsbrucker Dogmatiker Józef Niewiadomski äußerst skeptisch über eine inhaltliche Einigung mit den Lefebvrianern: Noch in den allerletzten Äußerungen hätten sich die Pius-Brüder geweigert, das II. Vatikanum anzunehmen. Es sei außerdem äußerst widersprüchlich, wenn die Traditionalisten einerseits die absolute Unfehlbarkeit und den Primat des Papstes betonten und diese aber andererseits in Bezug auf das Konzil, das ja von den Päpsten seither verkündet wird, bestritten.

Als vor wenigen Wochen Johannes Paul II. selig gesprochen wurde, habe Bernard Fellay scharf dagegen protestiert. Diese Seligsprechung bedeute, so Niewiadomski, auch die dogmatische Anerkennung der Taten Johannes Pauls II., wie das große Schuldbekenntnis der Kirche vom 1. Fastensonntag 2000 oder die Friedensgebete mit anderen Religionsführern in Assisi. Gerade wegen dieser Aktivitäten sowie seines Zugehens aufs Judentum gelte Johannes Paul II. den Lefebvrianern als "Synkretist“ und somit als Häretiker.

Benedikt XVI. war den Pius-Brüdern durch die Anerkennung der tridentinischen Liturgie und die Aufhebung der Exkommunikation der schismatischen Bischöfe weit entgegengekommen. Aber nicht nur die Seligsprechung seines Vorgängers, sondern auch die Ankündigung des Papstes, Ende Oktober an einer Neuauflage des Friedensgebetes in Assisi teilzunehmen, hatte harsche Reaktionen ausgelöst: Fellay habe das einen "Akt aus Verzweiflung“ von Benedikt XVI. angesichts einer globalen "Gewalt gegen Katholiken“ genannt.

Benedikts "Akt aus Verzweiflung“?

Niewiadomski weist darauf hin, dass Religionsfreiheit für Fellay & Co nur als gemeinsames Einsetzen der Religionen für den "bürgerlichen Frieden“ vorstellbar sei. Das II. Vatikanum habe aber in seiner diesbezüglichen Erklärung die Religionsfreiheit auch als religiösen Wert definiert. Es sei nicht vorstellbar, dass die Lefebvrianer das akzeptieren würden; umgekehrt würde ein Aufweichen der kirchlichen Position gegenüber den Traditionalisten weltweit Widerstand auslösen.

Außerdem nähmen die Pius-Brüder nach wie vor ungeniert Priesterweihen vor, obwohl ihnen das kirchenrechtlich verboten sei: Dass die Pius-Brüder da Tatsachen schaffen, erfüllt Niewiadomski sehr wohl mit Sorge.

Die Pius-Brüder haben einige Wochen Zeit, die verlangte Erklärung zu unterzeichnen. Im vatikanischen Bulletin heißt es allerdings auch, zwischen Bernard Fellay und Kardinal Levada seien "Elemente einer kanonischen Lösung“ erörtert worden - immer wieder wird dabei über die Errichtung einer Personalprälatur für die Lefebvrianer spekuliert.

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