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Constant Permeke

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Man erinnert sich nicht, in den letzten lahren in den Wiener Privatgalerien eine ähnlich bedeutende und schöne Ausstellung neuerer Malerei gesehen zu haben wie die Ausstellung der Werke von Constant Permeke, die die G a 1 e r i e W ü r t h 1 e zu den Festwochen zeigt. Gewiß sind es relativ wenige Ölbilder und nur etwa zwanzig Zeichnungen des bedeutendsten der flämischen „Expressionisten“, die hier zu sehen sind, aber aus ihnen wird sofort die Statur, j die europäische Größe dieses Malers klar. Permeke i wurde 1886 in Antwerpen geboren und starb 1952 In Jabbeke. Ein Künstler, dessen Name erst heute die Anerkennung international zu gewinnen beginnt, die er in seiner Heimat schon zu seinen Lebzeiten fand. Äußerlich frappiert die Wandlung von seinen früheren Bildern zum späteren Werk. Die „Ernte in Devonshire“, 1917 in England gemalt, eine farbige Explosion von orgiastischem Rot, Gelb und Rosa, hell und licht, dem Spätwerk William Turners sehr nahestehend, wirkt doch den anderen Bildern gegenüber seltsam unfarbig, so sehr diese auch in ihrer Tonskala reduziert sind. In diesem Bild stößt Permeke bereits vor 43 (dreiundvierzig) Jahren an die Grenzen der Malerei und zum gegenständlichen Expressionismus vor, dem er hier noch immer eine sichtbare Gliederung der Bildfläche und vor allem das Verhältnis zu einer mittelbaren objektiven Gegebenheit voraus hat. In seinem späteren Werk aber ist dann jene epische Größe zu finden, die den arbeitenden Menschen, die Fischer und Bauern seiner Heimat, in die Landschaft einbindet, jene tiefe Humanität und Liebe, die das Verhältnis Permekes zum Dargestellten auszeichnet und die große poetische Kraft, die sich durch ihn verströmt. Von diesen Bildern sind wieder jene am besten, in deren Mittelpunkt nicht allein die menschliche Figur steht, wie etwa „Die Kartoffelernter“ mit dem unglaublich strahlenden gelben Himmel und einer Atmosphäre, die an Claude Lorrain gemahnt, das „Fischerboot“ von der Größe der besten Courbet-Seestücke, doch unpathetischer, und das „Stilleben mit der Melone“. Sie sind malerische Ereignisse, die unmittelbar erschüttern und ergreifen. Die Figurenbilder, so schön und intensiv in ihnen auch stellenweise malerisch verwirklicht wird, das Stilleben im „Kartoffelesser“ zum Beispiel, mit dem herrlichen Laib Brot und der Kaffeeschale leiden unter einem Konzept der menschlichen Figur, das eine subjektive Deformation, die keiner plastischen Vorstellung gehorcht, an die Stelle einheitlich plastischer Gesetze setzt. Aber auch sie sind von jenem tiefen, unpathetischen Ethos erfüllt, das Permeke in seinen Zeichnungen geistig an die Seite van Goghs stellt. Dieses Ethos ist es auch, das ihn durch einen Abgrund vom deutschen Expressionismus trennt, dessen oft nur barbarische Dekorationen in ihrer Morbidität jene Liebe entbehren, die Voraussetzung aller großen Kunst ist. Durch diese .-greifende Ausstellung wird auch deutlich, wie not-, wendig es ist, daß in einer großen lebendigen Tradition geschaffen wird oder der Anschluß an eine solche vollzogen wird. Wer an wenigen überzeugenden Beispielen erleben wijl, was Malerei istj muß diese Ausstellung, besuchen. •

Claus Pack

Gedanken in Bildern

„Wenn der Film eine eigene Kunst mit eigener Ästhetik sein soll, dann hat er sich von allen anderen Künsten zu unterscheiden. Das Spezielle ist das Wesen und die Berechtigung jeder Erscheinung, und das Spezielle ist durch seine Verschiedenheit am besten darzustellen.“ Diesen Einleitungssatz Bela Baläzs zu seinem Buch. „Der sichtbare Mensch“ schienen die Filmvorführungen der IV. Internationalen Filmwissenschaftlichen Woche in Wien als Leitsatz gewählt zu haben. Was die Teilnehmer an dieser Tagung an den Vor- und Nachmittagen und insbesondere allabendlich sehen konnten, war in seiner Konzeption so einmalig und wahrhaft umspannend„ daß der bereitwillig Sehende in diesen sieben Tagen die Geschichte der Kunst des bewegten Bildes und seiner verschiedenartigen Formen und Möglichkeiten wenn schon nicht in all ihrer Ausschöpfung, so doch in ihren Prinzipien erfassen konnte. Vom ersten Versuch, sein eigenes Wesen zu finden und sich vom Dokumentarisch-Theatermäßigen zu lösen, von Paul Wegeners „Student von Prag“ aus dem lahre 1913, über das Experiment der Avantgarde, die „Symphonie einer Großstadt — Berlin“ von Walter Ruttmann durch kontrastierend und wochenschauartig montierte Szenenfolgen zu deuten, über die Kunst der geistreichen Bildkomödie, wie sie Rene Clair in seinem „Gespenst auf Reisen“ in höchster Vollkommenheit geradezu vorexerziert, über den Realismus der Bildsprache, wie sie Jean Renoir in „La Grande Illusion“ zu höchster menschlicher Aussagekraft verdichtet, bis zu dem genialischen Kompendium aller Erkenntnisse, die der Film in 45 Jahren sich erobern konnte, Orson Welles faszinierend-maßlosem „Citizen Kane“, und schließlich zu dem Triumph fernöstlicher, bis ins Letzte verfeinerter Farbkultur, Japans „Ballade vom Narayama“, gab es kaum eines der so vielfaltigen Teilgebiete dieses weltumspannenden Mediums, das nicht behandelt Wurde, dessen Problematik nicht zumindest beleuchtet wurde. Es war ein wahrhaftes Festspiel, dessen Bedeutung für die Wissenschaft, für die Wirtschaft und die Erziehung größer ist als die der vielen, alljährlich stattfindenden, sogenannten „Filmfestspiele“, die in Wirklichkeit nur Filmmessen sind — und als solche, aber nur als solche, ihre Berechtigung haben, was auf einer der drei Forumsdiskussionen ausdrücklich betont wurde.

Um so erstaunlicher und betrüblicher erscheint es, daß gerade die Filmwirtschaft, um deren Belange es in dieser filmwissenschaftlichen Woche, deren Generalthema den Problemen der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten von Film und Fernsehen unterstellt war, in nicht unbeträchtlichem Maße ging, so wenig Notiz von den ihre Probleme betreffenden Veranstalttingen nahm;, man hat den Eindruck, als g'lxsn4tbslliiikIte augenblickliche „Filmkrise“ gar nicht, deren Ursachen aufzudecken sich die bei dieser Veranstaltung eigentlich recht spärlich vertretenen Fachleute ernsthaft bemühten. Und so erscheint es letzten Endes von den am meisten Betroffenen gar nicht ernst gemeint zu sein, wenn bei der Schlußkundgebung von den Tagungsteilnehmern einstimmig eine Entschließung gebilligt wurde, in der neben Steuerfreiheit für das Kulturgut Film auch Maßnahmen zur Bewältigung der Anpassungsschwierigkeiten der Filmwirtschaft durch Intensivierung filmstatistischer und marktforschender Arbeiten gefordert wird. Wie einfach erscheint es doch, der angeblichen Konkurrenz Fernsehen die Schuld dafür in die Schuhe schieben zu wollen, daß das Publikum von der so nachlässig gehandhabten und sich auf verhängnisvollen Irrwegen befindlichen Filmpolitik enttäuscht, den Kinosälen in steigendem Maße den Rücken kehrt; die Filmproduzenten und -Verleiher sollten aus solchen Tagungen wie der Filmwissenschaftlichen Woche in Wien, wo man ernsthaft und zielstrebig bemüht war, in wissenschaftlichem Gespräch auf Grund internationaler Erfahrungen die gerade in dieser Zeit so brennenden und aktuellen Probleme des Massenmediums Film von allen Seiten zu beleuchten, die Lehre ziehen, daß der Film Kulturgut ist, dem man nicht allein mit spekulativen Standpunkten, sondern mit Verantwortungsbewußtsein und Ethik begegnen muß. Goswin Dörfler

Dem Österreicher Heribert Meisel fiel die ehrenvolle Aufgabe zu, einem farbigen Dokimvc'T-film über die Winterolympiade in Squaw Valley die entscheidende Form („in Bild und Ton“) zu geben. Das Ergebnis ist erfreulich: „Menschen — Hoffnungen — Medaillen“ kann sich sehen vnA hören lassen in der großen Tradition der Olympiadefilme, die Leni Riefenstahl einst in der Sommersymphonie 1936 zu einem künstlerischen, seither nicht mehr erreichten Gipfel führte. An dem vorliegenden Film gefällt vor allem die intensive, korrekte Sportlkhkeit — auf künstlerische „Visionen“ oder feuilletonistische Schnörkel wurde fast ganz verzichtet. So treten wie von selbst die großen Skiwettkämpfe, die heute schon sagenhafte Eiskunstlaufkür David Jenkdns' und das rassige, faire Eishockeyspiel Rußland—USA in den Vordergrund. Zeitraffer, Zeitlupe, Nahaufnahmen sind zurückhaltend verwendet; da und dort reißen sie freilich kleine Dramen und Tragödien auf. Der Kommentar ist klar und fachkundig. Österreichs Anteil im Bild ist größer als jemals in einem internationalen Sportfilm — also freuen wir uns doppelt. Hingehen, anschauen!

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