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Musica nova aus osterreich

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Das letzte öffentliche Rundfunkkonzert machte der Reihe „Musica nova“ alle Ehre. Unter der Leitung von Michael Gielen spielten die Wiener Symphoniker Kompositionen von Arnold Schönberg und Hanns j e 1 i n e k, deren enormer Schwierigkeit leider das angekündigte dritte Werk von Luigi Nono zum Opfer fiel. Das streng auf einer „Reihe“ basierende. .1936 in Amerika komponierte dreisätzige Violinkonzert bezeichnet der Schönberg-Biograph H. H. Stuckenschmidt als ein trotz seiner musikalischen Rücksichtslosigkeit dankbares Stück von starkem, nahezu dämonischem Effekt. , Von exemplarischer Rücksichtslosigkeit ist vor allem der (von dem Deutschen Wolfgang Marschner bravourös und mit Todesverachtung gespielte) Solopart, der — wie Schönberg einmal scherzend sagte - einen Geiger mit sechs Fingern erforderte. In dem ganzen Stück gibt es zwei klanglich und harmonisch weichere und „schöne“ Stellen, die an Alban Berg erinnern; das übiige ist härtester Schönberg. — Im Auftrag des Südwestfunks schrieb Hanns Jelinek vor zwei Jahren die bei der Biennale 1953 in Venedig uraufgeführte ,,S i n I o n i a c o n-certante“ für großes Orchester. Niemand, der den prunkvollen, bläsergewaltigen Introitus oder das Adagio-Impromptu des fünfsätzigen Werkes hört, käme auf die Idee, daß es sich auch hier um eine — wenn auch freiere — Reihenkomposition handelt. Jelineks Musik ist ungewöhnlich farbig, abwechslungsreich und effektvoll. Schwerer zu spielen, aber leichter zu hören als Schönbergs Musik, hätte die „Sinfonia“ noch einige Proben vertragen. Michael Gielen hat die beiden Partituren genau studiert und war erfolgreich bemüht, sie dem Orchester und dem Publikum deutlich zu machen.

Im 6. Konzert der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ in der Akademie spielte die amerikanische Pianistin Charlotte Z e 1 k a drei Standardwerke der neueren Klavierliteratur: Schönbergs Suite op. 25, Stra-winskys an diesef Stelle vor kurzem besprochene „Serenade in A“ und Hindemith 3. Klaviersonate.“ Hier gab es auch Gelegenheit zu pianistischer Entfaltung im engeren Sinn. Den 2. Teil des Konzertes bildete eine Schallplattenwiedergabe des Kammerkonzerts von Alban Berg. (Die betreffende Aufnahme, die von Harald Byrns geleitet wird und bei welcher Charlotte Zelka den Solopart spielt, wurde am 22. Februar 1954 in unserer allmonatlichen Schallplattenrubrik angezeigt.)

In einem außerordentlichen Konzert des Kammerorchesters der Konzerthausgesellschaft unter der Leitung von Michael G i e 1 e n wurden Werke von vier österreichischen Autoren aufgeführt (Paul Csonka, Franz Hasenöhrl, Friedrich Reidinger und Karl Schiske). In diesem Rahmen kann nur das auch äußerlich durch eine Pause von den übrigen Kompositionen abgesonderte Violinkonzert aus dem Jahre 1951 von Karl Schiske besprochen werden, ein wirklich originelles, klanglich und konstruktionsmäßig hochinteressantes Werk. Ein Allegro deciso präludiert einen langsamen Satz, der von tiefen Streichern eröffnet wird und in dem — in der Art alter Antiphonien — Teile des Isaacschen Innsbruck-Liedes einander gegenübergestellt und mit einem zweiten, eigenen Thema kontrapunktiert werden. Nicht nur das von einer Schlagwerkbatterie begleitete Violinsolo im 3. Satz, sondern auch gewisse Härten der Farben und die auf das Skelett reduzierte Gestalt erinnern an Strawinsky, besonders an die „Geschichte vom Soldaten“. Die junge Geigerin FIfriede B a c h n e r spielte den sich häufig in den höchsten Lagen bewegenden Solopart mit bemerkenswerter Sicherheit und Virtuosität.

Nach dem . letzten' Konzert des Zyklus „Oesterreichisches Musikschaften der Gegenwart“ (vergleiche „Die Furche“ vom 5. März 1954) konnte man den Eindruck gewinnen, daß die Konzerte der „Oesterreichischen Gesellschaft für z e it-genössische Musik“ eine erfreuliche Entwicklung nehmen. Das letzte, von Gustav K o s 1 i k geleitete Orchesterkonzert bedeutete — leider — einen,argen Rückfall. Man müßte eine lange theoretische Abhandlung schreiben, um nachzuweisen, wie verfehlt das Konzept und die Durchführung des voll L. M. Walzel vertonten Zyklus „Aus dem Leben des Vinzenz van Gogh“ nach Dichtungen von Johann Gunert sind. In Kürze nur soviel: Man kann Farben nicht durch Farben wiedergeben; dagegen entsprächen den hatten Formen van Goghs ebenso strenge musikalische Formen, und nicht eirt freier, deklamatorischer Stil. Die „Oesterreichische Ouvertüre“ von Marcel Rubin hat, trotz ihres etwas lärmenden Schlusses, eher lyrischen Charakter. Die gewollte Einfachheit der Themen steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu deren komplizierter rhythmischer Grundierung und Verarbeitung. Beim Anhören von Marco Franks dreiteiliger symphonischer Dichtung „Porträts einer Stadt“ hat man den Eindruck, als spazierten Till Eulenspiegel und Don luan Arm in Arm durch New York. Lediglich eine kurze „Passacaglia“ für Orchester von Wolfgang Gabriel, dem weitaus jüngsten dieser Gruppe, machte durch ihre originelle Form und den aparten Orchesterklang einen guten Eindaick. Eingeleitet wurde das Konzert mit einem gutklingenden, aber recht konventionellen Orgelwerk (Präludium und Fuge) von Fritz W o r f f. Dem Publikum im Großen Musikvereinssaal haben sämtliche Kompositionen gut gefallen.

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