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Am Rande der Apartheid

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Auf seiner an Zwischenfällen reichen Reise in den Süden Afrikas betonte der Papst, gegen Rassendiskriminierung müsse alles getan werden: „Alles - außer Gewalt und Haß!“

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Auf seiner an Zwischenfällen reichen Reise in den Süden Afrikas betonte der Papst, gegen Rassendiskriminierung müsse alles getan werden: „Alles - außer Gewalt und Haß!“

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Zu seiner vierten Reise nach Afrika, vom 10. bis 19. September, wurde Johannes Paul II. von der Bischofskonferenz des südlichen Afrika (IMBISA) eingeladen. Von Zimbabwe bis Mozambique über Botswana, Lesotho und Swaziland führte diese Reise den Papst wieder einmal in stürmische Zonen, denn alle diese Länder grenzen an die Südafrikanische Republik.

Unter dem Zeichen des Friedens und der Gerechtigkeit begann Johannes Paul II. seine Reise in Zimbabwe. Tatsächlich fiel die Anwesenheit des Heiligen Vaters mit der Versöhnung zwischen der Regierung des Landes und der politischen Opposition zusammen. Indem er die Apartheid verurteilte, die von bestimmten südafrikanischen Glaubensbekenntnissen mit religiösen Argumenten verteidigt wird, erinnerte Johannes Paul daran, daß vor Gott alle Menschen aller Hautfarben gleich sind. Er würdigte Nelson Mandela, den Kämpfer für Freiheit und Gleichheit, verlangte die Unabhängigkeit Namibias und blieb sich selber treu, wenn er daran erinnerte, daß Jede Form der Diskriminierung, die auf Rasse gegründet ist, absolut abzulehnen ist“. Alles müsse getan werden, „alles, außer Gewalt und Haß, die Bruder gegen Bruder stellen“.

Anläßlich seiner Zusammenkunft mit der Jugend im Stadion von Harare ermahnte der Papst die jungen Menschen, sich nicht von den Werten zu entfernen, die von Tradition und Familie repräsentiert werden. Im Stadion von Bulawayo, in der Matabelepro-vinz, predigte der Papst Versöhnung und Ökumene. Tatsächlich ist diese Provinz das Zentrum der

Opposition unter Joshua Nkomo, Schauplatz der Unruhen bis zur Versöhnung zwischen Nkomo und Mugabe. Bei diesen Auseinandersetzungen wurden über dreißig katholische Priester in Matabele-land ermordet.

Die grundlegenden ökumenischen Begegnungen dieser Reise fanden in Botswana statt. In diesem Land, das etwa sechseinhalbmal so groß ist wie Österreich (mit 80 Prozent davon Kalahari-wüste), wollten alle den Papst sehen. Aber die Katholiken sind dort nur eine winzige Minderheit, rund 42.000 bei einer Einwohnerzahl von rund einer Million, davon die meisten Animisten. Doch leben die beiden Glaubenshaltungen friedlich und brüderlich nebeneinander. Das hat den Papst zum Ausspruch veranlaßt, Botswana sei „eine friedliche Insel in einem stürmischen Meer“. Mit ihrem begeisterten Empfang haben Katholiken und Nicht-Katholiken gezeigt, daß sie an einen einzigen Gott glauben. Sagte schließlich nicht ein botswanischer Intellektueller zu einem katholischen Priester: „Ihr braucht uns nicht von Gott zu erzählen, erzählt uns von Jesus Christus!“

Von Jesus Christus brauchte Johannes Paul in Lesotho nicht soviel zu sprechen. Lesotho ist das katholischeste aller Länder des südlichen Afrika. 650.000 aus einer Gesamtbevölkerung von 1,5 Millionen sind Katholiken. Sie hatten ein besonderes Erlebnis mit der Heiligsprechung von Vater Gerard. Trotzdem stand der Besuch unter schwierigen Vorzeichen. Vorerst war durch Schlechtwetter der Heilige Vater zu einer Zwischenlandung in Johannesburg gezwungen, im Land der Apartheid, wo er am Flughafen vom Außenminister „Pik“ Botha empfangen wurde. Nach dieser protokollarischen Begegnung mußte der Papst Lesotho über die Landstraße erreichen.

Ein blutiges Ereignis überschattete darüber hinaus die Ankunft des Papstes: Eine Geiselnahme von 71 Pilgern aus Südafrika durch eine obskure, bis dahin unbekannte Gruppe. Die Geiselnahme wurde durch das Eingreifen eines südafrikanischen Kommandos zum Drama, bei dem sechs Personen getötet und 20 verletzt wurden. Hinter diesem merkwürdigen Geiselnehmerkommando vermuten manche -auch Bischof Desmond Tutu - die Hand Pretorias. Pretoria dementierte. Der Papst besuchte die bei der Geiselnahme Verwundeten und sprach mit jedem von ihnen.

Kritik vom und am Papst

Im Stadion der Hauptstadt Manzini des nächsten Zieles, Swaziland, kam Johannes Paul auf die Polygamie zu sprechen. Er verurteilte sie schärfstens. Kein Wunder, daß Her junge König Mswati II. lieber eine halbe Stunde zu spät zur Rede kam und dann den Papst 20 Minuten warten ließ, bevor er ihn empfing. Man kritisiert Polygamie in Swaziland nicht so ohne weiteres. Der verstorbene König hatte 80 Gattinnen, und der junge König hat bereits vier.

Mocambique wird zerrissen zwischen den von Pretoria gesteuerten antimarxistischen Guerillas, der Renamo, und der Zentralregierung, die sich zum Marxismus bekennt. Die 13 Prozent der Bevölkerung, die sich zum römisch-katholischen Glauben bekennen, empfingen den Papst mit Begeisterung und skandierten: „Papst, Du bist ein Freund, das Volk ist mit Dir.“ Bei seiner Unterredung mit dem Präsidenten Joaquim Chissano forderte der Papst mehr „Freiheit und Bewegungsraum für die Kirche“. Man kann die Besorgnis des Papstes verstehen: Die Kirche hat erst dieses Jahr das Eigentum wiedererhalten, das ihr 1975 weggenommen wurde. Der Klerus hat oft genug Schwierigkeiten mit den Behörden. Im übrigen lag die nationale Versöhnung, welche die Mo-cambiquaner seit 13 Jahren erhoffen, im Zentrum der Reden des Papstes.

Einer der Höhepunkte des päpstlichen Besuches war der letzte Sonntag: Johannes Paul besuchte voll innerer Bewegung und tiefer Freude die Kranken des Zentralkrankenhauses von Maputo. 14, Kindern und Jugendlichen, die durch Minen der Guerillas verwundet worden waren, schenkte er einen Rosenkranz. An das Krankenhaus ließ er 50.000 Dollar überweisen.

Im Stadion von Machava trug Johannes Paul ein Leopardenfell, in diesem Teil von Afrika Symbol der Autorität. In seiner Ansprache kritisierte der Papst die Regierung, weil sie sich weigerte, mit der Renamo in Diskussionen einzutreten. Bei der ökumenischen Begegnung in der Kirche St. Anthony rief der Papst den christlichen Kirchen zu, ihre Spaltungen aus dem Weg zu räumen.

Bei dieser Begegnung wurde aber auch der Papst kritisiert, und zwar vom.südafrikanischen Präsidenten des Weltbundes der Reformierten Kirchen. Dieser warf Johannes Paul II. vor, zu gemäßigt Südafrika gegenüber zu sein, und kritisierte auch die Landung in Johannesburg.

Wenn dieser Papstbesuch, nach den Worten des mozambiquani-schen Bischofs Dos Santos, eine Gnade für Mozambique war, so sicher auch für das ganze südliche Afrika, und das aus verschiedenen Gründen. Der Papst hat fest undklar das Eintreten der Kirche für die entrechtete Bevölkerung unterstützt. Weiters ist zu hoffen, daß dieser Besuch den Zusammenhalt zwischen den Kirchen der Region verstärkt.

Sein Besuch war vor allem pastoral - die Kernthemen waren die Wiederversöhnung, die Ablehnung der Gewalt, der Friede, die Gerechtigkeit, die Entwicklung des Menschen, der Familie, der Ehe, der lokalen Vokationen für die Priesterschaft, das religiöse Leben -, doch jede dieser Botschaften hatte auch ihren gewichtigen politischen Stellenwert.

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