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Reise an die Grenze der Macht

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Rowland Evans und Robert Novak sind zwei Washingtoner Journalisten, die sich niit Fleiß, nüchternem Verstand und so viel Objektivität, wie sie in ihrem Metier möglich ist, in die Spitzengruppe hinaufgearbeitet haben. Im Ausland sind sie vielleicht deswegen nicht so bekannt, weil ihr Feld nicht die Welt, sondern die Innenpolitik ist. Sie haben vor kurzeni ein Buch veröffentlicht, das alle Chancen hat, zu einem Bestseller zu werden. Sein Titel ist „Lyndon B. Johnson. The Exercise of Power“ („Die Ausübung der Macht“).

Ohne ängstliche Rücksicht wird untersucht, wie sehr es den Präsidenten zur Macht drängt und wie geschickt er sie benutzt. Sie behandeln dies heikle Thema so unparteiisch, daß einige Kritiker, wie zum Beispiel ein Rezensent für die „New York Times“, der das Buch als „ein Meisterwerk analytischer und zurückschauender Reportage“ beurteilte, meinen, der Präsident gewänne an Statur. Andere, darunter der Schreiber dieser Zeilen, lesen das Gegenteil heraus.

Das Buch regt nämlich zur Ansicht an, Mr. Johnson sei zwar sehr prinzipienfest, werde aber nur von einem Prinzip geleitet, dem, soviel Macht als irgend möglich anzuhäufen. Es sei zugegeben, daß die Präsidentschaft im allgemeinen nur denen zufällt, die der Macht nicht zimperlich gegenüberstehen. Eisen-hower war die einzige Ausnahme davon in diesem Jahrhundert. Gerade Mr. Johnsons unvergeßlicher Vorgänger war in Anhäufung * und Gebrauch der Macht zähe, dabei aber sehr viel eleganter als der gegenwärtige Präsident.

Evans und Novak bringen keine sensationellen Enthüllungen. Sie gestalten aus Material, das schon anderswo, nicht zuletzt in ihren eigenen Zeitungsspalten, erschien, ein plastisches und einprägsames Bild eines sehr umstrittenen Präsidenten. Schon immer als Mensch umstritten, und, seitdem der con-sensus durch den Krieg in Vietnam in Fetzen liegt, auch in seiner Polittki treck sf* > rfoilSöm )i

Aufschlußreich ist, wie Lyndon B. Johnson seine politische Laufbahn begann. Sein Vater war ein Populist. Die Populisten setzten sich aus kleinen Leuten zusammen, die sich von den großen übers Ohr gehauen fühlten. Sie übten scharfe Kritik am kapitalistischen System, aber nicht so sehr deshalb, weil sie das System an sich anlehnten, sondern weil es einer zu kleinen Gruppe zugute kam. Die „New York Times“ bezeichnete vor vielen Jahren den Populismus als „eine mildere Form des Bolschewismus“, was auf derselben Stufe steht, als wenn man einen Gegner des Krieges in Vietnam als Anhänger Rotchinas bezeichnet. Beiläufig sei erwähnt, daß die Jahre seit dem zweiten Weltkrieg die ersten in der amerikanischen Geschichte sind, in denen keine heftige Kritik am Wirtschaftssystem geäußert wird.

Die politische Atmosphäre des Elternhauses hielt Mr. Johnson als jungen Mann nicht davon ab, zur Macht zu finden. Er wurde Sekretär des nicht gerade fortschrittlichen Kongreßabgeordneten Robert Kleeberg, der Mitinhaber der größten Ranch in den USA war. Jedoch, als das new deal heraufkam und der (im Vergleich zu heute) hungrige junge Mann die Macht dort witterte, wo die ihm in der Jugend eingepflanzten Sympathien - lagen, wurde er zu einem begeisterten New Dealer. 1937 zog er als getreuer Manne Franklin D. Roose-velts in den Kongreß ein. Der Präsident erwies ihm auch besondere Ehre, obwohl sein Stab argwöhnte, daß Johnsons Bewunderung des Präsidenten mehr von dessen Macht und Entschlossenheit als von der Ideologie beeinflußt wurde.

1941 verlor er, als er für den Senat kandidierte, weil die Magie des New Deals in dem von mächtigen Wirtschaftsdnteressen beherrschten Texas nicht mehr wirkte. Obwohl er 1942 wieder in das Repräsentantenhaus gewählt wurde, vergaß er diese Lektion nicht. Nach Roosevelts Tod bemühte er sich, den Erdgas-, öl- und Grundbesitzinteressen seines Staates gefällig zu sein, auch wenn ihn dies in scharfen Gegensatz zu Trumans Programm brachte.

1948 konnte er in den Senat einziehen, aber mit einer Mehrheit von nur 87 Stimmen, was dem so auf sein Prestige bedachten Mann auf Jahre hinaus peinlich war. Um so enger schloß er sich an die Inhaber der wirtschaftlichen Macht an. Als Präsident Truman den von den ölgewaltigen gehaßten Leland Olds dem Senat zur Wiederernennung als Vorsitzenden der FPC (Federal Power Commission) vorschlug, bekämpfte Johnson ihn mit allen Mitteln. Er verdächtigte sogar Olds, mit den Kommunisten zu sympathisieren. Anderseits spielte er unter den Senatoren, die McCarthy das Handwerk legten, eine führende Rolle.

1954 wurde er mit ausreichender Mehrheit wiedergewählt. Als die Demokraten 1956 eine Mehrheit im Senat erwarben, machten sie ihn zum Majoritätsführer. In dieser Stellung mauserte er sich langsam zum Fortschrittlichen. In seinem informativ und stilistisch gleichermaßen hervorragenden Buch über die Kennedy-Präsidentschaft, „A Thousand Days“, schildert Arthur Schlesinger, wie Johnson ihn 1951 zu sich beschied, um sich darüber zu beklagen, daß - die Liberalen ihn nicht als einen der Ihrigen gelten lassen wollten. „Sehen Sie sich doch nur an, für welche Gesetze ich gestimmt habe“, rief er aus. Trotzdem überraschte es viele, als er 1958 für Eisenhoiuers Bürgerrechtsvorlage eintrat.

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