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Wien-Paris im Belvedere: großartige Kunstwerke und ein fahler Beigeschmack.

Eine mit breitem Pinselstrich gemalte farbintensive Landschaft auf der einen Seite, ornamental angeordnete bunte Felder auf der anderen. Ein blumenbekränzter Weg hier, konfrontiert mit nicht minder leuchtenden Blumenbeeten dort. Ein mit feinen Linien skizzierter stehender Frauenkörper neben einer nicht minder zart gezeichneten liegenden Frauendarstellung. Richard Gerstl gegen Vincent van Gogh, Auguste Rodin gegen Gustav Klimt, Claude Monet gegen Olga Wisinger-Florian. Unzählige Male müssen österreichische Künstler und Künstlerinnen in der großen Belvedere-Ausstellung "Wien- Paris. Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne 1880-1960" den Vergleich mit ihren französischen Kollegen aufnehmen. Ein Duell zwischen David und Goliath? Keineswegs. Bei vielen Gegenüberstellungen hält sich die Qualität die Waage. Auch geht es in der Kunst weniger um Kampf als um Dialog: "Die ausländische Kunst soll uns anregen, uns auf uns selbst zu besinnen", forderte der Schriftsteller Hermann Bahr 1898 in "Ver Sacrum", dem publizistischen Organ der Secession.

Wien war Paris ebenbürtig

Wenn man den Blick auf die Beziehung zwischen zwei Kunstmetropolen richtet, dann interessiert der Austausch von Motiven, Stilen, Ausdrucksweisen. "Migration der Form", so einer der meist gebrauchten Aussprüche im heurigen Kunstsommer - im Umlauf gebracht von den Documenta-Machern. Übertragen auf die Wien-Paris-Schau könnte man von "Migrationen der Formen, Themen und Stile" sprechen. Natürlich fragt man bei einem derart vergleichenden Unternehmen, was wo zuerst entwickelt wurde. Schließlich ist Innovation im Kunstgeschehen unumgänglich. Heute passiert der Austausch von Ideen - begünstigt durch die modernen Kommunikationsmedien innerhalb von kürzester Zeit, so dass sich oft nur mehr schwer nachvollziehen lässt, wo eine Kunsttendenz zuerst entstand. Ganz anders war dies zu Zeiten der Renaissance und des Barock, als es noch bis zu hundert Jahre dauern konnte, bis neue Errungenschaften der italienischen Kunst in Österreich aufgegriffen wurden.

Galt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch Rom als der Ort, den man als Künstler bereist haben musste, so etablierte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Paris zum Herzstück der Avantgarde und blieb es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Noch in den 1950er Jahren pilgerten Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Hans Staudacher und Hans Bischoffshausen nach Paris und holten sich dort von gestischen Malern wie Georges Mathieu entscheidende Inspirationen für ihre abstrakte, informelle Malerei. Erst in den 70er Jahren und seit dem Aufkommen von Kunstrichtungen wie der Pop Art verlor die französische Metropole ihre Vormachtsstellung an New York.

Die Schau, die passenderweise in den Räumen des Unteren Belvedere stattfindet, also jenem Ort, an dem vor etwas mehr als hundert Jahren die "Moderne Galerie" eröffnet wurde, setzt zeitlich im Jahr 1880 an. Sie beginnt mit jener Epoche, in der der Rezeptionsprozess durch Kunsthandel, Ausstellung und Presse immer schneller vor sich ging und Parisaufenthalte zum Muss für österreichische Maler wurden. Zunächst waren es die Freilichtmaler der Schule von Barbizon, der Impressionismus und der Pointillismus, die archaisch-unkonventionelle Malerei eines Gauguin oder der dynamische Strich eines Vincent van Gogh, die der österreichischen Moderne neben dem belgischen Symbolismus und dem deutschen Expressionismus auf die Sprünge halfen. Auch die analytische Kunst eines Paul Cézanne, der Kubismus und der Surrealismus erwiesen sich als einflussreiche Inspirationsquellen.

Werke in neuem Licht

In dem von Agnes Husslein-Arco, ihrem Cousin Matthias Boeckl und Belvedere-Kurator Franz Smola kuratierten Rundgang wird diese Beziehung in 15 Kapiteln anhand von 320 Exponaten eindrucksvoll vor Augen geführt, wobei vor allem die Zeit vor 1945 durch hochkarätige Leihgaben, darunter auch Meisterwerke aus dem Musée d'Orsay, und meist überzeugenden Gegenüberstellungen beeindruckt. Durch die Konfrontation von Bildern unterschiedlicher Kunstregionen erscheint so manch bekanntes Werk in einem neuen Licht.

Besonders gelungen erscheinen die Präsentationen der österreichischen Malerinnen Helene von Taussig und Helene Funke, die sehr früh beeinflusst durch die farbintensive fauvistische Malerei von Henri Matisse und Maurice de Vlaminck zu einem Stil fanden, der zwar die Auseinandersetzung mit diesen Avantgardisten spiegelt, aber allein schon durch die Themen und den weiblichen Blickwinkel vollkommen eigenständig und unverkennbar erscheint.

Gegen Ende des sinnlich-farbenfrohen Parcours ist man von den vielen doch sehr formal ausgerichteten Konfrontationen bereits ein wenig ermüdet und man hätte sich mitunter auch eine kulturhistorische Einbettung gewünscht, die nicht nur die Parallelen, sondern auch die Differenzen zwischen Wien und Paris stärker herausarbeitet. Ein Aspekt, der in dem fundierten Katalog sehr wohl zur Sprache kommt.

Einen fahlen Beigeschmack erhielt die ausgesprochen sehenswerte Schau in Zusammenhang mit ihrer Genese. So wollte Agnes Husslein-Arco dieses Thema ursprünglich im Salzburger Museum der Moderne unter dem Titel "Affaires Modernes. Austrofranzösische Kunstbeziehungen 1880-1960" zeigen. Zur Realisierung der Ausstellung, die beinahe schon fix und fertig war, kam es nicht mehr. Stattdessen findet die Schau nun im Belvedere statt, freilich mit teilweise anderen Werken und einem modifizierten Katalog.

Auf der Strecke blieb dabei der Kunsthistoriker Christian Huemer, der gemeinsam mit Matthias Boeckl und Agnes Husslein-Arco zwei Jahre lang an dem Salzburger Ausstellungskonzept gearbeitet hat, jetzt aber bei der Belvedere-Schau nicht mehr mit im Boot ist. Huemer, enttäuscht über die Vorgangsweise, wandte sich wegen "Verletzung der Urheberrechte" an die Volksanwaltschaft. Die Direktorin des Belvedere will von derartigen Vorwürfen natürlich nichts wissen. Die Idee sei von ihr und Kurator Matthias Boeckl und gehe auf das Jahr 2003 zurück, außerdem handle es sich nicht um dasselbe Projekt, meinte sie bei der Pressekonferenz im Zuge der Eröffnung.

Wien-Paris

Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne 1880-1960

Unteres Belvedere, Orangerie

Rennweg 6, 1030 Wien

Bis 13. 1. 2008 tägl. 10-18 Uhr,

Mi 10-21 Uhr.

Katalog hg. von Agnes Husslein-Arco, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2007, 424 Seiten, € 29,-

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