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ROMANO GUARDINI / ALTMEISTER DER DEUTSCHEN JUGEND

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Am Samstag nach Ostern empfängt im Palais des Congres in Brüssel in der feierlichen Festsitzung der Europäischen Kulturstiftung Romano Guardini den Erasmus-Preis 1961/62. Die diesjährige Tagung ist dem Thema gewidmet: „Die Erziehung des Europäers von morgen.“ Romano Guardini hat sein Lebenswerk dieser Aufgabe gewidmet: Erzieher einer deutschen, einer europäischen Jugend zu sein, wobei er Erziehung als Bildung in der Begegnung, im Gespräch, als Führung und Geleit versteht.

Romano Guardini ist kein Romantiker; dennoch läßt sich sein Wirken im deutschen Raum, als Führer der Katholischen Jugendbewegung, des „Quickborn“ auf Schloß Rothenfels, seine akademische Tätigkeit in Berlin, Tübingen und München, sein Freundeskreis, nur als ein Abschluß jener reichen deutsch-italienischen Wechselwirkung verstehen, die zwischen Goethes „Italienischer Reise“, den Italienfahrten der deutschen Romantiker und eben der so fruchtbaren Dichterfamilie der frühen Brentano, um Clemens und Bettina, so recht in Blüte kam.

Guardini ist am 17. Februar 1885 in Verona geboren, in der alten und faszinierenden Stadt, die in früheren Zeiten, als man noch langsamer und fühlender reiste, für so viele deutsche Italienfahrer die erste Begegnung mit dem römischen, lateinischen Genius und dem italischen Mittelalter vermittelte. Guardini ist in Deutschland herangewachsen zu einem Brückenbauer ganz eigener Art: behutsam, Wort für Wort prüfend und wählend, hat er Tiefen und Untiefen des deutschen Geisteslebens erlotet und sich um Heimholung in eine Katho-lizität bemüht, die lateinische Klarheit, milde Menschlichkeit der Ro-mania, des von Römern und Katholiken geprägten Westeuropa verbindet mit spezifisch deutschen Elementen.

Vielleicht stammt von daher seine stärkste Wirkung auf deutsche Jugend, auf deutsche Gebildete, zunächst in den Jahren nach 1918: dieses sein Wissen um deutsche Irrationalität, Intimität, Unruhe und Ungeborgenheit, das er vermählt mit einem unbeirrbaren Streben zum personenhaft erfahrenen Objektiven. Romano Guardini hat große, voluminöse Werke geschrieben, am stärksten aber kam er zur Wirkung durch die vielen kleinen Schriften und Traktate, die aus seiner Arbeit im „Quickborn“ hervorgingen. Für diese vielen Kleinschriften und irgendwie für den „ganzen“ Guardini steht die „kleine“ Schrift „Vom Geist der Liturgie“ repräsentativ: 1918 erstmalig erschienen, 1955 in 18. Auflage herausgekommen.

Guardini wurde viel übersetzt, in europäische und außereuropäische Sprachen. Seine Bemühungen um eine christlich-existentielle Interpretation Pascals, Dostofewskijs, Hölderlins, Rilkes kreisen jedoch sichtlich um die geheimen Götter und, wenn man es so nennen will, die geheimen Führer und Verführer dieser deutschen Jugend und Bildungswelt. Ein gewisser apolitischer Zug war diesem deutschen religiösen Aufbruch nach 1918 eigen: es fiel nach 1945 auf, wie wenig in diesen Kreisen deutscher Bildung und Frömmigkeit die Weimarer Republik, die zeitgenössische industrielle Gesellschaft und die massiven politischen Tatsachen und Bewegungen der Zeit gewürdigt, verstanden wurden. Romano Guardini mochte diesen Vorwurf spüren, als er nach 1945 sehr behutsam sich der gesellschaftlich-politischen Gesamtsituation zuwandte. Sein stärkster publizistischer Erfolg wurde der Schrift „Das Ende der Neuzeit“, 1950, zuteil. Als Festredner hat sich in den letzten Jahren Guardini mit spezifischen deutschen „heißen Eisen“ zu befassen begonnen, wie „Verantwortung; Gedanken zur jüdischen Frage“, 1952, und „Freiheit — Gedenkrede zum 20. Juli“, 1960. Gerade auch in diesen Schriften ist das seelsorgerische Element deutlich spürbar.

Berühmt und vielberufen wurde seinerzeit Guardinis Kundmachung: „Die Kirche erwacht in den Seelen. .. Die ungeheure Tatsache Kirche wird wieder lebendig, und wir begreifen, daß sie wahrhaft Eines ist und Alles. . . Das religiöse Leben kommt nicht mehr nur vom Ich, sondern erwacht zugleich im Gegenpol, in der objektiven geformten Gemeinschaft.“

Der Deutschitaliener Romano Guardini hat stark auch auf eine deutsche protestantische Bildungsschicht gewirkt und in vielen nichtchristlichen Gebildeten Achtung für katholische Geistigkeit und Spiritualität erweckt. In diesem Sinne darf Guardini als ein Wegbereiter einer Ökumene von morgen gesehen werden. Guardini gehört zu den repräsentativsten Geistern jener „offenen Katholizität“, die Jean Danielou SJ. als lebenswichtig für morgen angesprochen hat.

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