Renaissance der dritten dimension

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3-D-Technik im Kino und daheim: Die Film- und Unterhaltungsindustrie versucht, das ewige Stiefkind der Filmbranche zu einem weltweiten Massenphänomen zu machen.

„Das war der schlechteste Film, an den ich mich erinnern kann, und die Beschwerden, die er bei mir verursachte, waren so schlimm, dass ich sofort in einen 2-D-Film ging, um Linderung zu erfahren“, schrieb der US-Filmkritiker Hollis Alpert. Das war 1952, als der erste abendfüllende Farbfilm in 3-D in den USA in die Kinos kam: „Bwana Devil“ läutete damals einen Boom an 3-D-Filmen ein, der allerdings nach drei Jahren schon wieder vorbei war.

Das 3-D-Kino ist wieder (einmal) in aller Munde, vor allem, weil es heute ohne rot-blau-gefärbte Brillen auskommt und in digitaler Perfektion über die Leinwand flimmert. Damals waren zwei Projektoren nötig, die unterschiedliche Filmstreifen synchron projizierten. Lief dabei etwas schief, war der Film unansehbar – und starke Kopfschmerzen garantiert.

Die Bemühungen, bewegte Bilder in drei Dimensionen zu zeigen, sind so alt wie das Kino selbst: Erste Versuche gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Doch erst die digitale Technik verhalf dem ewigen Kino-Stiefkind 3-D zum Durchbruch als Massenphänomen. Es war James Cameron, der zwar nicht den ersten, aber den erfolgreichsten und teuersten Film in dieser Technik drehte: „Avatar“ wird als Wegbereiter der modernen 3-D-Technik in die Filmgeschichte eingehen. Bis Jahresende werden etwa 15 neue 3-D-Filme in Österreichs Kinos anlaufen, darunter „Toy Story 3D“, der Tanzfilm „Step Up 3D“ sowie der neue „Harry Potter“.

Das Bild kommt heute von der Festplatte, und der hochauflösende Digitalbeamer wirft es auf die Leinwand. Die Brillanz der Bilder täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die alten Probleme mit 3-D letztlich dieselben geblieben sind: Brillen werden nach wie vor benötigt, wenngleich sie heute mit farblosem Glas funktionieren. Durch die Abdunkelung der dabei zum Einsatz kommenden Polarisationsfilter verliert das Bild an Helligkeit, und es ist fast so, wie Hollis Alpert 1952 schrieb: „Der Polarisationsprozess verdunkelt das Bild derart, sodass man meint, jede Szene spiele an einem bewölkten Spätnachmittag.“

Bei vielen Zuschauern stellen sich auch heute Schwindel und Kopfschmerzen ein, weil das menschliche Auge an derlei extreme Erfahrungen nicht gewöhnt ist. Nach einer „Avatar“-Vorführung ist ein Mann in Asien an einem Schlaganfall gestorben – ein Zusammenhang mit 3-D ließ sich aber nicht sicher nachweisen.

3-D macht nicht immer Sinn

Wird die neue/alte Technik unsere Sicht auf die Welt verändern? Zumindest die Ästhetik ihrer Abbildung, meinen Medienwissenschaftler. Und auch die Art und Weise, wie Filme gedreht werden. „3-D funktioniert nur für gewisse Filmgenres“, meint Filmproduzent James Dudelson von Taurus Entertainment. „Horror und Animationsfilme zum Beispiel.“ Es mache keinen Sinn, gewöhnliche Dramen in 3-D herauszubringen. Die Filme müssten in erster Linie visuell außergewöhnliche Bilder bieten. Daher sind neue dramaturgische Herangehensweisen gefragt.

Großereignisse sorgen für zusätzlichen Schub: Insgesamt 25 Spiele der gerade zu Ende gegangenen Fußball-WM wurden in 3-D übertragen – jedoch mit bescheidenem Effekt: Denn die Totalen vom Spielfeld lassen nun mal keine große Tiefenwirkung zu – nur in Großaufnahmen standen die Fußballer plötzlich mitten im eigenen Wohnzimmer.

WM 2014 verstärkt in 3-D

Stichwort Wohnzimmer: Die Unterhaltungsindustrie versucht nun mit aller Kraft, auch im Heimkino den 3-D-Standard zu etablieren. Zahllose TV-Geräte, Blu-ray-Player und 3-D-Filme sind erschienen, doch ob aus dem Trend ein Boom wird, bleibt abzuwarten: Schließlich haben viele TV-Konsumenten erst kürzlich in einen Flachbildschirm investiert – eine 3-D-Heimkinoerfahrung würde aber die Anschaffung einer ganz neuen Gerätepalette voraussetzen. Die Gesamtinvestition schlüge sich mit 2000 bis 3000 Euro zu Buche.

Dennoch erwartet die TV-Branche, dass die nächste Fußball-WM 2014 in Brasilien bereits ausschließlich in HD und verstärkt in 3-D übertragen und konsumiert werden wird. Plus: Neue Hybrid-TVs liefern zusätzlich zum TV-Bild auch gleich die passenden Internet-Infos dazu. Die „Deutsche TV-Plattform“, eine Vereinigung von TV-Sendern und Geräteherstellern, erwartet, dass 2014 mehr als jeder zweite Haushalt ein solches Hybridgerät besitzt. Natürlich 3-D-fähig. „Die jetzigen 3-D-Übertragungen in Kinos haben gezeigt, dass 3-D-TV noch lange nicht ausgereift ist“.

Weitere Steigerungen möglich

Die Hersteller haben indes weitere Steigerungsformen im HD-Boom gefunden: Künftig wird es Fernseher mit 4-K-Auflösung geben: Full-HD-TVs schaffen derzeit 1920 mal 1080 Pixel, die 4K-TVs zeigen Bilder mit 4096 mal 2304 Pixel. Das Videoportal Youtube hat seit dieser Woche erste 4-K-Demovideos online. Nach oben hin gibt es eben keine Grenzen, und die Industrie will schließlich auch leben. Der Konzern Microsoft wiederum arbeitet an einer 3-D-Technik, für die keine Brille mehr benötigt wird: Mittels keilförmiger Linse können dem linken und rechten Auge unterschiedliche Bilder gezeigt werden – und Kopfschmerzen sollen dann endlich der Vergangenheit angehören.

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