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Diogenes in der Tasche

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Der Diogenes-Verlag des jungen und unternehmungslustigen Schweizer Bürgers Daniel Keel in Zürich hat sich rasch einen Namen gemacht, und zwar einen guten (im allgemeinen) und einen sehr guten (bei Freunden des Humors), ln kurzer Zeit hat er eine solche Fülle heiterer Bücher auf den Markt gebracht, daß sich ihre Zahl gar nicht mehr übersehen läßt. Um aber doch ein wenig Ordnung in seine Produktion zu bringen, hat er sie gewissenhaft in zwei eindeutig voneinander geschiedene Gruppen geteilt: in gewöhnliche Diogenes-Bücher und in Diogenes-Tabu, was soviel wie Diogenes-Taschen- buch bedeutet. Das Erkennungszeichen der ersten Gruppe ist ein etwas griesgrämig-erstaunter Diogenes, der seinen Kopf aus der Tonne herausstreckt und ein Buch in den Händen hält; das der zweiten ein vergnügt vor sich hin lächelnder Mann, in dessen weißem Umhang sich aus unerfindlichen Gründen eine Tasche befindet, in der ein schwarzes Buch steckt; was darauf schließen läßt, daß es sich dabei um ein Erzeugnis des schwarzen Humors handelt. Diese zweite Gruppe, die der Diogenes-Tabus, läßt sich, wenn man es genau nimmt, wieder in zwei Gruppen unterteilen: in solche mit einem Stern und in solche mit zwei Sternen. Die mit einem Stern sind Einfachbändchen und kosten zwei Schweizer Franken und 95 Rappen: die Doppelbändchen mit zwei Sternen kosten nicht etwa das Doppelte, sondern bloß drei Schweizer Franken und 95 Rappen. Dagegen schwankt der Preis der großen Diogenes-Bücher von Mal zu Mal. — Hier sei nun zwanglos mit einigen Titeln bekanntgemacht: zunächst mit denen, die Diogenes in der Tonne auf dem Einband tragen, dann mit jenen, die Diogenes in der Tasche trägt.

Diesseits von Gut und Böse. Von Chaval. 99 Zeichnungen ohne jeden Kommentar.

Die fast in jeder Zeichnung Chavals wiederkehrende Grundfigur ist ein alter, verdrießlicher Mann, der etwa wie Erich Stroheim aussieht oder wie jener jetzt rasch populär gewordene amerikanische Schauspieler, der sich eine Glatze schneiden ließ und seine Haare nicht nachwachsen lassen darf, denn in ihrem Fehlen ruht — ein umgekehrter Samson — das Geheimnis seiner Wirkung Und Ausstrahlung. Dieser alte Griesgram erlebt nun vielerlei Abenteuer, aber nichts kann ihn so erschüttern, daß sich ein — wenn auch nur verstohlenes — Lächeln auf sein Gesicht verirrte. Da finden wir ihm beim Hutanprobieren. Sechzehnmal wechselt er die Kopfbedeckung, probiert Damenhut und Zylinder, Fliegerhelm und Tropenhelm, Sportmütze und Pullman- kappe. Lampenschirm, Musketieraufputz und Modeungetüm. Konstant und durch nichts aus der Ruhe zu bringen bleibt der gleichgültig dumme Ausdruck seines Gesichts, der sich einfach nicht beschreiben läßt. Gerade dieses Nichtbeschreibenkönnen aber scheint uns eia untrügliches Kennzeichen der Qualität der Zeichnungen Chavals zu sein. Sein Humor, seine Pointen sind stets unliterarisch, sind immer zeichnerischer Natur. Ob da nun der ungeheuer große Fernlaster mit Anhänger, der Briefmarkenraritäten befördert, an uns vorbeifährt, oder die Feuerwehrleute auf dem Sprungtuch ein volles Gedeck mit köstlichem Braten und Wein stehen haben, das sie nicht essen können, da sie ja das Tischtuch halten müssen, oder ob Chaval andere groteske Situationen herbeizaubert — immer ist es sein zeichnerisches Temperament, das uns schmunzeln läßt.

Gültig zehn Tage. Von Silvio Toddi. Kleiner Roman für Optimisten. Mit Zeichnungen von Hanny Fries. Uebertragen aus dem Italienischen von Lisa Rüdiger. 176 Seiten.

Ein harmloser, flott geschriebener Liebesroman, mehr hingetupft als geschrieben, den man ausgelesen hat, ehe man sich recht besonnen hat, ob man ihn überhaupt lesen soll. Eine amüsante Variation des banalen und abgedroschenen Themas: der junge, arme Held erlebt in Wirklichkeit, was sich sonst nur in der Traumfabrik des Films begibt. Ein kleiner römischer Büroangestellter beschließt, weil das Wetter so schön ist, nicht ins Büro zu gehen, findet eine Rückfahrkarte nach Venedig -- gültig zehn Tage — und die Sekretärin eines reichen Amerikaners, die ebenso jung und hübsch ist wie er selbst. Der Ausgang sei hier nicht verraten. Statt dessen Sei das Motto zitiert, das dem letzten Kapitel voransteht. Es ist ein Hai-kai des japanischen Dichters Sökan und heißt: „Könnt ich , am Mond / einen Griff anbringen — welch himmlischer Fächer!"

Allons enfants ... Wiedersehen mit Frankreich. 184 Seiten. Mit Zeichnungen von David Langdon. — ... über alles. Sachliche Reise durch Deutschland. 160 Seiten Mit Zeichnungen von David Langdon. — Nieder mit allen! Eine lehrreiche Geschichte für Kinder über einundzwanzig. 74 Seiten. Mit Zeichnungen von Vladimir P o p o f f. Alle von George Mikes. Deutsch von N. O. S c a r p i.

Wie kaum ein zweiter beherrscht George Mikes lie Künst, heiter 'zu reisen Indes wir einem Conférencier zu lauschen glauben, lernen Wir eine ganze Menge über ein Land, Wahres und Falsches. Er selbst sagt dazu: „Dieses Buch ist ein simpler Reiseführer zu französischen Gewohnheiten und zu französischer Denkweise. Es ist ein Reiseführer moderner Art — mit eindrucksvollem Mangel an ünzelheiten und einer bewunderungswürdigen Knapp- leit an Kenntnissen.“ Und am Schluß: „Wit alle wissen heutzutage viel zuviel über viel zu viele Dinge. Wir wissen auch viel zuviel über die Franzosen. Käufliche Menschen nennen sie käuflich, Selbstsüchtige Menschen nennen sie selbstsüchtig, Imperialisten werfen ihnen Imperialismus vor, nanierlose Menschen haben etwas gegen ihre Ma- lieren einzuwenden. Wir alle wissen, woran Frankreich leidet. Wir alle können seine Probleme lösen, vir alle wissen, was die Franzosen morgen tun werten. Wenn es diesen Seiten wirklich gelungen ist, Sin wenig Unwissenheit zu verbreiten und zu einem vlangel an Kenntnissen über ein gewaltiges Thema eizutragen, dann war meine Mühe nicht umsonst." So lustig dies klingt, so richtig ist es. Zwar läßt ich Mikes mit Vorliebe zu verallgemeinernden Be- lauptungen — oft sehr spitzig, wenn nicht überhitzt formulierten — hinreißen, in denen sich naturlgemäß Wahrheit und Dichtung vermischen. Aber | da meiste, was er sagt, stimmt sogar. Zumindest ist es interessant und regt zum Denken an. Nie — oder fast nie, wir wollen uns da nicht versteifen — ( macht er einen Witz um des Witzes willen; immer — oder fast immer — hat man den Eindruck, daß ein i reifer, überlegener Mensch zu einem spricht, der das Wichtige wichtig und das Unwichtige unwichtig nimmt und der die Länder, die er bereist, und die Völker, die er besucht, liebt oder doch zu lieben versucht. Das gilt für sein Frankreichbuch genau so wie für das über Deutschland; was er in letzterem an kleinen kritischen Vorbehalten macht, ist uns aus der Seele gesprochen.

Das Musenroß. Ein Buch von Dichtern von Paul Flora. Diogenes-Tabu.

Das rasch berühmt gewordene zweite Büchlein des Innsbruckers Paul Flora, der der bedeutendste — wenn nicht einzige — humoristische Zeichner Oesterreichs ist. Seine liebenswerte Kunst wurde in der „Furche bereits mehrfach, soweit es unsere schwachen Kräfte vermochten, gewürdigt. Es hieße einen Pegasus auf den Parnaß tragen, wollte man erneut von all seinen Vorzügen sprechen,

Velodyssee. Ein sportliches Epos von Arnold Kübler. Illustriert von Albi Allorfer. Diogenes-Tabu. 48 Seiten.

Arnold Küblet darf nicht mit Ferdi Kübler, dem bekannten Radsportler, verwechselt werden — wenn auch die häufigen Verwechslungen der beiden der Grund waren, warum Arnold Kübler, Chefredakteur der ausgezeichneten Monatsschrift „DU“, dieses kleine Epos im Versmaß Homers schrieb. Das Nachwort freilich meint, daß die beiden Kübler mehr als wir denken gemeinsam haben: beide sind fleißige Leute, beide arbeiten sitzend, der eine mit den unteren, der andere mit den oberen Extremitäten ,..

Cartoon 56. Diogenes-Tabu. 80 Seiten.

Die lustigsten Zeichnungen und Serien von Bose, Chaval, Paul Flora, François, Loriot. Savignac. Ronald Scarle, James Thurber u. a. Eine Welt zwischen Absurditäten und Alltäglichem ...

Horoskopiere dich glücklich. Von Bruno Kobel. Die zwölf Bilder des Tierkreises und ihr unleugbarer Einfluß auf die Menschen. Diogenes-Tabu. 48 Seiten. „Ueberwinden Sie pessimistische Anwandlungen durch optimistische Einstellung" und andere beherzigenswerte Ratschläge finden sich in diesem Büchlein, doch wirkt ihre Häufung, ehrlich gesagt, ziemlich albern. Gar die vielen Wortwitze und Anspielungen, die sich auf Fische, Wassermann, Schütze, Jungfrau usw. machen lassen, kommen mir primitiv vor. Doch ist der Rezensent durch die (gelegentliche) Lektüre der Wiener Mittagblätter derartig mit Wortspielereien übersättigt, daß er auf derlei Späße nur noch sauer reagiert. Anderen mögen sie gefallen.

Der Elefant. Eine unglaubliche Geschichte von Branislaw Nuschitsch. In deutscher Sprache nacherzählt von R o d a R o d a. Mit 16 Zeichnungen von Franziska B i 1 e k. Diogenes-Tabu. 48 Seiten.

Ein heiteres Märchen, das Roda Roda aus dem Serbischen übersetzte. Wir hören von einem Elefanten, den ein bankrotter Menageriedirektor in einer Balkankleinstadt zurückgelassen hat; dort stiftet er allerhand Unfug und Unruhe.

Der kleine Psychologe. Eine Einführung in den Drudel-Test von Roger Price. Deutsche Bearbeitung von Paul Rothenhäusler. Diogenes- Tabu. 60 Seiten.

Was ist ein Drudel? Das Vorwort definiert: „Der Drudel ist die Erfassung einer klassischen Situation (Ursituation!) aus der Welt der Menschen, der Tiere oder der Dinge mit wenigen Strichen." Ein Drudel ‘ ist um so besser, je selbstverständlicher er eine ausgefallene Situation umschreiben kann, je weniger Striche er dazu benötigt und je korrekter sie sitzen. Die reizvollsten Drudel in diesem Bändchen: die „Hohe Kuh", der „Doppelte Dry Martini“ und „Vier Elefanten beschnüffeln einen Pingpongball". Man bekommt Lust, mitzudrudeln und sich selbst etwas einfallen zu lassen.

Dr. Wieland Schmied

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