Wenn Mädchen den Haarspray gegen Autolack tauschen

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Die richtige Lehrstelle zu finden, ist für tausende Jugendliche eine frustrierende Suche. Wenn man aber als Mädchen einen bis dato männerdominierten Beruf lernen will, wird es besonders schwierig.

Einmal habe ich nur ein lautes Lachen gehört", erzählt die 17-jährige Nadine. Wieder einmal hatte sie zum Telefonhörer gegriffen, die Nummer eines Tischlereibetriebes gewählt, um sich nach einer eventuell freien Lehrstelle zu erkundigen. Die Antwort kam prompt und war kurz: Sie bestand nur aus Lachen - übersetzt: "Also eine Lehrstelle wollen Sie? Aber Mädel, wenn das ein Witz sein soll, dann war es ein guter."

Die junge Wienerin wollte nicht aufgeben. Hinter ihr lag eine Durststrecke von einem halben Jahr ohne Arbeit, Berufsorientierung und meist auch ohne Antwortschreiben auf ihre zahlreichen Bewerbungen. Also griff Nadine lieber zum Telefon - doch der Chef an der Leitung erleichterte die Suche um kein Bisschen. Wenigstens wusste man gleich, woran man war.

"Eigentlich habe ich immer schon gerne gebastelt", erzählt die selbstbewusst wirkende junge Frau mit dunklem glattem Haar, also wollte sie nach der Hauptschule irgendetwas mit Möbeln tun. Sie begann eine Einzelhandelslehre bei einem großen Einrichtungshaus. Die Lehrstelle klang gut - "Einrichtungsberaterin". Doch außer Regale einschlichten lernte sie nicht viel. Frustriert brach sie die Lehre ab. Über ihren Bruder, der Klaviere transportiert, kam Nadine auf die Idee, Klavierbauerin zu werden - ihr Traumberuf, sagt sie. Es klappte auch mit einer Schnupperwoche. "Der Klavierbauer hätte mich auch ausgebildet, doch er hat einfach nicht das Geld für einen Lehrling", musste Nadine zur Kenntnis nehmen. Und wie weiter?

Intermezzo am Klavier

Anfang September werden viele junge Leute ihre Lehrstellen antreten. Für mindestens 10.000 junge Menschen wird es aber keine geben, rechnet das AMS und versucht diese in einem "Auffangnetz" bestehend aus Lehrwerkstätten und Schulungen aufzufangen oder "zwischenzulagern". Für viele gilt es auch, ihre Berufswahl zu überdenken, und nicht wenige wissen nicht wirklich, was sie tun wollen. Der oft gehörte Slogan "Die Zukunft steht dir offen" wirkt nach zahlreichen Absagen bei der Lehrstellensuche bald wie Ironie. Besonders Mädchen, die keinen typischen "Frauenberuf" - wie Friseurin, Einzelhandelskauffrau oder Bürokauffrau - erlernen wollen, sondern lieber KFZ-Technikerin oder Installateurin, sind noch immer mit vielen Hürden und Vorurteilen konfrontiert, betonen auch die Mitarbeiterinnen von "sprungbrett". Die Beratungsstelle im 15. Wiener Gemeindebezirk konzentriert sich seit nunmehr 20 Jahren auf die Berufsberatung und-begleitung junger Mädchen - mit Schwerpunkt auf technisch-handwerkliche Berufe.

Auch Nadine wandte sich letztendlich an "sprungbrett". Nach den Beratungsgesprächen verfestigte sich bei ihr der Wunsch, eine Tischlerlehre zu machen, um später darauf aufzubauen und vielleicht doch noch Klaviere bauen zu lernen. Zunächst konnte Nadine in einer Lehrwerkstatt ihre Ausbildung beginnen, ab September hat sie eine richtige Lehrstelle, die sie durch Zusammenarbeit von "sprungbrett" mit Betrieben, die Mädchen in Handwerk und Technik ausbilden wollen, gefunden hat. Der Weg dorthin war lang.

Gestiegene Anforderungen

"Es gibt zwar immer mehr Maßnahmen von Regierungsseite, dass Jugendliche eine Lehrausbildung oder wenigstens einen Teil davon machen können. Aber auf betrieblicher Seite hat sich die Situation kaum verbessert", beklagt Anja Götz, Beraterin bei "sprungbrett". "Für die kleinen Betriebe ist es zu teuer, Lehrlinge auszubilden, die großen Unternehmen bilden immer weniger eigenen Nachwuchs aus", fügt ihre Kollegin Renate Wenda hinzu. Wenda leitet Werkstätten und Workshops, in denen junge Mädchen ihre handwerklichen Interessen und Fähigkeiten ausprobieren können. "Die Schere zwischen den Anforderungen der Betriebe und dem, was Jugendliche wollen und an Kenntnissen mitbringen, geht zudem auseinander", sagt Wenda. "Bei manchen Betrieben muss man schon Matura oder gute Computerkenntnisse haben, um eine Lehrstelle zu kriegen." Schlechte Noten oder Migrationshintergrund stellten für viele Lehrstellensuchende zusätzliche Nachteile dar, berichten die Beraterinnen. "Manche Lehrbetriebe sieben gleich aufgrund des Notendurchschnitts aus."

"Hätte mein zukünftiger Chef gleich mein Abschlusszeugnis gesehen, hätte er mich nicht genommen", erzählt Claudia, die einige Vierer im Zeugnis hat. Die junge Frau suchte ebenso Beratung im "sprungbrett", nachdem sie ihre Friseurlehre nach einem Jahr Lehrzeit und langem Zögern abgebrochen hatte. "Zu wenig Geld für viel zu viel Arbeit." Danach folgte ebenso eine Zeit der Suche nach dem richtigen Beruf. Sie besuchte den Berufsorientierungskurs M.I.T (Mädchen in Technik) und machte ein Praktikum in einer KFZ-Werkstatt. Ihr Chef war zunächst wenig begeistert, als das groß gewachsene, schlanke Mädchen mit den langen gelockten Haaren als Schnupperlehrling in seiner Werkstatt auftauchte. "Der hatte keine guten Erfahrungen mit Mädchen", erzählt die 17-jährige Wienerin. Ihre zwei Vorgängerinnen hatten nach kurzer Lehrzeit abgebrochen.

Eine technische Ausbildung war nicht ihr eigentlicher Berufswunsch, aber wider Erwarten freute sich Claudia jeden Morgen, in die Werkstatt zu fahren und zwischen Autos und Benzingeruch an diversen Schrauben zu ziehen. "Ich mache mich gerne dreckig", sagt sie lächelnd. Ab September hat auch sie eine Lehrstelle. Der Chef war von ihr begeistert. "Ich bin auch immer früher gekommen, länger geblieben, und er hat bald gesehen, dass ich keine Angst habe, mich schmutzig zu machen." Als die Kollegen ihren Arbeitseifer bemerkt hatten, wurden sie allmählich weniger ruppig und zeigten sich von der rücksichtsvollen, weichen Seite.

Doch die wirkliche Bewährungsprobe steht beiden Mädchen noch bevor. Nicht selten, dass Mädchen unter Ungleichbehandlung leiden, mehr leisten müssen als die Burschen oder meinen, es tun zu müssen, und Angst haben, sich zu beschweren, weil "es sonst eh jeder gewusst haben will, dass das nichts für sie ist". Umso wichtiger sei die Ausbildungsbegleitung, sagen die Beraterinnen von "sprungbrett".

Dass sie viel Durchsetzungskraft brauchen werden, ist den beiden klar. "Das war und ist ein Lernprozess", meint Claudia. Sie besuchte auch einen Selbstverteidigungskurs im "sprungbrett". "Wir haben dann aus eigener Kraft ein Brett zerschlagen, danach geht es einem sehr gut."

Vorurteile "zerschlagen"

Selbstbewusstsein aufbauen und stärken ist neben der Berufsberatung eine wesentliche Aufgabe der Mädchen-Beratungsstelle. "Wenn zum Beispiel ein Mädchen ein sehr schlechtes Abschlusszeugnis hat, dann geht es vor allem darum, ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Dann rate ich ihr: Überlege dir, wie du deine schlechten Noten so rüberbringen kannst, dass die Firma dich trotzdem interessant findet", erzählt Renate Wenda. "Denn gerade im Handwerkbereich waren einige Chefs selber keine Leuchten in der Schule."

Neben den Noten sind die so genannten "soft skills" für die Unternehmen besonders wichtig, wie eben Zuverlässigkeit, Selbstsicherheit, Team-Fähigkeit oder freundliches Auftreten - etwa am Telefon; kommunikative Fähigkeiten, die so mancher Chef wohl nicht gelernt hat.

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