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Verwirrende Fülle

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Eine fast 400 Nummern umfassende Ausstellung in der A1 b e r t i n a gibt den Auftakt für ein auf Jahre hinaus geplantes Unternehmen, das unter dem Titel „Die Kunst der Graphik“ die bisher üblichen Sommerausstellungen dieses einzigartige Institutes,. abjps jS^. Dje, Entwicklung der Graphik soll damit veranschaulicht und gleichzeitig ein eindringlicherer Überblick über die in der Albertina vorhandenen Schätze gegeben werden, als das bisher möglich war. Die erste Ausstellung ist dem 15. Jahrhundert gewidmet, und in ihrer Überfülle, die keineswegs noch den Bestand ausschöpft, liegt der einzige Anlaß, Bedenken gegen den ausgezeichnete Plan anzumelden. Der Embarras de richesses der Albertina gibt die Möglichkeit, entweder umfassende Dokumentation einer Epoche zu liefern oder ihre hervorragendsten Leistungen vorzustellen. Diese Ausstellung geht noch zu sehr in die Breite. Weniger wäre bei diesem Reichtum mehr gewesen und eine qualitative Auslese würde den Eindruck nur gesteigert haben. So empfiehlt sich auch der kritische nichtwissenschaftliche Besucher etwas ermattet und geschlagen von der überwältigenden Anzahl der Unikate auf dem Gebiet des Einblattholzschnittes, der Teigdrucke und Metallschnitte, der bedeutenden Leistungen im Kupferstich dieser Epoche, die aus der Anonymität zu so großen Persönlichkeiten wie Schongauer, Veit Stoß, Pollaiuolo, Robetta und Man-tegna führen. Auch vermittelt der Aufbau der Ausstellung den etwas mißverständlichen Eindruck, daß aus einer relativen Primitivität im 15. Jahrhundert eine Kunst vo teilweise raffinierter Eleganz und Sinnlichkeit entstanden ist, während diese Kräfte in unaufhörlichem Gegenspiel — wie es auch das ausgezeichnete Katalogvorwort des Direktors der Albertina, Dr. Walter Koschatzky, klarstellt — nebeneinander und miteinander wirksam waren. Trotz dieser kleinen Mängel ist es eine äußerst bemerkenswerte, gründliche Schau, die dem Besucher das mehrmalige Wiederkommen nahelegt, um an Hand des hervorragenden Kataloges von Dr. Erwin Mitsch, dem Bearbeiter, zum Entdecker und Conoisseur zu werden. Besonders zu begrüßen sind sowohl die Lehrausstellung im Untergeschoß, die an hervorragenden Beispielen eine Einführung in die graphischen Techniken gibt, wie auch die Tafel im Korridor, die ein anschauliches Bild der Geschichte der Albertina vermitteln.

Aus Anlaß des zehnjährigen Bestandes des belgisch-österreichischen Kulturabkommens findet im österreichischen Museum für an ge wandte Kunst eine Ausstellung von „Mode r-nen Wandteppichen und Keramiken aus Belgien“ statt, die einen repräsentativen Einblick in das Schaffen des Österreich auch historisch verbundenen Landes auf diesen Gebieten gewährt. Bei den Tapisserien fallen Julien van Vlasselaer und Jose Crunelle — beide von Lurcat beeinflußt — Anne Bonnet (Komposition), Rene Guiette und

Maud Henon besonders auf. In der Keramik dominiert Antonio Lampecco durch die sachliche nicht immer funktionelle die sachliche, nicht immer funktionelle Reinheit der Formen, Antoine de Vinck. Janik Mabille und Olivier Strebelle. Wo sich die Keramik in bildhauerische Probleme verliert, verrät sie — bei Landuyt — skurille Eigenart, Geschmack — Agnes Leplae — oder liebenswerten, handwerklich-technisch hochstehenden Spieltrieb, der bis zur Da-Da-Manifestation geht.

Ebenfalls im Kunstgewerbemuseum ist eine Ausstellung von Graphiken und Emailbildern von Pepi Weixlgärtner-Neutra mi ihrer Tochter Elisabeth Söderberg-Weixlgärtner zu sehen. In den farbenprächtigen Emailarbeiten, zum Teil vo monumentaler Größe, entwickelt sich bei Mutter und Tochter zwanglos der Übergang vom gegenständlichen zum ungegenständlichen Expressionismus, die emotionelle Durchdringung der meist religiösen Themen. Der pathetische Ernst in diesem lauteren Streben ist unübersehbar.

In der Galerie in der Biberstraße werden Bilder von Teofil O c i e p k a, einem polnischen „Naiven“ ausgestellt. Obwohl keine Kunstwerke, werden sie doch echt empfunden und zeigen die ganze Schwäche und Stärke der „naiven Malerei“; ihre tiefe religiöse und weltliche Gläubigkeit, die Dämonie des „horror vacui“, die Grenze zum Kitsch, vor der hier nur eine unbeschreibliche Unschuld rettet.

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