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Gespenster am Tiber

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Rom, im März

Der neue Präsident der Katholischen Aktion Italiens, Professor Luigi Gedda, hat alle Aussichten, bei der traditionellen Umfrage der großen Wochenzeitungen am Ende des Jahres zum „Mann von 1952“ erklärt zu werden. Seit Wochen ist sein Name in aller Munde, und wenn man es wagen kann, auch nur die nächste Zukunft mit einer Hypothek zu belasten, so dürfte dies noch einige Zeit so bleiben. Am 23. Jänner hat der „Osservatore Romano“ einen Wechsel in der Leitung der Katholischen Aktion Italiens angekündigt: der bisherige Präsident, der Advokat Vittorino Veronese, wurde von Pius XII. zum Sekretär des Ständigen Komitees für die internationalen Kongresse des Laienapostolats ernannt, nnd der Vizepräsident Luigi Gedda rückte an seine Stelle. Das Blatt brachte die Nachricht in unauffälliger Form, als ob es sich um eine nicht allzu wichtige Mitteilung irgendeiner beliebigen Vereinigung handle. Einige Stunden später war alles, was sich in Rom aktiv mit Politik befaßt, alarmiert, in den Parteisekretariaten, in der Wandelhalle des Parlaments, in den Zeitungsredaktionen in Diskussion über diese Ernennung.

Weder die Persönlichkeit Geddas allein, noch die Bedeutung, die der Katholischen Aktion im politischen Leben des Landes zukommt, und nicht einmal die Tatsache, daß man sich inmitten einer heiklen Phase der Vorbereitung der kommenden Gemeindewahlen befindet, können den Eindruck erklären, den die Ernennung hinterlassen hat. Ohne Zweifel hat eine ebenso geschickte wie tendenziöse Propaganda die Gelegenheit wahrgenommen, die politischen Fäden zu verwirren.

Am 25. Mai finden in mehreren tausend Gemeinden Süd- und Mittelitaliens, dazu in den autonomen Gebieten der Provinz Bozen und im Aostatal, die Gemeindewahlen statt. 12 Millionen Wähler von einer Gesamtbevölkerung dieser Gebiete von 18 Millionen werden ihre politische Meinung äußern. Die Christlichdemokratische Partei hat zum letzten Male vor der entscheidenden Kraftprobe der allgemeinen Wahlen im Jahre 1953 Gelegenheit, zu beweisen, daß sie noch die alte Standfestigkeit besitzt. Um dem Druck des sozialkommunistischen Volksblocks begegnen zu können, muß sie bemüht sein, die aufgelöste Koalition mit den kleineren demokratischen Parteien, mit den Republikanern, Liberalen und den gemäßigten Sozialdemokraten, wieder zu finden. Dies zu stören, ist das Interesse des Kommunismus und seiner Verbündeten.

Die Ernennung Geddas erfolgte gerade in dem Augenblick, als die christliche Demokratie die erste Fühlung mit den einstigen Verbündeten herzustellen suchte. Da kamen dem kommunistischen Störungsversuch einige äußere Umstände gelegen. Weil angeblich das Verhältnis zwischen dem bisherigen Präsidenten der Katholischen Aktion and dem Mini sterpräsidenten nicht immer unter einem wolkenlosen Himmel stand, wurde die Version lanciert, der Vatikan habe sich gegen De Gasperi entschieden, bei den kommenden allgemeinen Neuwahlen werde Professor Gedda mit Hilfe der von ihm erfolgreich gegründeten Comi- tati Civic i, den Bürgerkomitees, eine neue, eine katholische Partei aufziehen. Also der „Klerikalismus“ in Reinkultur sei im Anzug. Also eine bangemachende Angelegenheit für die Republikaner, Liberalen und Rechtssozialisten, an die sich zu wenden De Gasperi im Begriffe war. Das zitierte Gespenst sollte die gefürchtete Koalition des 18. April 1948 verhindern helfen. Vielleicht wäre die Taktik der Kommunisten leichter durchschaut worden, wenn die angesprochenen Parteien in ihrer konstitutionellen Schwäche weniqer anfällig wären. Am wenigsten empfindlich erwiesen sich noch die Republikaner, die sich nach Erreichung der Republik mit den Katholiken ausgesöhnt haben. Aber der aus dem Schattenreich zitierte „Klerikalismus’’ übte auf die Liberalen die gewünschte Wirkung aus, und es entspann sich zwischen dem Parteisekretär der DC, Guido Gonella, und der einflußreichen liberalen Tagespresse eine gelehrte geschichtsphilosophische Diskussion über „Laienstaat“ und „konfessionellen Staat , die allerdings jeder realen Grundlage entbehrte.

„Mit euren Protesten , ruft Gonella den Liberalen zu, „werft ihr alte Fragen auf, die längst überwunden sind, und verwirrt dadurch nur die Gemüter der Katholiken. Aber nicht nur die Liberalen und die Gemüter der Katholiken konnten durch das WindmühlengerasseJ verwirrt werden. Auf sozialdemokratischer Seite wurde Sarragat, bloß weil er sich für die Erneuerung der Koalition mit den christlichen Demokraten anläßlich der Gemeindewahlen ausgesprochen hatte, über Bord geworfen. Die Kommunisten aber schickten den Führer der Linkssozialisten Pietro Nenni vor und warben für einen „Laienblock aller „antiklerikalen“ Parteien. Die Karten lagen auf dem Tisch.

Eine nüchterne Betrachtung der Dinge ist am Platz. Die Sensationsjäger haben vergeblich auf politische Äußerungen Geddas gewartet. Seit seiner Ernennung ist er ein einziges Mal vor die Öffentlichkeit getreten, und nur, um in einem Kommentar zu dem Aufruf Pius’ XII. zu einer großen religiösen Erneuerung, ein Grundmotiv dieser letzten Papstrede, die Einigung und Einheit aller Katholiken zu unterstreichen. Der gleiche Ruf zur Eintracht erging aus der Ansprache des Kardinalvikars von Rom und aus den Kanzelpredigten des P. Lombardi. Die gleiche Forderung erhob De Gasperi in seiner ersten Rede nach seiner Rückkehr aus Lissabon. Von keiner katholischen Seite ist jemals eine Andeutung gemacht worden, die auf eine Gegenset z- lichkeit zwischen Christlicfadem kr ati-6ch er Partei und Katholischer Aktion, zwischen Gedda und De Gasperi schließen lassen könnte, vielmehr deutet alles darauf hin, daß die Katholische Aktion ihr moralisches und die „Bürgerkomitees“ ihr politisches Gewicht auch bei den kommenden Wahlen zur Gänze auf die Waagschale der Christlichdemokraten werfen werden.

Die Betrauung Veroneses mit der Führung des Laienapostolats, die zu dem Wechsel in der Leitung der Katholischen Aktion Anlaß gab, bedeutet nicht eine Richtungsänderung der letzteren. Das Sekretariat für die internationalen Kongresse des Laienapostolats ist für die Kirche — der erste Kongreß war zu einem wahren Laienkonzil geworden — von ebensolcher Wichtigkeit wie die Katholische Aktion Italiens. Es war nur natürlich, daß die Leitung des Amtes dem Advokaten Veronese anvertraut wurde, der diesen Kongreß organisiert und die Fäden der internationalen Koordinierung geknüpft hatte.

Es gibt im Vatikan zweifellos auch Männer, die dem Gedanken einer katholischen Partei in Italien nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Aber sie sind zugleich der Meinung, daß diese zweite Partei eben schon von allem Anfang an hätte bestehen sollen. Heute würde sie nur eine absolut zu vermei dende Schwächung der Partei De Gasperis bedeuten. Zweifellos entspricht diese Ansicht auch der Meinung Geddas. Welchen Einfluß immer der neue Leiter der Katholischen Aktion suchen sollte, e r wird immer nur moralischer Art bleiben. Ein Ding ist es, grundsätzliche Kritik zu üben, und ein anderes, der Realitäten der Verhältnisse Herr zu werden. So stehen sowohl De Gasperi wie auch Gedda am richtigen Platz.

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