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Edwin Aldrins Entdeckung

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Bereits Wochen vor Weihnachten des Jahres 1968 traf der Presbyterianische Pastor Dean Woodruff aus Houston in Texas ungewöhnliche Vorbereitungen: Vor dem ersten Mondspaziergang ein halbes Jahr später wollte ein Pilot der Landefähre „Eagle” religiöse Stärkung nicht missen.

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Bereits Wochen vor Weihnachten des Jahres 1968 traf der Presbyterianische Pastor Dean Woodruff aus Houston in Texas ungewöhnliche Vorbereitungen: Vor dem ersten Mondspaziergang ein halbes Jahr später wollte ein Pilot der Landefähre „Eagle” religiöse Stärkung nicht missen.

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Dabei hatte der bemannte Raumflug mit einer Absage an die Existenz Gottes begonnen. Vor 35 Jahren, am 12. April 1961,umkreiste der Sowjet-Major Juri Alexe-jewitsch Gagarin, 27, mit dem Raumschiff „Wostok 1” als erster Mensch die Erde und wurde als Held gefeiert.

Er sah den blauen Planeten und das All wie noch kein Mensch vor ihm: „Ich sah die Kugelgestalt der Erde am gekrümmten Horizont. Der Ubergang von der hellen Erdoberfläche zum vollkommen schwarzen Himmel, an dem die Sterne zu sehen waren, ist sehr eindrucksvoll. Die Trennungslinie ist ganz dünn, wie ein Film, der den Globus umgibt, von zartblauer Farbe. Als ich aus dem Erdschatten herausflog, bot sich der Horizont wieder anders dar. Auf ihm befand sich ein hellorangegelber Streifen, der dann in Blau und aufs neue in Schwarz überging. Dieser Übergang bildet eine Farbensinfonie von wunderbarer Schönheit. Ich hätte mir gerne auch den Mond'angesehen, wie er sich im Kosmos •ausmacht. Doch leider befand sich die Mondsichel während des ganzen Fluges nicht in meinem Blickfeld.”

Sowjetische Chefideologen zelebrierten das Ereignis des ersten bemannten Baumfluges nicht nur als Triumph der Technik - sie interpretierten diesen Vorstoß ins Weltall auch als Sieg des Kommunismus.

In seinem Buch „Der Weg in den Kosmos” (Verlag für fremdsprachige Literatur Moskau) schrieb Gagarin nach seiner Heimkehr: „Ich ging in unser altes baufälliges Häuschen (...) An den Wänden, auf der alten, gelben Tapete, hingen die Aufnahmen von meiner Familie, die während des Empfangs im Kreml gemacht wurden. Nina Petrowna Chrustschowa hatte die Bilder meiner Mutter über-sandt. Viele Leute kamen, sich unser Haus anzusehen: Schulkinder mit ihren Lehrern, Kolchosbauern, sogar ein paar alte klapprige Mütterchen. Vor allem interessierten sie sich für die Frage, ob ich oben am Himmel den lieben Gott gesehen habe. Ich mußte sie enttäuschen, und ich vermute, daß meine Antwort ihrem frommen Glauben einen beträchtlichen Stoß gegeben hat. Der Flug in den Kosmos versetzte den Kirchenleuten einen vernichtenden Schlag. In zahllosen Briefen, die ich erhielt, las ich mit Genugtuung das Eingeständnis von vielen Gläubigen, die sich unter dem Eindruck der wissenschaftlichen Errungenschaften von ihrem Glauben lossagten und zur Erkenntnis gelangten, daß es keinen Gott gibt und alles damit Verbundene ausschließlich Erfindung und Aberglauben ist.”

Gagarins Wunsch nach einer Beise zur Venus, „um zu sehen, was hinter ihrem Wolkenschleier verborgen ist”, ging nicht mehr in Erfüllung. Der erste Mensch im Weltraum starb am 27. März 1968 auf tragische Weise bei einem Flugzeugabsturz.

Ein Jahr später starteten die Amerikaner ihr Programm Apollo 11 mit dem Baumschiff „Columbia” und den Astronauten Edwin „Buzz” Ald-rin, Mike Collins und Neil Armstrong. Am 20. Juli 1969,21.17 Uhr MEZ, erreichten Armstrong und Aldrin mit der Mondlandefähre „Eagle” das Meer der Stille. Mike Collins kreiste mittlerweile mit der „Columbia” um den Erdtrabanten.

Aldrin über seine stärksten Eindrücke: „... es waren jene Sekunden der Landung des ,Adlers' auf dem Mond, die mein Erinnerungsvermögen am meisten herausfordern, und obwohl es zu diesem Zeitpunkt eine ganze Menge für uns zu tun gab, mußten wir ja gleichzeitig mitteilen, daß wir nun endlich da waren. Und da kam plötzlich der Moment, da alles still war. Wir blickten aus dem Fenster, und es war dies für uns ein überwältigender Ausblick.”

Stunden vor dem Ausstieg zum ersten Mondspaziergang kam es zu einem denkwürdigen religiösen Ereignis. In seinem Buch „Men from Earth” (Bantam Doubleday Dell Publishing Group, New York) schildert Aldrin das wenig bekannte Detail. „Ich beschloß, ein Zeremoniell zu beginnen, das ich mit Dean Woodruff, meinem Pastor von der Presbyteria-nischen Kirche in Webster, vorbereitet hatte.” Eigentlich war zunächst eine vierstündige Buhezeit vor dem Ausstieg vorgesehen, aber daran war nicht zu denken. Aldrin: „Ebensogut könnte man von Kindern am Heiligen

Abend verlangen, bis abends um zehn auf die Bescherung zu warten.”

Pastor Woodruff hatte ihm ein winziges Kommunion-Set mitgegeben - „einen Silberkelch und eine Weinphiole etwa in der Größe der Spitze meines kleinen Fingers. Ich bat alle Menschen, die jetzt zuhören, einen Augenblick innezuhalten, um der Ereignisse der letzten Stunden zu gedenken und Dank zu sagen, jeder auf seine Weise. Das Plexiglasbord vor dem Computer wurde zum Altar. Stumm las ich aus der Liturgie: ,Ich bin der Weinstock, ihr seid die Beben während ich den Wein in den Kelch goß. Der Wein lief in der geringen Schwerkraft des Mondes wie Sirup an den Kelchwänden hinunter, bis er endlich auf den Boden sank. Die Metallhaut des ,Eagle' knirschte. Ich aß die winzige Hostie und trank den Wein. Ich sagte Dank für die Intelligenz und den Geist, die zwei junge Piloten ins Meer der Buhe gebracht hatten.”

Aldrin und Armstrong benötigten drei Stunden, um die Anzüge für den Mondausflug anzulegen. Knapp sieben Stunden später, am 21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ, betrat Neil Armstrong als erster Astronaut den Mond mit den historischen Worten: „1 )as ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit.”

Bund 20 Minuten später folgte ihm Aldrin durch die schmale Ausstiegsluke über die Leiter des „Eagle” und tauchte seine Stiefel in den zentimetertiefen Mondstaub. „Na, ist das nichts?”, sagte Armstrong. „Prächtiger Anblick hier unten.” Aldrin drehte sich einmal langsam im Kreis. Nach allen Bichtungen sank der Horizont steil weg. Jenseits des Mondrandes war nur schwarze Leere zu sehen. Steine, Felsbrocken und kleine Krater bedeckten die Mondoberfläche. Aldrin holte tief Luft und fühlte Gänsehaut an Gesicht und Hals. „Schön”, sagte er. „Prachtvolle Einöde.”

Gagarin 1961 und Aldrin 1969 -zwei Welten und Weltanschauungen. Kosmo- und Astronauten schrieben bei ihren Weltraumflügen auch ihre eigene Glaubensgeschichte, gegensätzlich wie These und Antithese in den Lehrbüchern des Dialektischen Materialismus. Heißt die Synthese vielleicht doch „Gott”? Mittler-” weile trainieren Astronauten für eine ferne Mission im nächsten Jahrtausend, bereiten sich auf monate- und jahrelange Beisen vor. Welchen Glauben werden sie mitnehmen? Wird es für sie „Gott im All” geben?

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