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Randbemerkungen zur woche

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IN DER MINISTERRATSSITZUNG vom 27. Oktober 1953 brachte Bundeskanzler Raab das Demissionsgesuch des Leiters der Bundestheaterverwaltung, Sektionschet Dr. Egon H i 1-be r t, zur Kenntnis. Die Demission wurde angenommen.

EIN BLICK AUF DAS TIROLER „WAHL-BAROMETER“ zeigt, daß alle jene, die Sensationen oder „Erdrutsche“ erwartet haben, nicht aui ihre Rechnung kommen. Die Barometernadel hält aui „keine wesentliche Aenderung der politischen Großwetterlage“. Die OeVP kann „Stabilisierung“, ja sogar „Aufhellung“ ablesen, die SPOe muß zur Kenntnis nehmen, daß der „Höhepunkt der Schönwetterlage“ überschritten ist, und über den Häuptern der VdU-Anhänger ziehen sich Weiterhin dunkle Wolken zusammen. In der nüchternen Sprache der Politik heißt dies, daß nach den bei Blattschluß vorliegenden Meldungen von den Tiroler Landlag- und Innsbrucker Gemeindciatswahlen, die zusammen den Höhepunkt und zugleich Abschluß der sogenannten „Barometerwahlen“ dieses Herbstes darstellen, die OeVP ihre Positionen behaupten konnte, mehr noch: sie stellenweise sogar gegenüber den Februarwahlen verbesserte. Die Kanditatur einer eigenen, wenn auch gekoppelten Liste des „Arbeiterund Angestelltenbundes“ war höheren Ortes nicht gern gesehen. Dennoch war diesem Experiment dafür, daß es erstmalig durchgeführt wurde, durchwegs kein ungünstiger Erfolg beschieden, und es wird sicher manche Ueberlegungen und Diskussionen in der Tiroler Landesparteileitung der Volkspartel wie in der Wiener Bundesparteileitung zur Folge haben. Die Sozialistische Partei kann gegenüber den letzten Landtagswahlen ebenfalls Stimmengewinne verzeichnen, allein sie hat aus diesem Wahlgang erfahren, daß ihr massiver Vorstoß bei den Februarwahlen, der 70.467 Wähler erreichte, eine Grenze ererreichte, die nicht weiter vorgetrieben werden kann, sondern sogar etwas zurückgenommen werden mußte. Auch der Wettlauf auf den Bürgermeislerstuhl der Stadt Innsbruck — er wurde mit besonderer Anstrengung unternommen — sieht die SP weiterhin als zweite Siegerin mit 37.3 Prozent. Mit 40 Prozent aller gültigen Stimmen hat die VP ihr Recht, weiterhin den Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt zu stellen, erfolgreich verleidigt. Der „Verband der Unabhängigen“ hat, wie erwartet, mit Ausnahme von Innsbruck weiterhin Wähler an die beiden großen Parteien abgeben müssen. • ' -'■ ..*■. '*“ ■*'““- [£“'•; TirFy iSf

DIE ÖSTERREICHISCH-SOWJETISCHEN BEZIEHUNGEN hatten in den letzten Monaten manche Reibfläche verloren. Da kam der Fall des Kriminalbeamten Winterer, der einen Taxichauffeur aus einer anderen Zone unter ialschen Vorspiegelungen dem sowjetischen Element zum Verhör zuführte. Und als gegen jenen „Gesetzesschützer“ von seifen seiner österreichischen Vorgesetzten Schritte unternommen wurden, folgte ein massives Vorgehen der Besatzungsmacht. Der Polizeipräsident von Wien wurde auf die Zen-, tralkommandantur zitiert, wo gegen ihn persönliche Maßnahmen in Aussicht gestellt wurden. Der Polizeipräsident hat sich gut gehalten und — wie das Gesetz, das österreichische Gesetz behehlt — sich ohne Rücksicht auf mögliche Repressalien außerstande erklärt, dem Verlangen der Besatzungsmacht zu entsprechen. Heute ist es der Polizeipräsident, auf den ein persönlicher Druck, der an Deutlichkeit nichts wünschen läßt, ausgeübt wird, morgen kann es wieder irgendein anderer österreichischer Staatsbürger sein ... Noch immer!

DIE STIEFKINDER *DER REPUBLIK, DIE KLEINRENTNER, sind schon so weit in Vergessenheit geraten, daß man vielen heute erst erklären muß, was „Kleinrentner in Wirklichkeit heißt: Das sind Leute, die ihr ehrlich erworbenes Vermögen, ihre Ersparnisse aus der Zeit vor 1914 in der Nachkriegsinllation ohne irgendeine eigene Schuld verloren haben und nach Jahren endlich vom Staat eine sehr geringfügige Entscliädigung erhielten, die heute ebenso entwertet ist wie vieles andere. Die Staatsverwaltung entschloß sich damals, vor ungefähr zwanzig Jahren, die Kleinrentner durch eine Art Altersunterstützung ein wenig zu entschädigen. Die Gesetzgebung der Zweiten Republik knüpfte diese Entschädigung an die Bedingung, daß diese Opfer der staatlichen Geldentweuung neben der Unterstützung — 200 S im Monat und weniger — kein Einkommen haben dürfen, das 400 S übersteigt. Das Ministerium iür soziale Verwaltung hatte eine Zeitlang sogar einen eigenen Kontrollapparat aufgestellt und ließ durch Wohnungsbesuche die Lebensumstände feststellen. Da konnte es vorkommen, daß selbst die so geringfügige Rente eines Tages ohne vorherige Verständigung um die Hallte gekürzt wurde und auf eine Reklamation die Auskunft erfolgte, man habe sich gedacht, der Betreffende könne von seinem Kleinrentnerbezug nicht leben und müsse noch ein anderes Einkommen haben. Wie konnte man wagen, eine solche' Einkommensgrenze festzusetzen, von der man selber einsieht, daß sie unter dem Existenzminimum liegt? Das zuständige Ministerium soll doch eine wahrheitsgetreue Statistik veröffentlichen, wieviel solche Kleinrentner heute überhaupt noch am Leben sind, dann wird man sehen, daß die Kleinrenten im Staatsbudget nicht die geringste Rolle spielen können und es sich nicht lohnt, anständige alte Staatsbürger so zu behandeln. Das andere ist Sache der Volksvertretung.

DIE REGIERUNGSBILDUNG DES ZWEITEN KABINETTS DR. ADENAUER, ließ auf sich warten. Der Bonner Kanzler sah sich einer schwierigen Situation gegenüber: es galt, den Siegesjubel in den eigenen Reihen, zumal der bayerischen CSU, zu dämpfen, die Befürchtungen der bürgerlichen Koalitionspartner hinsichtlich der Einpartei-Bestrebungen zu zerstreuen und ihnen durch eine Erweiterung des Kabinetts einen Riegel vorzuschieben. Da der Finanzministet energisch gegen neue Ministerien Stellung nahm, blieb nur der Ausweg, Ministe? ohne Geschäftsbereich in die Regierung zu berufen, Parleiminister also, die primär Verbindungsmänner zwischen ihrer Partei und dem Kanzler sind. Das Kabinett wurde also von 14 auf 19 Minister erweitert, dennoch gelang es bis zur Regierungserklärung nicht, den heiß umkämpften Stuhl des Postministers zu besetzen. Diese Tatsache, und die andere, unübersehbare — der Kanzler hatte bei der Wahl des Kanzlers im Bundestag nicht die erwartete absolute Mehrheit für seine Person erhalten, ein augenfälliges Zeichen für die Emphndlichkeit der Koalitionspartner (FDP, DP, BHE) —, bestimmten sicherlich den Tonfall der Regierungserklärung, die von der Weltölfentlichkeil mit Spannung erwartet wurde. Maß und Maßhalten, Vorsicht nach innen und außen hin, das ist der Schild der neuen Regierung Adenauer. Der Kanzler bekennt sich zu friedlichen Verhandlungen mit Frankreich (bezüglich der Saar), mit dem Osten, er erneuert seine Anregung, der Sowjetunion ein Sicherheitsabkommen mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft anzubieten und spricht neuerdings von einer Viererkonferenz mit der UdSSR. Ziele des Bonner Bundesstaates sind: Die Vereinigung Deutschlands auf friedlichem Wege. Die Oder-Neiße-Grenze wird entschieden abgelehnt. Für diese Außenpolitik will der Kanzler die Zustimmung der Opposition gewinnen — er er-klärt dies als ein Desiderat seiner Regierungspolitik. Dementsprechend ist seine Erklärung zu werten, die Unabhängigkeit der Gewerk-schallen nicht antasten zu wollen, sowie das Versprechen einer großzügigen Sozialreform und die Förderung des Wohnungsbaues. Diese Regierungserklärung fand ein geteiltes Echo: eine unverhohlene Enttäuschung in gewissen CDU-Kreisen, deren Forderungen gerade auch in konfessioneller Hinsicht in keiner Weise auch nur erwähnt werden, eine gewisse Zustimmung in der bürgerlichen Mitte, und, wie erwartet, die Ablehnung von seifen der allein in der Opposition verbliebenen Sozialdemokraten. Angesichts der nachhaltigen Opposition der Sozialisten und dei sehr labilen Koalition mit den drei übrigen bürgerlichen und rechtsstehenden Parteien dürfte also, der Regierungserklärung entsprechend, der neue Kurs Dr. Adenauers aut absehbare Zeil in wesentlichen Zügen nicht ganz unähnlich dem des englischen Premiers sein,- von dem Doktor Adenauer sonst außenpolitisch stark distan-iiert ist. charakterisiert durch ein geduldiges Erspähen günstiger Chancen und ein vorsichtiges Lavieren mitten innerhalb der Gegensätze von Freunden und Gegnern.

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