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Vor Pius IX zu Johaunes Paul II.

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Der Rückblick auf ein rundes Jahrhundert Papstgeschichte lohnt sich schon im Hinblick auf unser Land, das 1983 den Besuch Johannes Pauls II. erwartet, noch mehr aber im Hinblick auf den Weg des Papsttums selbst. Gemeinsames kann man zunächst in der Weite dieses Weges sehen. Wurde aus dem großen Österreich unter dem Hause Habsburg die kleine. Alpenrepublik, die erst nach Ständestaat und nationalsozialistischer Herrschaft ihr rechtes Selbstverständnis fand, so hatte das Papsttum unter Pius IX. den Kirchenstaat verloren und machte bis 1929 mit der „Römischen Frage“ eine seiner größten Krisen durch. Zudem mußten sich Kirche und Staat neu auf ihr gegenseitiges Verhältnis besinnen und taten dies in der Richtung auf ein entschiedenes Bekenntnis zu ihren je verschiedenen Aufgaben, die weder ein Gegeneinander noch eine Einheit alten Stils erlauben, sondern ein Miteinander für die Menschen verlangen.

Die Vielfalt und Größe der Aufgaben, die den Päpsten des letzten Jahrhunderts gestellt waren, zeitigte verschiedene und weithin gegensätzliche Modelle in der Kirche, die erwogen und in die geschichtliche Entwicklung eingebracht wurden. Man soll nicht übersehen, daß auch die Päpste seit Pius IX. dieses Ringen mitgetragen und teilweise deutlich verkörpert haben. Betrachtet man ihre Namen, so zeigt die Folge eines Pius und eines Nicht-Pius im Terzenschritt seit der Wahl Pius’ VII. (1800) bis zum Tod Pius’ XI. (1939) mehr als eine zufällige Abwechslung. Der Name Pius erhielt wie wenige andere Papstnamen einen Symbolwert, zuerst im Sinne eines weltoffenen, seit der Wandlung Pius’ IX. infolge der Revolution von 1848 jedoch eines gegen den „Zeitgeist“ zurückhaltenden und abwehrenden Regierungsstils. Umgekehrt markierten vor allem die Wahlen der sich anders nennenden Päpste (1878, 1914, 1958) Wendungen zu einer bestimmten Fortschrittlichkeit. Die darin sich andeuterfde Vielfalt der Programme zeigt einen beachtlichen Mut zum Neuen wie zum Alten. Natürlich können Kirche und Papsttum nicht einfach „konservativ“ oder „progressiv“ sein, sondern haben ihre Verpflichtung auf das Evangelium zu erfüllen, das allen Zeiten mit ihrer großen Verschiedenheit verkündet werden muß. Mehr als in früheren Zeiten waren daher die Päpste im letzten Jahrhundert zu mutigen und großen Schritten schon durch die sich rascher wandelnde Welt aufgerufen und verpflichtet.

Die Geschichte dieses Jahrhunderts verlangte den Abschied vom Bild des als Souverän in seinem Kirchenstaat herrschenden Priesterkönigs und die zunehmende Auseinandersetzung mit modernen Gesellschaftsformen (Demokratie), dem neuzeitlichen Denken vor allem in Naturwissenschaften, Geschichte und Philosophie und nicht zuletzt mit unvorhergesehenen innerkirchlichen Aufbrüchen wie der Laienaktivität auf Grund der Taufe, der Liturgischen Bewegung, dem ökumenischen Anliegen und dem Wunsch nach größerer Offenheit zur Welt. Gerade diese neuen Aufgaben verlangten breiteren Einsatz und führten zur Wiederentdeckung der Kollegialität nicht nur zwischen Papst und Bischöfen, sondern auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens.

Nicht zu unrecht betrachtet man das II. Vatikanische Konzil als eine Art Bündelung des gesamten kirchlichen „Neuen“ unseres Jahrhunderts. Seine Verwirklichung wurde in ähnlicher Weise zur Hauptaufgabe der Päpste wie vor vierhundert Jahren die Durchführung des Trienter Konzils, das ein neues katholisches Zeitalter heraufführte. Das Vorhaben des II. Vatikanischen Konzils verlangt offenbar einen noch größeren Einsatz, und von diesem sind die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. geprägt wie die großen Reformpäpste nach dem Trienter Konzil. Der Vergleich mit Parallelen in der Konzilsgeschichte läßt aber auch vermerken, daß in unserer Zeit jener unheilvolle Gegensatz zwischen Papst und Konzil, der im Jahrhundert vor der Reformation der Kirche so schwer schadete und ihre Reform verhinderte, glücklicherweise vermieden wurde, nicht ohne große Anstrengung des Konzils wie der Päpste. Und das, obwohl es an Kritik wahrhaft nicht fehlte.

Vielleicht bezeichnet man unser Jahrhundert einmal als eine Zeit, die sowoht-von ihren Päpsten wie auch von „ihrem“, den Gegenwarts- und Zukunftsproblemen so sehr verpflichteten Konzil, kirchlich geprägt war. Es scheint, daß der Lenker der Geschichte und sein Heiliger Geist die Päpste und das Konzil dazu vermocht haben, das Steuer der Kirche auf eine gesegnete, dem Evangelium und seiner Verkündigung an alle Zeiten verpflichtete, und deshalb heilbringende Zukunft zu richten.

Univ.-Prof. Dr. Karl Amon ist Professor für Kirchengeschichte in Graz

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