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Der Maler Philipp Schumacher

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Der Tiroler Maler Philipp Schumacher, dessen Todestag sich am 21. Oktober zum zehnten Male jährt, war in der Heimat, besonders bei der jüngeren Generation, beinahe ein Unbekannter. Das rührte nicht zum geringsten Teil von einer übergroßen Bescheidenheit des Künstlers her, dem jede Art von Lobeserhebung zuwider war. Noch mehr schuld daran war jedoch das jahrelange Schaffen fern der engeren Heimat Tirol.

Philipp Schumacher, gebürtiger Innsbrucker, studierte an der Wiener Akademie zunächst vier Jahre in der sogenannten „allgemeinen Malerschule“ unter Griepenkerl und Berger, dann in der Meisterklasse für religiöse Historienmalerei von Professor Josef Matthias v. Trenkwald. Trenkwald war einer der letzten Ausläufer der damals allgemein als Vorbild für religiöse Kunst angesehenen Nazarener, mit deren Vertretern er während eines fünfjährigen Aufenthaltes in Rom noch im Verkehr gestanden war. 1873 war er zum Nachfolger Führichs an der Wiener Akademie erkoren worden. Die sorgsame Führung durch ihn wurde zunächst entscheidend für die Ausbildung Schumachers. Hier holte er sich besonders seine große Sicherheit in der Zeichnung und Komposition. Nun ging's nach Italien, wo der Maler in der Ewigen Stadt durch fünf Jahre, von 1895 bis 1900, Aufenthalt nahm. In diese „italienische“ Zeit fällt auch das einzige größere Werk, mit dem Philipp Schumacher in seiner Vaterstadt Innsbruck vertreten ist: der Entwurf zum Mosaikbild an der Fassade der Dreiheiligenkirche.

In Rom bildete sich gerade damals (1895) ein Künstlerkreis, die sogenannte „Künstlerzunft“, die den nach Rom kommenden Künstlern einen Mittelpunkt bieten wollte, in dem sie nach jeder Richtung hin durch gegenseitigen Austausch von Ideen angeregt würden. Die Sitzungen fanden alle vierzehn Tage in der Anima statt; ebensooft traf man sich in den Studios der einzelnen Mitglieder. Protektor war Rektor N a g 1 (der spätere Kardinal); die Seele des Kreises aber war Professor Ludwig S e i t z, der sich sehr der jungen Künstler annahm. Immer wieder betonte er, man soll die alten Meister studieren und dem Geiste nach erfassen, aber nicht imitieren. Es weilten dort Wilhelm v. W ö r n d 1 e (der Sohn Edmunds), der Bildhauer Ignaz W e i-r i c h, Architekt v. S t a d 1, K. S c h 1 e i b-n e r und viele andere. Häufig kamen auch hin der alte Franz Rohden, der noch Overbeck uhd die Nazarener gekannt hatte, und S o 1 d a t i z, ein Schüler Führichs. So bestanden auch in Rom noch Verbindungsfäden zur Tradition der Nazarener. Trotzdem hatte Philipp Schumacher sein eigenes Italienerlebnis, eine neue Welt ging ihm auf, und er gesteht selbst, daß er seiner Schulrichtung lange nicht mehr das frühere Interesse entgegenbrachte. Auch der Verkehr mit Nichtkünstlern brachte Förderung. So mit unserem Heimatdichter Bruder W i 11 r a m oder mit Prälat d e Waal, mit Msgr. Wilpert, der sein berühmtes Werk über die römischen Mosaiken vorbereitete, oder mit Mon-signore Baumgarten, der unseren Maler für die Illustration seines drei-'] bändigen Prachtwerkes „Die katholische Kirche uns.erer Zeit“ gewann und ihn so auf ein Gebiet wies, auf dem er fürder-hin wohl seine größten Erfolge erringen sollte.

Denn als der Künstler auf Vorschlag seines Verlegers 1900 nach Berlin übersiedelt war, entstand dort in rascher Folge ein halbes Hundert Aquarelle für ein religiöses Bilderwerk, „Das Leben Jesu“ (1902), dem später (1910) ebenso viele Vorlagen für ein „Leben Maria“ folgten. Hier war Schumacher nun ganz in seinem Element. Seine frommgläubige, oft neuartige Auffassung biblischer Szenen, seine sprühende, echt deutsche Phanlasiekraft schufen, freilich nicht immer gleichwertige, oft auch zu grell reproduziert? Blätter von eindrucksvoller Wirkung. Ein frischer Zug über die Nazarener hinaus ist jedoch unverkennbar, ein starker Schritt zur Lebenswahrheit, zu einem gemäßigten Realismus ohne jede verletzende naturalistische Schärfe, zu einer Charakteristik im Dienste einer vertieften religiösen Auffassung.

Viel ist im Lauf der Jahre an Illustrationen noch in die weite Welt hinausgegangen: Zeichnungen zur Ecker-Bibel; Bilder zur Kleinen bayrischen Schulbibel, die dann in Vergrößerung (wobei die Sicherheit in der Zeichnung zutage trat) als biblische Wandbilder große Verbreitung fanden; dann die Bilder zur Herder-Bibel, zum österreichischen Religionsbüchlein und zum bayrischen Religionsbüchlein, die, in fremde Sprachen übersetzt, Schumachers Illustrationen überall bekannt machten. In diesen Bibelbildern geht er leichtverständlich auf die Psyche des Betrachters ein. Wie Ludwig Richter, an den er manchmal in der häuslichen Schilderei erinnert, eignete ihm ein pädagogisch liebevolles Talent. In diesen Illustrationen hat er für jung und alt religiöse Vorstellungen und Bilder auf lange Zeit hinaus geprägt. Hierin liegt wohl der Kern seines Lebenswerkes.

In Berlin war Philipp Schumacher durch Richard v. K r a 1 i k in einen Künstlerkreis, „Jungbrunnen“, eingeführt worden, durcH den er in den „Bund der Illustratoren“ und in der Folge in den „Verein Berliner Künstler“ aufgenommen wurde. Sein Name war bekannt geworden. Es erfolgte ein Auftrag zu einem Kreuzweg für die Matthiaskirche in Berlin, der ihn zur großen Befriedigung vom Zeichentisch wieder zur Staffelei führte. Er vollendete diese Stationen, denen noch viele andere, so für Bad Driburg in Westfalen (1929), für Steinheim i. W. (1931), zuletzt für die Münchener Christkönigskirche (1933/34), folgten. In München war er und die frohe Schar seiner Kinder der Heimat, mit der ihn so vieles verband, näher. Hier auch verflossen ihm die fruchtbarsten Jahre seines künstlerischen Schaffens. Er trat in den Kreis der Künstler in der 1893 gegründeten „Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst“, also in den Verkehr mit Meistern, wie Professor Martin v. Feuerstein, Gebhard Fugel, Georg Busch, Balthasar Schmitt, Matthäus S c h i e s 11, Joseph Hub er-Feldkirch, August P ach er u. a., und kam später in die „Münchner Künstlergenossenschaft“. Immer zahlreicher erfolgten Aufträge für Altargemälde, für Kriegsgedächtnisbilder und für ganze Kirchenausmalungen, vornehmlich in Westfalen, aber auch in seiner Tiroler Heimat.

Philipp Schumachers Kunst war nicht kompliziert, er selbst kein Revolutionär, der gewaltsam Neues suchte um des Neuen willen. Er baute auf dem Alten, das er studiert hatte, auf und führte es weiter. Es wäre ungerecht und geschichtlich falsch, seine Kunstübung, die aus anderen, älteren Quellen gespeist wurde, etwa gegen Werke generationsjüngerer Künstler abzuwägen oder gar auszuspielen. Zweifellos aber war der Künstler mit Erfolg bemüht, auch die Entwicklung von heute zu verstehen. Kurz vor seinem Tode schrieb mir der Meister einmal aus München: „Wenn ich heute Rückblick halte auf all die Jahre meines Schaffens und wie sich alles gefügt hat, so habe ich nur das eine Gefühl des innigsten Dankes an den lieben Gott, daß er mir die Gnade gab, so vieles mit meinen schwachen Händen hervorzubringen.“

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