6602346-1953_47_14.jpg
Digital In Arbeit

Aufwuhlend und doch geheimnisvoll beruhigend . .

19451960198020002020

Das Vaterunser der Liebenden. Von Diego Hanns Goetz. Verlag Herold, Wien. $44 Seiten.Preis 65 Schilling

19451960198020002020

Das Vaterunser der Liebenden. Von Diego Hanns Goetz. Verlag Herold, Wien. $44 Seiten.Preis 65 Schilling

Werbung
Werbung
Werbung

Goethe: „Ein Buch, das große Wirkung gehabt hat, kann eigentlich gar nicht mehr beurteilt werden.“ Aber es geht ja gar nicht darum, dieses Buch, das schon so viele Leser in Bann schlug, unter die kritische Lupe zu nehmen oder gar schönrednerisch zu empfehlen. Wir tun besser daran, zu überlegen, um was es dem Verfasser ging, als er seine letzten zwei Bücher erdachte, schrieb und herausgab. Wenn einer, so steht dieser Predigermönch auf der Wacht vor den drängenden Gefahren der heutigen, der morgigen Zeit. Hat er uns im „Feind des gläsernen Menschen“ die nahe Bedrohung durch Satan überraschend entschleiert, in einer erregenden, erschütternden 'Sprache, die kein Wagnis scheut, so zeigt er im „Vaterunser der Liebenden“ die Bedrohung der Liebe durch den Menschen selbst.

Liebe ist eine Gnade, die größte, die uns Gott gewährt. So war es denn ein richtiger Gedanke, Beispiele nicht aus dem Alltagsleben zu nehmen, das Würdiges mit soviel Unwürdigem vermischt, sondern Begnadete sprechen zu lassen, deren Kunst das Kristallklare zu reinem Leuchten bringt, mit einem Wort: Dichter. Und Dichter sind sie alle drei, die hier Kronzeugenschaft geben: Hölderlin, der reine, tiefe Lyriker, Kierkegaard, der Denker, dessen Sprache Poesie ist, und Claudel, dessen Dichterruhm in unseren Tagen hell erglänzt. Er steht für das 20. Jahrhundert ein, Kierkegaard für das 19., Hölderlin für den Ausgang des 18. Jahrhunderts. Die Spannung ist weit, die Unterschiede sind groß, die drei Kronzeugen eint nur ihre Künstlerschaft.

Hölderlin reflektiert nicht, er stimmt den schlichten Gesang von Hyperion und Diotima an, sein eigenstes Liebeslied, eines der schönsten in der ganzen Welt. Auch Kierkegaard verleugnet sein Wesen nicht, er reflektiert und tut es gründlich, mit scharfsinniger, sehr origineller Argumentation. Beide sind an der Liebe ihres Lebens gescheitert und von keinem waren die richtigen Worte, geschweige denn das letzte Wort über die tiefste Liebesvereinigung, die Ehe, zu erwarten. Hier ist Claudel der gewichtige Kronzeuge. Man wird ihn als Dichter nicht mit Hölderlin vergleichen dürfen, und als Denker hat er gewiß nichts vor Kierkegaard voraus, aber er ist der einzige, der als Wissender über die Ehe reden darf und redet, und er meint immer die christliche, genauer: die katholische Ehe.

Wenn der Verfasser sich mit Claudels „Seidenem Schuh“ länger und eindringlicher beschäftigt als mit Hölderlins stiller Poesie und Kierkegaards reichem Gedankengut, so hat das seinen Grund nicht nur in der dornigen Unzulänglichkeit und in der Schwerverständlichkeit dieses großangelegten Werkes; es mußte dem Predigermönch ganz besonders am Herzen liegen, von der Wesensdarstellung der Liebe zur Deutung der christlichen, der katholischen Ehe vorzudringen. So ist denn dieser Teil seiner Arbeit der bedeutsamste, weil er ihm Gelegenheit gab, das Tiefste über Liebe und Ehe auszusagen. Und das war auch sein Anliegen in einer Zeit, die in der Verfälschung der Liebe, in der Umdrohung der Ehe ihresgleichen nicht findet. Gewiß hat er vielen aus der Seele gesprochen, aber viel, viel mehr Menschen mag er in die Seele hineingesprochen haben, in tiefe Bezirke ihrer Seele, in die solche Worte noch nie gedrungen waren.

Dies sei dem aufwühlenden und doch geheimnisvoll beruhigenden Buche dankbar bezeugt.

Sensation! Auswahl aus meinem 700 Titel umfassenden Katalog, der kostenlos versandt wird: Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, 142 S, Hin., nur 16.50 S; Niederle: Verklungene Namen, Tragische Geschicke im Wiener Bühnenleben, 110 S., kart., nur 4.80 S; Holzer: Wiener Volkshumor, Die Realisten, 270 S., geb., nur 8.50 S; Stigler-Fuchs: Wiener Theater vor und hinter den Kulissen, 194 S., kart., nur 5.80 S; Tauber: Musikerbriefe aus Wien, 148 S., kart., nur 7.50 S; Schreyvogl: Grillparzer, 538 S., Hin., nur 12.50 S; Santeler SJ.: Vom Sinn des menschlichen Seins, 78 S., geb., nur 1 S; Stefan Andres: Der Mann von Asteri, 531 S., Gin., nur 16.50 S; Chase: Das Buch der Bücher, Die Bibel und der Mensch von heute, 335 S„ Gin., nur 36 S; Wiesenau: Unterhaltende Geologie, 122 S., Hin., nur 8.50 S. BÜCHER-HERZOG, Wien VI, Mariahilfer Straße 1, _Telephon A 34 2 41_

Geschichte und Kultur der semitischen Völker, eine Einführung. Von Sabatino M o s c a t i. Europa-Verlag, Zürich-Wien. Oktav, 214 Textseiten, vier geographische Skizzen und 32 Bildtafeln. Preis 4.80 sfr.

Das vorliegende Buch stellt eine deutsche Ueber-tragung der 1949 erschienenen „Storia e civiltä dei Semiti“ dar, jedoch wurden die in der Zwischenzeit auf altorientalischem Gebiet gemachten Entdeckungen gewissenhaft eingearbeitet, so daß die deutsche Uebersetzung als ein selbständiges Werk bezeichnet werden muß. Das Buch will bewußt nur eine Einführung in die Welt und Kultur der Semiten sein. Die Abhandlung beschränkt sich auf die alte, sozusagen klassische Zeit und will einen ersten Ueberblick beim Studium der alten semitischen Kulturen vermitteln. Es wendet sich an Leser, die zum ersten Male zu dem Stoff in nähere Beziehung treten und will ihn so einfach und so anziehend wie möglich darbieten.

Die einleitenden Kapitel behandeln die semitischen „Urlandschaften“ Arabien, Syrien, Palästiaa und das Zweistromland, geben einen Ueberblick über Namen, Sprachen und rassische Zusammensetzung, um dann in sechs Hauptteilen die wichtigsten geschichtsbildenden semitischen Völker zu behandeln: Babylonier und Assyrer, Kanaanäer, Hebräer, Aramäer, Araber und Aethiopier. Der geschichtliche Beitrag der Semiten zur Weltkultur ist gewiß groß, mag man nun an die Ausstrahlung der mesopotamischen Länder denken oder gar an die arabische Welteroberung, alle diese zivilen Leistungen zugunsten des menschlichen Fortschrittes werden aber überboten durch die religiöse Bedeutung der Semiten. Judentum, Christentum und Islam, die drei großen Weltreligionen, sind alle in einem eng umrissenen Raum des semitischen Gebietes geboren und von Semiten gelebt und gelehrt worden, bevor sie zur Eroberung der Welt antraten. — All diese Phasen des semitischen Weltdramas sind von Moscati in packender Weise eingefangen und zur klaren Gestaltung gebracht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung