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Die Wiener Werkstätte verdankte seinem Können, seiner Phantasie, seinem hervorragenden Geschmack ihre Gründung, entscheidende Anregungen, ja ihre Entfaltung zu einer der bedeutendsten europäischen Zentren modernen Kunsthandwerks. Kolo Moser, mit Josef Hoffmann und Dagobert Peche einer der profiliertesten österreichischen Designer, wurde vor hundert Jahren in Wien geboren und starb hier vor genau, fünfzig, am 18. Oktober. Zu Unrecht gerieten seine meisterhaften, elegant geformten Gebrauchsgegenstände aus Silber, Gold, Leder, seine kühnen Möbel, ja sogar seine Gemälde und graphischen Arbeiten in Vergessenheit. Die Generation zwischen den beiden Weltkriegen und besonders die nach 1945 war wenig empfänglich für kostbare, von prä- ziösem Geschmack bestimmte Accessoires, die im Grund ein luxuriöses Leben in einer dementsprechenden Umwelt voraussetzten und auf Großzügigkeit, Savoir vivre, raffinierte Lebenskultur zugeschnitten waren. Daß nicht zuletzt dank Mosers Initiative das Wiener Kunsthandwerk internationalen Ruf erlangte, daß Moser entscheidende Vorarbeit für die moderne, in der Folgezeit jedoch dann wieder stark verfallene Wohnkultur geleistet hat, übersah man nur zu gern. Und nun, da Anlaß genug wäre, seiner und seines umfangreichen CEuvres zu gedenken, fand sich nur eine kleine Wiener Privatgalerie, Manfred Scheers Galerie am Getreidemarkt 10, hier in die Bresche zu springen, mit einer bis 15. Dezember zugänglichen Ausstellung der wichtigsten Gemälde Kolo Mosers auf ihn erneut aufmerksam zu machen.

Er ist nur knapp fünfzig Jahre alt geworden: in Wien geboren, hier gestorben. Vielleicht war es für ihn schicksalhaft, daß er diese Stadt so sehr liebte und nur ungern verließ, um sich „draußen” internationalen Ruhm zu holen. „Studierte an der Akademie d hildendetTKiftfete Vöri IWW’ 1892, W der Kunstgewerbeschule von 1892 bis 1895. Gründungsmitglied der Wiener „Secession , die er mit der Klimtgruppe 1905 verläßt. 1903 Mitbegründer der .Wiener Werkstätten Von 1900 bis 1918 Professor an der Kunstgewerbeschule in Wien”: Dies sind die nüchternen lexikalischen Angaben über Kolo — mit Taufnamen Koloman — Moser, einen der wichtigsten Anreger und Begründer des Kunsthandwerks und Künstler — und dies in erster Line —, über eine der dominierenden Persönlichkeiten des Wiener Jugendstils und dessen Nachfolge. Moser ist aus all den Entwicklungen und Tendenzen, die sich seit etwa 1895 in Wien anbahnten und entfalteten, kaum wegzudenken.

Als Arthur von Scala sein Aktionsprogramm zu realisieren begann, das ausschließlich der Reform und dem Fortschritt des Kunsthandwerks im Sinne der Zeit gewidmet war, wurden Kleinkünste und Kunsthandwerk durch die Bedeutung des österreichischen Museums für Kunst und Industrie schlagartig aufgewertet. Kolo Moser war mit unter den prominenten jungen Lehrern, die 1899 an Stelle der alten berufen wunden: Es waren die Seces- sionisten Felician Freiherr von Myr- bach, Josef Hoffmann, Alfred Roller und Arthur Strasser. Wien hatte damit den Durchbruch zur Moderne auf allen Sektoren des Kunsthandwerks vollzogen. Gerade an entscheidenden Ausstellungen, wie der berühmt gewordenen achten im Spätherbst des Jahres 1901, wirkte Kolo Moser gemeinsam mit Hoffmann geradezu segensreich: Diese Exposition präsentierte auf Initiative Hoffmanns und Myrbachs eine „Übersicht über das ganze moderne Kunstgewerbe. Es wäre der Mühe wert, in Wien einmal wirklich das echte englische Kunstgewerbe zu zeigen, es würde dem Museum einen harten Schlag versetzen. Hier hatte man doch nur entweder die altenglischen Sachen oder die englische Exportware gesehen”. Soweit Hoffmann im Frühjahr 1900 in einem Brief an Myrbach. Tatsächlich wollten Hoffmann und Moser damit dem Entwertungsprozeß entgegenwirken, dem die eleganten Formen des Wiener Secessionsstils anheimflelen, als sich Möbelfabrikanten, Gewerbetreibende und mindere Dekorateure ihrer bemächtigten.

Nun, die Ausstellung wirkte auf Wiens Publikum, das sich damals von Kunst und Kunßtegwerbe noch Sszinieren Meß ;und!Jąn ‘allen Er- gnissen leidenscWdffifteh’’’”Anteft- nahm, unbeschreiblich: Neben der eleganten Möbelkunst eines Otto Wagner, Josef Hoffmann und Kolo Moser sollen die Kreationen der Ausländer wie Ashbee wie „Schwarzbrot nach einem lukullischen Menü” gewirkt haben, „als kämen sie von einem viereckigen Planeten, der von vierschrötigen Bauern bewohnt ist. Alles ist aufrecht, rechtwinkelig, neunziggradig, englisches Biedermeier, einfach, tüchtig, schwerfällig”. Die Glas-

gower Gruppe, also das Ehepaar Mackintosh-MacDonald, zeigte weiße Tapeten mit schwarzen Möbeln, mit „einzelnen plötzlichen Gevierten von bunt losgehender Ornamentik, nicht unähnlich dem sogenannten fEįrettl-Stir eines looser und ficranann”. Jedenfalls kauHe iman Historiograph der Wiener Werkstätte und einer ihrer besten Kenner, Wilhelm Mrazek, heute Direktor des Museums für angewandte Kunst, zu berichten weiß, mit Begeisterung: „Allen voran der Unter- richtsminister Hartei, der ein Buffet von Kolo Moser erwarb. Unter den Interessenten war auch Fritz Wärn- dorfer, ein Wiener Kaufmann, der für seine Währinger Cottagewohnung ein Musikzimmer bei Mackintosh in Auftrag gab, das zusammen mit einem Speisezimmer Hoffmanns eine Wiener Sehenswürdigkeit werden sollte.”

Jedenfalls wuchs aus der Begegnung Kolo Mosers und Hoffmanns mit dem schottischen Künstlerehepaar und mit Ashbee eine wertvolle Idee: Hoffmann lernte in London das „Werkstättenprinzip” Ashbees kennen, das für sein späteres Schaffen entscheidend wurde. Moser, der in dieser Zeit gemeinsam mit Hoffmann schon ganz im Sinne einer Reform des Kunsthandwerks eine Villenkolonie auf der Hohen Warte entwarf, neigte sich damals bereits unter dem Einfluß Ashbees und Mackintoshs strengen geometrischen Formen zu, bevorzugte Geradlinigkeit mit kubistischen Formtendenzen von architektonischem Habitus, konstruktiver Zweckgerichtetheit und ornamentaler Sachlichkeit und Schlichtheit. Die sensitiv gespannte, mondän-aparte, secessionistische Linienführung von 1900 wurde, wie Mrazek feststellt, durch das geometrische Flächenmuster ersetzt: „In diesen Räumen und Interieurs war alles von der strengsten Einheitlichkeit, vom Blumenkübel und Treppengeländer über die Möbel bis zu den Teppichen, Wändtapeten und dem Kleingerät, für das Kolo Mosers unerschöpfliche Phantasie und stilisierend-ihythmisierende Hand immer neue Formen erfand” (Mrazek).

Durch die Gründung der Wiener Werkstätte vollzog sich im Mai des Jahres 1903 der entscheidende Schritt zur Wiedergeburt des Wiener Kunsthandwerks, das in den folgenden Jahren dank dieser Institution Weltruf erlangte und den Ruf exquisitester Gestaltung jedes Objekts nach praktischen Grundsätzen und aus edelsten Materialien. Bankier Wärndorfer, mit Kolo Moser und Hoffmann befreundet, erfuhr von Moser über dessen Ideen einer Werkstättengemeinschaft von Künstlern und Handwerkern, wie sie schon früher Ashbee verwirklicht hatte. Wärndorfer war damals sofort bereit, das Anfangskapital bei- zusteuem, und bereits im Juni 1903 wurde die „Wiener Werkstätte-Produktions-Gemeinschaft von Kunsthandwerkern in Wien” gegründet. Wärndorfer leitete das Unternehmen kommerziell, Hoffmann und Moser künstlerisch. 1905 erschien eine Broschüre, in der angekündigt wurde, was die Wiener Werkstätte alles zu bieten hatte: Gold- und Silberwaren, Metallgegenstände, Bucheinbände, Lederarbeiten, Einrichtungen, den Bau von Häusern usw. Das doppelte W wurde bald zum geschützten Firmenmonogramm, Moser und Hoffmann hatten eigene Monogramme, ebenso die ausführenden Meister und Handwerker. Die unmittelbar darauffolgende Spaltung im Kreis der Künstler der Secession führte zum Austritt Klimts, Mosers, Otto Wagners, Emil Orliks, Alfred Rollers, Carl Molls, Hoffmanns und vieler anderer. Vor allem das Ausscheiden Mosers und Hoffmanns beraubte die Secession ihrer repräsentativsten Wortführer: Sie hatte damit endgültig ihre führende Position im Wiener Kunstleben eingebüßt.

Allerdings blieb es zuletzt der Werkstätte dank Hoffmanns und Mosers Einsichtigkeit Vorbehalten, das Kunsthandwerk schlechthin zu repräsentieren, da das Museum keinesfalls Interessen der Großindustrie und des Gewerbes fördern wollte. Der Werkstätte blieb daher die Anerkennung und Unterstützung des reforminteressierten intellektuellen Großbürgertums Vorbehalten. Die Wiener Werkstätte erlangte damals Weltgeltung. Hoffmann und Moser veranstalteten gemeinsam Sonderausstellungen, die den Ruf des Unternehmens enorm hoben und zugleich höchste geVortragsabende Mosers, Hoffmanns und Czeschkas machten ein1 breiteres Publikum mit den An- und Absichten bekannt. Alles wurde erörtert und gezeigt, was Verfeinerung der Sitten, der Lebensgewohnheiten, der Gebrauchsgegenstände und so weiter betraf. Höhepunkt war die „Kunstschau Wien 1908”, die vollkommen ausgeprägt jenen Stil zeigten, der von 1903 bis 1915 wirken sollte.

1906 schied Kolo Moser aus: Das geometrisierende Werksprinzip, das er mit eiserner Konsequenz vertreten hatte, begann in den folgenden Jahren schwächer zu werden und verlor mit dem Eintritt Josef Eduard Wimmer-Wisgrills (1908) und Dagobert Peches (1915) seine Wirkung. Als Kolo Moser 1918 starb, begann man sein Schaffen genauso zu vergessen, wie fast vier Jahrzehnte später das seines Weggefährten Josef Hoffmann, der eigentlich schon seit 1945 nur noch einer Fachwelt bekannt war. Die Stadt Wien, wie die meisten staatlichen Institutionen, haben beider Andenken kaum gelohnt.

Jetzt ist es einer Privatgalerie, der Galerie 10 am Getreidemarkt, Anliegen, das Werk Kolo Mosers, dieses ungemein modernen Künstlers, der eigentlich den „industrial design” mitbegründ ete, breiteren Kreisen vor Augen zu führen. Der Katalog der Ausstellung nennt seine Talente: Maler, Graphiker, Bühnenbildner, Stilschöpfer… Aber warum ist es um Kolo Moser so still geworden? Manfred Vogel meint: „Weil er zwar zu den großen Wegbereitern des für seine Epoche signifikanten Kunststils — oder eigentlich des künstlerischen Lebensstils — gehörte, nicht jedoch zu denen, die sich und ihn zugleich in monomanem Werk vollenden durften. Viel von seiner Persönlichkeit hat sich im Anregen, Vorzeichnen von Möglichkeiten verausgabt Er war ein Motor der künstlerischen Strömungen seiner Zeit. Was auf der damaligen .Szene” gespielt wurde, kam von einem nicht unbeträchtlichen Teil von seiner Dramaturgie’ her. Er fand wenig offiziellen Dank, und während sein stilbildender Geist vielfach auf dem Umweg über andere fast die ganze Wiener Kulturgeschichte zweier Jahrzehnte durchdrang, wurden seine Versuche, den.eigenen künstlerischen. Jforst I-, hingen auch im eigenen,’nicht anonymen iWerk -direkte FoiTtien zu geben, nur am Rande zur Kenntnis genommen.”

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