Von der Manipulation zur Komposition

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"Landscape in my Mind": Das Kunstforum in Wien zeigt überwältigende Landschaftsaufnahmen -die zum Teil zu Hause, am Computer gemacht wurden. Die gezeigten Bilder repräsentieren auch eine neue selbstbewusste Fotografen-Generation.

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"Landscape in my Mind": Das Kunstforum in Wien zeigt überwältigende Landschaftsaufnahmen -die zum Teil zu Hause, am Computer gemacht wurden. Die gezeigten Bilder repräsentieren auch eine neue selbstbewusste Fotografen-Generation.

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Wasser, Himmel und Eis. Mehr zeigt dieses Bild nicht. Und mehr benötigt es auch nicht, um uns umgehend zu ergreifen. Wie jedes Bild liefert es bloß eine visuelle Information, doch bei diesem haben wir das Gefühl, dass es auch unsere anderen Sinne anspricht. Wir spüren buchstäblich die Kälte, die von dem Motiv ausgeht. Und meinen absolute Stille zu vernehmen.

"Ilulissat Icefjord 13" heißt dieses Bild, zu sehen ist eine aus dem Meer ragende Eisscholle. Eine großartige Aufnahme, da sie mit minimalem Aufwand, nämlich wenig Bildinformation, große Wirkung erzielt. Gemacht hat sie der deutsche Fotograf Olaf Otto Becker, und sie ist gerade in der Ausstellung "Landscape in my mind. Landschaftsfotografie heute", im Kunstforum Wien, zu sehen. Das Bild hängt genau gegenüber dem Eingang und empfängt gewissermaßen den Besucher.

Ganze Vielfalt unserer Erde

Der Auftakt zu einer "Reise im Kopf"? Führt uns die Ausstellung zu den entlegensten Orten der Welt, die wir in echt wohl nie sehen werden? Ja und nein.

In der Tat bekommt der Besucher die ganze Vielfalt unserer Erde gezeigt. Von einsamen Waldwegen über das Dickicht des Dschungels bis hin zur endlosen Weite der Wüste. Und doch ist diese Ausstellung weit davon entfernt, etwa einem Reisemagazin Konkurrenz machen zu wollen. Ihr geht es nicht darum, pittoreske Bilder zu liefern, eins exotischer als das andere. Das Anliegen ist vergleichsweise nüchtern: Kurator Florian Steininger möchte in erster Linie die breite Palette der aktuellen künstlerischen Landschaftsfotografie vorführen.

Präsentiert werden zum einen jene Fotografen, die ganz klassisch mit ihrer Kamera die Welt bereisen. Zu dieser Spezies gehört etwa Becker. Für seine besagte Aufnahme flog er nach Grönland und legte das letzte Stück, mitsamt seiner Plattenkamera, im Schlauchboot zurück.

Thomas Ruff zeigt, dass es auch anders geht, dass man zu Landschaftsaufnahmen auch kommen kann, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Ihm ist ein eigener Raum gewidmet, in dem unter anderem Aufnahmen vom Mars zu sehen sind. Die hat der Fotokünstler aber nicht etwa mit einem Super-Tele gemacht. Vielmehr arbeitete er mit Vorlagen, die er im Internet fand, auf einer Seite der NASA. Am Computer Farbe hinzugefügt und die Perspektive geändert -und fertig war das eigene Kunstprodukt. Hergestellt ganz ohne Kamera, nur mit Found Footage, mit vorgefundenem Bildmaterial.

Mit seiner Arbeitsweise steht Ruff nicht alleine da. Sonja Braas zeigt den Augenblick einer Sturmflut -tatsächlich handelt es sich hier um die Aufnahme eines im Atelier hergestellten Modells. Julie Monaco zeigt peitschende See -alles Schwarzweiß und alles ausschließlich am Computer generiert. Dies sind überwältigende Aufnahmen - aber eben in gewisser Weise auch Fakes. Würde nicht jeweils die Erklärung daneben stehen, wir würden die Fotos für echt halten, in dem Sinn, dass sie ein Abbild unserer Wirklichkeit liefern.

Manipulation am Bild ist so alt wie die Fotografie selbst. Neu ist allerdings, dass heutige Fotografen keine Scheu kennen, sich offen zu ihr zu bekennen. Wobei sie lieber von Komposition als von Manipulation sprechen. Und lieber von Bild als von Foto.

Neue Definition von Fotografie

Fotografie heißt, wörtlich übersetzt, zeichnen mit Licht. Die Lichtreflexionen der sogenannten Wirklichkeit werden auf ein Trägermaterial gebannt. Von dieser engen Definition werden wir uns verabschieden müssen. Denn die Fotografie ist dabei, mehr zu umfassen, auch Aufnahmen, die ohne Kamera gemacht werden. Wobei der Großteil der Fotografen eine Art Mittelweg wählt, nämlich Aufnahme plus aufwändige Nachbearbeitung, so arbeitet etwa Andreas Gursky. Von ihm stammt eine der teuersten (Landschafts)Aufnahmen -für 4,3 Millionen Dollar wurde sein "Rhein II" in New York versteigert -, in Wien ist er mit "James Bond Island II" vertreten. Die Ausstellung präsentiert eine neue, selbstbewusste Fotografen-Generation, die für sich reklamiert, eigene Bildwelten zu kreieren. So wie die Maler, nur dass sie statt dem Pinsel die Computer-Maus in der Hand haben.

"Landscape in my Mind. Landschaftsfotografie heute" bis 26. April Kunstforum Wien, Täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag bis 21 Uhr, www.kunstforumwien.at

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