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Nationalrat in Pension

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Aufgeschreckt reagierten die Pro- fessionisten der Regierungspartei, als der Vizekanzler und Generalsekretär Withalm im ÖVP-Pressedienst erklärte, die Nationalratsfraktion würde das nächstemal erheblich jünger aussehen und über mehr Fachleute verfügen. Was sollte die Äußerung? War sie nur ein Trick, in der Bevölkerung mehr jugendlichen Optimismus für die ÖVP zu wecken?

Wer den „Eisernen Hermann“ kennt, weiß, daß er nicht allzu leichtfertig Versprechungen abgibt, die er ja irgendwann einlösen muß. Und so war der Schuß vor den Bug der „Faulen" und „Kleber“ in der ÖVP auch Auftakt von „persönlichen Kontakten“, die die Parteispitze nunmehr mit den Parteiobmännern und Landesparteisekretären pflegen wird, um auf die Listen der nächsten Nationalratswahl geeignetere Kandidaten zu setzen.

Withalm hat schon vor der letzten Nationalratswahl ähnliches versucht. Aber praktisch alle Einflußnahmen der Spitze auf die Landeslisten der Kandidaten mißlangen. Des Kanzlers Kabinettschef, Gesandter Dr. Karasek, erreichte trotz massiver Unterstützung keinen aussichtsreichen Listenplatz; Fazit, daß kein außenpolitischer Experte heute der ÖVP im Nationalrat zur Verfügung steht. Und auch Prominentenarzt Prof. Fellinger konnte kein Mandat erhalten; Fazit, daß kein Arzt beziehungsweise Hochschullehrer in der ÖVP-National- ratsfraktion sitzt, worunter Gesundheitspolitik und Hochschulkonkreta leiden.

SPÖ: Die „kleinen" Funktionäre

Nun freilich hat zu ihren internen Schwierigkeiten die ÖVP noch den Nachteil, daß die SPÖ sicherlich bessere Leute 1970 in den Nationalrat schicken wird. Denn Kreisky konnte seinen Delegierten am letzten Parteitag abringen, daß 20 Prozent jjer Delegierten 1970 von der Zentrale nominiert werden — und das wäljen immerhin etwa 15 Mann — schon fast die ganze Regierungsmannschaft.

Kreiskys Sieg (der nicht zuletzt Pittermann entscheidend schwächen soll, weil jetzt die Zentrale Ver- i trauensleute in den Klub senden kann) entfachte allerdings eine ; SPÖ-interne Diskussion über eine : Modifikation des Wahlrechtes, die 1 man schon aufs Eis gelegt hatte.

So konterte Pittermann vor Jour- i nalisten, daß er für ein System der 1 „Zweitlisten“ sei, um zu mehr Fach- 1 leuten zu kommen, die sich nicht i zwischen mehreren Funktionen tei- j len müssen — was vor allem gegen i die Gewerkschafter und Kammer- i beamten gerichtet gewesen sein dürfte. Anderseits könnte eine Erhöhung auf 185 Parlamentarier wieder den Bezirken zu ihren „kleinen“ s Funktionären verhelfen, die eben 2 dann auch wieder im Parlament £ sitzen würden.

ÖVP: Auch Siebzigjährige

Die ÖVP freilich gibt sich beschei- 1 dener: Withalm wäre schon zufrieden, wenn die Bundesparteileitung 1 — sprich Klaus und er selbst — nur ‘ vier oder fünf Kandidaten aufstel- £ Len könnten. Denn auch die Bünde- *- spitzen können dem leidenden Klub- I obmann wenig helfen: Maleta, Sal- 1 finger und Wallner haben selbst s praktisch keinen Einfluß auf die Kandidatenaufstellung, die von den Be- d cirksparteileitungen (was die Nomi- f nierung betrifft) und von den Lan- s desparteileitungen (was die Reihung 8 angeht) getroffen wird.

Überdies leidet die ÖVP darunter, t daß sie keinen „Altersparagraphen“ s besitzt, der einen Parlamentarier zur s Mandatszurücklegung zwingt, wenn j, er ein bestimmtes Alter erreicht hat. . So sitzen Siebzigjährige derzeit noch j immer auf den ÖVP-Bänken, und es ist zweifelhaft, ob die Fünfundsech- zigjährigen in Pension geschickt j werden können.

Von den ÖVP-Abgeordneten wer- t den im Jahre 1970 zahlreiche Promi- I nente 65 Jahre alt sein: etwa ÖGB- j Vizepräsident Altenburger, die Wie- r ner Abgeordneten Gabriele und h Prinke, aber auch Landesparteiob- I mann Hartl und der Gewerkschafts- Sekretär Kabesch; auch Frauenbe- 1 wegungschefin Lola Solar, Gutsbe-sitzer Grundemann-Falkenberg und : der Doyen der Südtirolbewegungen, 1 Kranebitter, sollten ebenso an Nachfolger übergeben wie die beiden Vorarlberger Diplomingenieur Hämmerle und Altbauer Pius Fink. Aus der steiermärkischen Fraktion im Nationalrat sollten Altkanzler Doktor Gorbach (der schon im September dieses Jahres 70 Jahre alt wurde), Bauernbundobmann Wallner und der Abgeordnete Fritz an ihren Abschied denken.

Aber selbst Nationalratspräsident Maleta steht nicht außerhalb der Altersdiskussion: er wird schon im Jänner des ersten Nachwahljahres 55 Jahre alt und eröffnet den Meinungsstreit über jene, die während ier nächsten Legislaturperiode das Pensionsalter erreichen; es sind dies immerhin weitere zehn Abgeordnete.

Würde also die Volkspartel in ihren Behauptungen, eine Partei der Jugend zu sein, konsequent bleiben und nicht einer (sowieso wirkungslosen) Vorverlegung des passiven Wahlalters das Wort reden, die die Jugend sonst al« Augenauswischerei ansieht, würde schon die obligatorische Einführung einer Altersgrenze genügen. Denn wenn ein Staatsbeamter mit 65 zur Untätigkeit qualifiziert wird, sollten die durch das aufreibende politische Geschäft geplagten Nationalratsabgeordneten nicht für sich selbst Privilegien sammeln.

Immerhin: eine Altersbegrenzung würde in den Fraktionen ein Drittel in die Pension schicken.

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