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Gehen Sie in Galerien oder Museen?

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Samstag vormittag in der Grazer Altstadt. Treffpunkt: Galerie Moser. Man kommt zufällig vorbei, wirft einen Blick durch das Glasportal und steht im nächsten Augenblick drinnen. Wegen der Bilder, vielleicht auch wegen eines bekannten Gesichtes, das man erspäht hat. Schließlich sind immer dieselben Leute am Samstag „zufällig” hier.

Es fällt hier leicht, sich zugehörig zu fühlen zu einem Kreis Kunstsinniger, Kunstverständiger. Weil „Ansprechendes” geboten wird, das auch dem ungeübten Betrachter, dem Nicht-Experten, zugänglich ist. „Wir verfolgen eine traditionelle Linie mit modernen Aspekten”, umreißt Geschäftsführer Andreas Lendl die Fir-\ menphilosophie, die nicht nur zum Schauen, sondern vor allem auch zum Kaufen anregen soll. Und der „Durchschnittskunde” kauft nun einmal „schöne” Bilder. „Am liebsten Aquarelle, vor allem Blumen oder Landschaften.” Letztere, weil sie „den Raum erweitern”, weil sie „wie ein zusätzliches Fenster” wirken.

Der „Durchschnittskunde” gehört zur Mittelschicht, ist weder Sammler noch Kunstexperte. Qualität erfaßt er eher emotional-intuitiv, dabei aber, so Lendl, mit einiger Treffsicherheit. Erschwingliche Originale werden mehr geschätzt als Reproduktionen, klassische Meisterwerke lieber beim Durchblättern eines Kunstbandes betrachtet als in Sparversion an der eigenen Wohnzimmerwand. Nach wie vor wird, wie der Wiener Galeriebesitzer Rudolf Otto feststellt, figurative Malerei bevorzugt: „Die Umsätze mit traditioneller Kunst sind eindeutig höher als mit Avantgarde.”

Zwar kauft der Durchschnittskunde heute, dank Sparpaket, seltener und weniger spontan als noch vor einigen Jahren; er bildet aber die größte Zielgruppe des Kunsthandels. Die „klassischen Sammler” dagegen -diejenigen, die von Auktion zu Auktion Jetten und für die Geld keine Rolle spielt - werden weniger. Der Run auf Werke des 19 Jahrhunderts, noch vor wenigen Jahren die begehrtesten Sammelobjekte, hat spürbar nachgelassen. „Wirkliche Spitzenpreise werden nur noch mit ganz außergewöhnlichen Stücken erzielt”, berichtet Otto Hans Ressler, Geschäftsführer der „Wiener Kunst Auktionen GmbH”.

Sparsamkeit ist nicht der Grund dafür - das Sparpaket ist an diesen Kunden spurlos vorübergegangen. Aber der Markt ist gesättigt,. „die Sammler haben volle Wände.” Auch das Angebot wird immer schmäler, denn kaum ein „klassischer Sammler” ist bereit, sich von seinen Kunstschätzen wieder zu trennen.

Sorgen ums Geschäft macht sich Ressler dennoch nicht: „Werke des 20. Jahrhunderts werden zum neuen, großen Sammeltrend.” Vor allem Bilder aus der Zwischenkriegszeit, aber auch zeitgenössische Kunst finden bei der „jungen Sammlergeneration” Anklang. 120 Millionen Schilling jährlich setzt das Wiener Auktionshaus um, davon 80 Prozent mit inländischen Kunden. Auch das Doro-theum hat, so Sprecherin Michaela Strebl, „überwiegend inländisches Publikum”. „Kunst und Sammelthemen” brachten dem Wiener Doro-theum im Vorjahr insgesamt 588 Millionen ein, davon allein rund 300 Millionen die Kunstsonderauktionen im Kunstpalais. Der Betrag, den die Österreicher insgesamt jährlich für Kunst ausgeben, liegt nach Otto Hans Besslers Schätzung „jenseits der Milliardengrenze, aber nicht über 1,5 Milliarden”.

Genaue Daten fehlen, weil Galerien und Kunsthändler ihre Umsätze wie ein Staatsgeheimnis hüten. Nur soviel steht fest: Allein in Wien gibt es 250 moderne Galerien und 450 Geschäfte für „Antikes”, und alle können von der Kunstbegeisterung der Menschen mehr oder weniger gut leben.

Die Wiener Händler repräsentieren rund 50 Prozent des österreichischen Kunstmarktes - was einmal mehr die starke Ungleichvertpilung des Kunst-1 und Kulturangebotes innerhalb Österreichs deutlich macht. Nicht erfaßt sind dabei regionale Märkte, die Künstler sich durch Eigeninitiative geschaffen haben. Viele Maler sind auf „ihr eigenes Publikum” Bekanntenkreis und Mundpropaganda-angewiesen, da die Ausstellungsmöglichkeiten in Galerien von vornherein beschränkt sind. Bei Interessenten für zeitgenössische Kunst sind solche „Geheimtips” durchaus gefragt.

Die tatsächliche Begegnung zwischen Künstlern und Publikum ereignet sich meist abgekoppelt von der „großen Ausstellungswelt”. Gerade diese Ausstellungswelt ist es anderseits, durch die breite Bevölkerungs-schichten Zugang zur bildenden Kunst bekommen. Auch hier sind Daten rar.

Die „geringe Bereitschaft zu qualitativen Publikumsbefragungen, wie sie in anderen Ländern selbstverständlich sind”, kritisiert in diesem Zusammenhang Renate Goebl, Leiterin des Institutes für Kulturwissenschaft in Wien. Feststellbar ist immerhin, daß bildende Kunst von der Bevölkerung überdurchschnittlich, stark wahrgenommen wird. Während die Zahl der Österreicher, die zumindest einmal jährlich ein Musiktheater besuchten, laut IFES-Umfrage zwischen 1972 und 1989 von 17 auf nur 21 Prozent anstieg, erhöhte sich der Anteil der Museums- und Ausstellungsbesucher im selben Zeitraum von 20 auf 48 Prozent.

Der Museumsbesuch ist dabei nach wie vor eher eine Urlaubsaktivität. Für das, was „immer da ist”, nimmt sich selbst der Kunstinteressierte in seinem Heimatort selten Zeit. Hier locken vor allem zugkräftige „Events”, wie sie etwa das „Kunstforum” in Wien bietet; entsprechend groß ist dort der Zustrom von Indivi-dualbesuchern aller Altersgruppen. Pressesprecher Christian Bauer: „Die Tatsache, daß eine bestimmte Ausstellung jetzt zu sehen ist und dann vielleicht nie mehr wieder, motiviert zum Hingehen.”

Wenn auch Kultur für nur rund 17 Prozent der Bevölkerung das „bevorzugte Interessengebiet” ist, so wollen doch immer mehr Menschen, auch abseits der „Bildungseliten”, zumindest über besondere Highlights „mitreden können”.

Was aber zugleich deutlich macht, wie sehr „durchgesetzte Werte”, festgeschriebene ästhetische Normen das kulturelle Bewußtsein prägen. Selbst das vorwiegend junge, aufgeschlossene Publikum der „Kunsthalle Wien”, die auf Zeitgenössisches und Klassische Moderne spezialisiert ist, zeigt -so Pressesprecherin Dietlinde Bügelmayer - „bei sehr extravaganten Projekten wenig Resonanz”.

Der Grund liegt vor allem im Informationsdefizit. Untersuchungen von „AKKU”, dem „Verein für aktuelle Kunst, Theorie und Vermittlung”, bestätigen: Es gibt einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Kompetenz und Akzeptanz. Im Klartext: Angenommen wird, was dem Publikum bereits ein Begriff ist. Und da selbst von den Kunstinteressierten nur zehn bis fünfzehn Prozent über breit gestreute Kenntnisse verfügen, hat Unkonventionelles wenig Marktchancen. „Dies, obwohl viele der neuen Produktionen weit näher an der heutigen Lebensrealität sind als etwa ein Bild von Kokoschka”, wie AKKU-Sprecher Kurt Kladler zu bedenken gibt.

Offen bleibt dabei allerdings, ob es wirklich die „Lebensrealität” ist, die Kunstinteressierte in Bildern und Kunstgegenständen wiederfinden wollen. Beantworten ließe sich auch das nur durch intensive „Marktforschung” - und hier besteht, wie festgestellt, in Österreich einiger Nachholbedarf.

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