Von den schönsten Seiten

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Durch den Buchdruck wurde das Buch zur Massenware. Bei allem Bemühen um die Effizienz gab und gibt es aber auch das Bestreben danach, besonders schöne Bücher zu machen.

Als Johannes Gutenberg um 1450 in Mainz seine berühmte 42-zeilige Bibel druckte, geschah das in Europa zum ersten Mal mit beweglichen Lettern. Zwar waren in China bereits Keramik- und in Korea Bronzelettern üblich, aber Gutenberg dürfte diese Form des Buchdrucks nicht gekannt haben. Er erfand ihn für Europa neu - und mit dieser Erfindung brach ein neues Zeitalter an.

Mit einem Schlag war die Buchherstellung enorm beschleunigt. Zwar dauerte - aus heutiger Sicht - der Druck auch noch eine lange Zeit, doch während ein handschriftlicher Kopist bisher für ein Buch etwa drei Jahre gebraucht hatte, konnte Gutenberg im selben Zeitraum nun immerhin 180 Bücher drucken. Das Buch war unterwegs in Richtung Massenware.

Dieses neue Gutenberg-Zeitalter dauerte, was die Technologie betraf, bis zum frühen 19. Jahrhundert. In dieser Zeit geschah nicht nur die ständige Maximierung der Effizienz, sondern tauchten bald die ersten Versuche auf, mithilfe der neuen Technologien auch die ästhetische Gestaltung zu verfeinern, wovon Mathieu Lommens wunderschöner Bildband "Das Buch der schönsten Bücher“ (DuMont 2012) in Bild und Text erzählt.

Die Seiten jener Bücher, die anfangs gedruckt wurden, glichen im Aussehen noch sehr jenen Manuskripten, die jahrhundertelang von Hand kopiert wurden. Doch rasch entwickelten sich neue Typografien. Fünfzig Jahre nach der Gutenbergschen Erfindung hatte das Buch in etwa schon jene Form angenommen, die ein Buch auch heute noch ausmacht. So gab es ein kunstvolles "Frontispiz“, das die Leserinnen und Leser begrüßte und manchmal auch ein Porträt des Autors mitlieferte. Die Titeleien waren damals noch lang, fast eine Art Klappentext, der auf den Inhalt neugierig machen sollte.

Von Italien bis in die Niederlande

In Sachen schönste Bücher taten sich einige europäische Länder besonders hervor: Zunächst war Italien führend bei der Erfindung der Typografie, hier wurde von der gotischen Schrift auf Antiqua-Schriften umgestellt. Dann traten Frankreich und die nördlichen Länder auf den Plan. Die niederländischen Buchhändler erlebten ihre Blütezeit Anfang des 17. Jahrhunderts, die Niederlande wiesen damals die höchste Alphabetisierungsrate in Europa auf.

Auch das, was heute als Layout bezeichnet wird, spielte bald eine große Rolle. Statt die Seiten zu überfüllen, kreierte man Gliederungselemente wie etwa Absätze. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wurde das Design auffällig schlicht: viel Weißraum prägt die Seiten, die Ornamentik erscheint stark reduziert. Die Aufklärung hinterließ ihre Spuren also auch im Layout der Bücher.

Innovative Drucker

Jene Drucker, die sich innovativ bezüglich der Schriftgestaltung hervortaten, sind heute noch präsent: Denn die Schriften, die man auf den PCs finden kann, tragen ihre Namen. Giambattista Bodoni gehört zu ihnen ebenso wie John Baskerville, jener englische Drucker und Lackierer, der als einer der Vorreiter der neuen typografischen Entwicklung galt. Er kreierte eine nüchterne neue Schrift, eine deckende und trocknende Druckfarbe und besonders glattes Papier. Mit seiner 1757 publizierten Vergil-Ausgabe im Quartformat stieß er so sehr auf Aufmerksamkeit, dass man ihn zum Drucker der Universität Cambridge ernannte. Er beeinflusste viele Drucker seiner Zeit, starb aber verarmt und vergessen, erzählt Martyn Lyons in "Das Buch. Eine illustrierte Geschichte“ (Gerstenberg 2012).

Dass die Frage der Ästhetik oft auch eine der Ideologie war, zeigt die Geschichte der Schrift. Während religiöse und traditionelle Werke lange Zeit eher in gebrochener Schrift, in Fraktur, gesetzt wurden, stand die Antiqua für Fortschritt und Moderne. Die Königlich Schwedische Akademie etwa legte 1739 fest, dass alle ihre Berichte in Antiqua zu erscheinen haben. Vor allem in Deutschland lässt sich erkennen, wie sehr der Kampf um die richtige Schrift verbunden war mit der Frage nach der deutschen nationalen Identität. Vertreter der Moderne wie etwa das Bauhaus plädierten für die Antiqua, Traditionalisten sahen die Fraktur als deutsche Schrift an. Die Nationalsozialisten ließen 1933 alle Schulbücher und amtlichen Drucksachen auf Fraktur umstellen, allerdings kam es 1941 zu einer Wende, als die Antiqua zur Normalschrift erklärt wurde, weil die sogenannte gotische Schrift aus "Schwabacher Judenlettern“ bestünde.

Währenddessen ging die Massenproduktion unaufhörlich weiter. Nach 1830 gab es immer mehr mechanische Pressen - Rotationsmaschinen konnten Anfang des 20. Jahrhunderts bereits 48.000 Seiten pro Stunde drucken. Zudem fiel der Preis des Papiers, das nun nicht mehr aus Lumpen, sondern aus Holzfasern hergestellt wurde - und damit sanken die Herstellungskosten für Bücher. Die Chlorbleiche, die man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem Papier hinzufügte, um es aufzuhellen, löste übrigens später die Bücher wegen der Säure auf.

Massenproduktion und Kunstwerk

Als man Ende des 19. Jahrhunderts ganze Zeilen aus beweglichen Lettern gießen konnte, stieg die Buchproduktion enorm an, in Großbritannien erschienen bereits über 10.000 Titel im Jahr: Das Buch war Massenware geworden. Die Vielfalt der Typografie litt darunter, denn durch die automatischen Druckmaschinen konnten nur wenige standardisierte Schriften verarbeitet werden. Während die Avantgarde wie etwa Dadaismus, Surrealismus oder Bauhaus für die Buchgestaltung die Technik gerne aufgriff und die serifenlose Schrift als moderne Schrift einführte, wurde parallel zur Mechanisierung die alte Handwerkskunst wieder- entdeckt, etwa durch William Morris und seine Arts-and-Crafts Bewegung.

In dieser Spannung befindet sich das Buch bis in die Gegenwart: einerseits wird seine Produktion beeinflusst durch permanente Beschleunigung und ein Mehr an Technik, andererseits bleibt das Buch als Kunstwerk trotzdem. Selbst im Zeitalter der Ebooks erblicken besonders schöne Bücher das Licht der Welt, setzen Verleger auf das gelungene Miteinander von Schrift, Papier und Bindung. Regelmäßig werden "die schönsten Bücher“ ausgezeichnet (im Bild links etwa "Bananorama“). Das Buch ist eben nicht nur eine zu lesende Ware, sondern ist und bleibt auch ein ästhetischer Gegenstand, für das Auge, für den Tastsinn, für den Geruchssinn. Der Verleger Gerhard Steidl ließ von Geza Schön für jene, die Bücher auch deswegen gerne aufschlagen, weil sie so gut riechen, sogar ein Parfum kreieren: "Paper Passion“ - das Parfum für Buchliebhaber, in der Verpackung von Karl Lagerfeld, verbreitet laut Steidl "den einzigartigen Duft frischgedruckter Bücher“.

BuchWien 12

Buchmesse, 22.-25.11.2012, Messe Wien

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