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Laft euren Herzen Ohren wachsen!66

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Er hat sich nie in allgemeine Uterarische Richtungen einordnen lassen, er hat nie nach der „Nützlichkeit“ seines Tuns gefragt, und er hält sich bis zum heutigen Tag für keinen „fertigen Schriftsteller“. Niemals ist er, wie die meisten seiner oft größeren Kollegen, in den Problemen des eigenen Ichs ertrunken-, es hatte ihn schon als Kind alles Lebendige interessiert, und seit er ein Mann ist, geht er alle ihn lockenden Wege cb, doch geht er sie nie so weit, daß er sich verirren könnte,

Rezensenten, die ihre Urteile gern für die Ewigkeit fällen, sehen das nicht gem. So war stets ein Teil für und ein Teil gegen jedes neu erscheinende Buch eines stets neuen, gewandelten Steinbeck. Nur „The Grapes of Wrath“ („Die Früchte des Zorns“), 1939, wurde und wird von nahezu allen Kritikern als sein bestes Buch gefeiert, wogegen sich seine Leserfreunde schon seit 1935 für „Tortilla Fiat“ entschieden haben (und er selbst beide vielgepriesenen Bücher „weniger“ schätzt).

So ist John Steinbeck, Sohn eines Vaters deutschen Ursprungs und einer Irländerin. Im Vorwort zu einer seiner schönsten Novelle, „Of Mice and Men“ („Von Mäusen und Menschen“), 1937, beschreibt ihn Henry Jackson als über sechs Fuß groß, von massivem Körperbau, der eher einen teutonischen Ursprung verrät. Sein Gesicht mit dem forschenden Blick kontrastiert zu diesem Körper. Die blauen Augen und hochgeschwungenen Augenbrauen verraten einen keltischen Zug. Absolute Verläßlichkeit geht von diesem Gesicht aus.

]ohn Steinbeck ist jetzt Sechzig. Gerade das richtige Alter, um geehrt zu werden, um den Nobelpieis für Literatur zugesprochen zu bekommen. — Sein letztes, von der amerikanischen Kritik überraschend einstimmig mit Lob aufgenommenes Buch (es ist in deutscher Sprache noch nicht erschienen), „Travels with Char-ley“, ist die Frucht einer Reise, die ein nachdenklich gestimmter reifer Mann mit seinem Hund als einzigem Reisegefährten quer durch Amerika unternommen hat. In dem Kapitel über die Wie-derbegegnung mit seiner kalifornischen Heimat heißt es da: „Einst kannte ich die City sehr gut; ich verbrachte meine Dachbudentage dort, während andere in Paris die verlorene Generation abgaben. Ich wurde in San Franziska flügge, erstieg seine Hügel, schlief in seinen Parkanlagen, arbeitete in seinem Hafen, marschierte und krakeelte in seinen Revolten. In gewisser Weife hatte ich das Gefühl, daß mir die Stadt ebenso gehörte wie ich ihr.“

Das ist der ganz junge Steinbeck, der angefangen hatte wie irgendein Amerikaner, der als Reporter gescheitert war, weil er „Reflexionen statt Berichte“ ablieferte, und dessen erster Roman, „A Cup of Gold“ („Eine Handvoll Geld“), 1929, durchgefallen war. Da kündigt sich aber auch schon der spätere Steinbeck an, der sich aus der Strömung der „Depressionszeit“ heraushielt und mit „Cannery Row“ („Die Straße der ölsardinen“), 1945, diesem wundervoll heiter-wehmütigen Buch um eine Gruppe von Nichtsnutzen und Individualisten, gegen die materialistische und utilitaristische Welt Amerikas Stellung bezog.

Der Zauber von Steinbecks Werk geht von seiner persönlichen Zartheit und Leichtigkeit aus, von seinem Glauben an die Einfachheit des Menschen (der erst 1952, in „Fast of Eden“ — „jenseits von Eden“ — gebrochen scheint). Wo er „eine Welt innerhalb einer Welt“ schaffen kann, wo er aufgeht im Belauschen der Wachstumsprozesse seiner Heimat, wo er das Ineinandergreifen von Natur und Menschenleben aufzeigen kann, da ist John Steinbeck einmalig. Vielleicht ist er es nicht so sehr als Dichter denn als Künder einer harmonischen und friedlichen Lebensauffassung.

Und diesen Vorzug preiswürdig zu finden, liegt durchaus im Sinne des Stifters, Alfred Nobel.

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