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Moderner Zyklus und Concertgebouw

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In einem von Georges P r e t r e geleiteten Konzert der Wiener Symphoniker spielte Christian F e r r a s das Violinkonzert von Alban Berg mit überraschend subtiler Erlebnisfähigkeit, die sich mit der Leistung des Dirigenten und des von ihm sicher und zielbewußt geführten Orchesters zum vielleicht zartesten Profil des Komponisten rundete. Daß dies zwei jungen französischen Künstlern gelang, ist ein schöner Beweis dafür, wie sich die Musik Alban Bergs international durchsetzt. Pretre dirigierte im gleichen Konzert auch die Psalmensymphonie von Igor Strawinsky, darin der Chor der Wiener Singakademie eine klanglich sehr runde, ausgewogene Leistung bot, mit der gleichen Intensität und Sicherheit, und wußte wie dort das persönliche hier das objektive Gesicht der Musik gültig nachzuzeichnen. leHinOX bnn rlxne In den Konzerten des Alban-Berg-Zyklus war ferner das Kammerkonzert für Klavier und Geige und dreizehn Bläser zu hören, ausgeführt vom Ensemble „die reihe“ unter der Leitung von Friedrich C e r h a. Auch hier das erstaunliche „Daheimsein“ in Stil und Eigenart des bisher keineswegs häufig aufgeführten Komponisten. Dies auch in der Serenade op, 24 von Arnold Schönberg, die in der Aufgelockertheit ihrer Wiedergabe auch die konservativeren Hörer zu lebhaftem Beifall hinriß. Besondere solistische Leistungen boten hier Friedl Kummer (Bariton), Viktor Redtenbacher (Violine) und Charlotte Zelka (Klavier).

„Das Klavierwerk von Igor Strawinsky“ nannte sich ein Abend des Pianisten Hans Graf unter Mitwirkung von Carmen Vitis-Adnet, und sein Programm war eines der überraschendsten, da viele der gespielten Werke den Zuhörern kaum je vor die Augen (hier Ohren) gekommen sind. Man konnte in der Werkfolge den Entwicklungsweg des Komponisten deutlich verfolgen. Von der Sonate und den Vier Etüden (1908 bzw. 1924) und der Serenade in A (1925) bis zur Sonate für zwei Klaviere (1943/44), welch weiter Weg und doch welch immer bleibendes Havie-ristisches Air in Klang und formaler Kunst.' Aber welche technische Erfordernis (und ihre Bewältigung) in Trois mouve-ments dePetrouchka, darin zwei Händen fast Unmögliches zugemutet wirdl Hans Grafs stupende Beherrschung der Technik befähigt ihn, auch diese „Unmöglichkeiten“ zu realisieren. Der Erfolg kommt fast dem eines „klassischen Schlagers“ gleich.

Die „Pastorale“, drei „Japanische Lieder“, das „Russische Mädchenlied“ und „Tilibom“ von Strawinsky sangEmmy Loose an ihrem Liederabend, und sie blieben zusammen mit Mussorgskys Zyklus „Kinderstube“ der Mittelpunkt nicht nur des Programms, sondern auch der Wirkung, des geistigen Habitus, während die „Fünf Lieder“ von Gottfried von Einem und die fünf „Wunderhornlieder“ von Jaromir Weinberger etwas außerhalb der Sphäre blieben. Frau Looses kultivierte Stimme wird allen Stilen und allen Nuancen des Ausdrucks gerecht, ihr ebenso diskretes als köstliches Mienenspiel bei der „Kinderstube“ war eine begeisternde Zugabe. Dieser Zyklus scheint ihr auch persönlich am unmittelbarsten zu liegen. Erik Werba war ihr Flügelmann. ..Einen bessern findst du nit!“

An drei Abendes- konzertierte im Großen Musikvereinssaal das Conceit-gebouworchest Amsterdam, dessen Spiel seinem Ruf und Ruhm durchaus entsprach. Das traditionsreiche, vor allem durch seine Mahler-Pflege berühmt gewordene Orchester ist im Klang nicht so homogen, wie wir es gewohnt sind. Die kräftigen Streicher, die ein wenig nasalen Holzbläser und das helle, schmetternde Blech sind immer — oder fast immer — gesondert zu hören, was der Transparenz der einzelnen Darbietungen sehr zustatten kommt; Virtuosität und Klangfülle der Amsterdamer suchen ihresgleichen. Unter Pierre M o n t e u x spielten sie die bereits 1926 geschriebene 3. Symphonie ihres Landsmannes Willem P i j p e r : ein kon-zises, kraftvolles und lautstark instrumentiertes Werk, ein typisches Beispiel übrigens für die „Moderne“ der zwanziger Jahre. Leon F1 e i s h e r war der Solist des Schumann - Klavierkonzerts; den zweiten Teil des Programms bildete die Symphonie fantastique von B e r 1 i o z. — Der junge Dirigent Bernard H a i t n i k leitete das zweite Konzert, auf dessen Programm Mendelssohns 4. Symphonie, ein Violinkonzert Mozarts (Solist David Oistrach) und das C 0 n c e r t o für Orchester von B a r 16 k standen. Von der Qualität des Orchesters und seines Dirigenten kann man sich durch Abhören einer PHILIPS-Langspielplatte überzeugen, auf der -neben'dem'Cohcerto Bartoks auch dessen. ..Tanzsuite“ aufgezeichnet ist. Als ein respektables Bruckner-Orchester erwiesen sich die Amsterdamer unter der Leitung Eugen J 0 c h u m s bei der Interpretation von Bruckners Fünfter. Dietrich Fischer-Dieskau sang mit ebenso noblem wie starkem Ausdruck, die an dieser Stelle wiederholt besprochenen „Jedermann-Monologe“ von Frank Martin. Als Dirigent machte der 87jährige Pierre Monteux, der Anno 1913 jene sagenhaft tumultuöse Liraufführung des „Sacre“ von StTawinsky geleitet hat. den stärksten Eindruck. Mit sparsamen, altmodischen Bewegungen holt er aus dem vorzüglichen Orchester alles an Ausdruck und Effekt heraus, was man sich nur wünschen kann Ein Zauberer? Vielleicht. Eine große, ehrwürdige Musikerpersönlichkeit auf alle Fälle. H. A. F.

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